MFG - Wolfi und die Schokoladenfabrik
Wolfi und die Schokoladenfabrik


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Wolfi und die Schokoladenfabrik

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2013

Als ich um 8:30 Uhr auf das Gelände der Firma Styx in Obergrafendorf komme, sehe ich einige neue Hallen und denke mir, „ziemlich gewachsen seit meinem letzten Besuch“. Wolfgang Stix erwartet mich bereits im neuen Bistro, wo er gerade an der Kaffeemaschine herumhantiert, um uns Kaffee zuzubereiten. Seit 8 Uhr ist er – wie jeden Tag – am Gelände, nachdem er sein morgendliches halbstündiges Ergometer- und Hanteltraining absolviert hat.

Styx Naturcosmetics ist heute eine weltweite Marke. Wieso haben Sie sich für eine Karriere im Bereich Kosmetik entschieden und nicht für die üblichen Männer-Berufe wie Mechaniker, Schlosser oder, aktuell auch ziemlich bekannt, Werkzeugmacher?
Das ist einfach erklärt: Natur und Kräuter interessieren mich seit meiner Kindheit, mein Urgroßvater war ein anerkannter Heilkräuterspezialist im Waldviertel, und mein Vater begann sich bereits 1965 mit den alten Rezepturen meines Urgroßvaters zu beschäftigen. Dieser familieneigene Virus hat auch mich infiziert. Bereits als Kind habe ich mit Düften zu experimentieren begonnen, womit meine Mutter keine allzu große Freude hatte, weil ich aus ihren und den Parfüms meines Vaters meine eigenen Kreationen gemacht habe! (lacht) Während meiner Schulzeit im Gymnasium haben mich dann besonders Chemie und Physik begeistert. Andere Gegenstände, wie zum Beispiel Deutsch und Geschichte, eher nicht. Ich habe die Schule schließlich sein lassen und habe eine Ausbildung zum Drogisten gemacht.
Als eingefleischter St. Pöltner wahrscheinlich bei der damals bekannten Innenstadtdrogerie Vieröckl?
Nein, ich war ja ein Exil-St. Pöltner und habe bis zu meinem 19. Lebensjahr die meiste Zeit in Wien verbracht. 1977/78 bin ich dann nach St. Pölten umgezogen. Dort habe ich das Verkaufshandwerk von der Pieke auf gelernt und war nach verschiedenen anderen Stationen zwei Jahre lang als Kosmetikaußendienstmitarbeiter für die Firma Wella tätig.
Danach begann ich gemeinsam mit meinem Vater das Elternhaus in der Mariazellerstraße umzubauen. Da wir damals nur sehr geringes Kapital hatten, machten wir fast alles selber. Nach erfolgtem Umbau haben wir die anstehenden Aufgaben aufgeteilt, er war für die Produktion zuständig und ich bin in ganz Österreich verkaufen gefahren. Ich konnte dabei bald Erfolge erzielen, und so entwickelte sich aus dieser Basis die Firma Styx.

So einfach wie es jetzt klingt war es aber wahrscheinlich nicht, oder?

Ja stimmt, es war sogar sehr schwierig, da die Menschen damals ein sehr ausgeprägtes Markendenken hatten!
Aber ist das nicht heute noch viel ausgeprägter als damals? Sogar Schulkinder werden ja bereits auf Markenbewusstsein getrimmt.
Der Unterschied ist, dass wir heute eher ein Luxusmarkendenken haben. Damals gab es aber ein viel stärker ausgeprägtes „Consumermarkendenken“. Man war etwa der landläufigen Meinung, Kosmetik muss jahrelang eingeführt sein und einen klingenden Namen haben, wie zum Beispiel Nivea. Das war für uns natürlich ein sehr großes Hindernis beim Verkauf. Einschneidender in dieser Zeitwar für mich jedoch, dass mein Vater leider Gottes 1984 innerhalb von nur sechs Monaten verstorben ist und ich auf einmal ganz alleine mit der Firma dagestanden bin.

Wie alt waren Sie damals, und hatte das einschneidende Folgen?

Ich war 25 Jahre alt. Wirklich einschneidend war der Termin mit einem Mitarbeiter der kreditgebenden Bank. Wir hatten damals „sagenhafte“ 300.000 Schilling Schulden, und ich wollte diesen Kredit auf mich umschulden lassen. Beim nächsten Treffen fragte mich der Banker, wie ich denn glaubte, gegen diverse internationale Marken antreten zu können. Meine Antworten dürften ihn wohl nicht überzeugt haben, denn nach diesem Gespräch wurde mir mehr oder weniger mein Kredit fällig gestellt – auf einmal stand ich ohne Bankkarten und nur mit 20 Schilling im Hosensack wieder draußen vor der Tür! Ich war dann gezwungen, selbst Geld aufzustellen – aber das sind halt Dinge, die dich absolut prägen.

Glauben Sie, der Bankbeamte wollte Sie aufgrund Ihres Alters vor einem möglichen Misserfolg bewahren?

(lacht) Nein, der wollte mich vor meinem Erfolg bewahren! Aber mit dieser Aktion hätte der Bankbeamte damals fast die gesamte nachfolgende positive Entwicklung verändert bzw. verhindert! Da sieht man leider, dass man – selbst wenn man erfolgreich sein möchte und bereit ist viel dafür zu hakeln – nicht immer den Support bekommt, den man bräuchte. Besonders gefreut hat mich in diesem Zusammenhang die staatliche Auszeichnung im Jahr 2000 als größter Kosmetikbetrieb. Weil, Styx ist einzigartig, und wir haben keine Mitbewerber, sondern nur Marktbegleiter!
Ja, aus heutiger Sicht sicher, doch damals war das ja noch nicht so absehbar?
Das stimmt schon – damals hat ganz St. Pölten über mich und meine Aussage, ich werde erfolgreich mit Naturkosmetik, gelacht. Das Schwierigste war das komplette Unverständnis der Leute für meine Vision. Ich habe oft versucht, sie zu begeistern, meist jedoch ohne Erfolg! Außerdem habe ich in dieser Zeit schmerzhaft erkennen müssen, wer ein wahrer Freund ist und wer doch nicht! Es war schon eine besondere Herausforderung, aber ich hab mir gesagt, wenn du es in St. Pölten schaffst, schaffst du es auf der ganzen Welt! Und so ist es ja dann auch gewesen.

Sie haben den St. Pöltner Standort aber relativ bald aufgegeben?

Ja, 1991 habe ich einen neuen Produktions-Standort in Ober-Grafendorf zu bauen begonnen. Dies war dringend notwendig, da wir bereits in die Schweiz und Deutschland exportierten und auch in Österreich einen wachsenden Kundestamm hatten.

Wieso gerade Ober-Grafendorf?

Der Erstkontakt kam über einen gemeinsamen Bekannten zustande. Die anschließenden Gespräche wurden sehr offen und ehrlich geführt, Bürgermeister Vogel war wirklich an mir und meinem Betrieb interessiert. Der Unterschied zwischen den beiden Grundstückspreisen war ein weiterer Mitentscheidungsgrund. So hat der m²-Gewerbegrund in St. Pölten ca. 1.500 Schillig gekostet, in Ober-Grafendorf lag er bei 200 Schilling! Sobald diese Entscheidung gefallen war, begannen wir Schritt für Schritt den Betrieb hier auszubauen.

Apropos Betrieb, wie war Ihr Umsatz im vorigen Jahr, auf welchen Märkten wurde er erwirtschaftet?

Wir haben letztes Jahr auf unserem Heimatmarkt knapp acht Millionen Euro umgesetzt und auf unserem Weltmarkt ca. 21 Millionen. Styx hat zurzeit eine Exportquote von 70%, davon 40% auf unserem wichtigsten Markt in Russland, wo wir seit fast 20 Jahren tätig sind. Aber auch Märkte wie Kasachstan, Thailand, Ukraine, Österreich, Deutschland usw. bringen ihre Umsätze.

Wie schaut es mit China oder USA aus?

Um in den USA einen relevanten Marktanteil zu erhalten, sind sehr hohe Marketingkosten verbunden, die ich nicht ausgeben möchte. China wäre interessant, ist jedoch zurzeit noch mit ziemlichen Markthürden verbunden. Mal sehen, wie es sich dort weiterentwickelt.
Wenn Sie die Marketingkosten ansprechen: Was machen Sie, um Styx noch bekannter zu machen, oder halten Sie es auch mit der volksüblichen Meinung von Henry Ford „50 % meiner Werbung ist ‚sinnlos‘, jedoch ich weiß nicht welche.“
Das unterschreibe ich sofort! Aber im Ernst: Unser Marktetingbudget liegt zwischen 10-15 % vom Umsatz. Wir nützen praktisch alle Kanäle, die man so für einen optimalen Werbe-Mix braucht. Wichtig sind auch nach wie vor Messen. Z. B. sind wir dieses Jahr auf der „Cosmo Prof“ in Asien vertreten, wo wir, um österreichisches Flair zu vermitteln, eine typische Almhütte hinstellen. Wie Sie vielleicht wissen, fahre ich seit 20 Jahren mit der Lederhose zu meinen Messen. Auf der Vertriebsseite habe ich einen sehr guten Leiter und gute Außendienstmitarbeiter. Als weiteres besonderes „Goody“ erhalten unsere Hotelkunden für ihre Mitarbeiter die Wellness-Dienstkleidung von uns gratis. Dies kommt sehr gut an und aufgrund der steigenden Nachfrage habe ich eine eigene Stickerei auf dem Firmengelände eingerichtet. Für unsere Plakate und anderen Drucksorten habe ich eine hauseigene Druckerei.
Eigene Stickerei, eigene Druckerei – sogar ein Biomasseheizwerk gibts?
Dadurch ersparen wir der Umwelt jährlich 60 Tonnen CO2. Die Biomasse kaufen wir in einem Umkreis von 25 km ein, so unterstützen wir auch die Region und schaffen eine inländische Wertschöpfung anstatt ausländisches Gas zu kaufen. Ich bin auch Pionier bei E-Fahrzeugen. Zurzeit fahre ich selbst einen Opel Ampera, und im Rahmen des Fuhrparkes haben wir zwei weitere Fahrzeuge: ein „Spaßfahrzeug“ für meine Mitarbeiter zum Postfahren und einen Lieferwagen für Auslieferung in einem Radius von 100 km. Zusätzlich ist seit eineinhalb Wochen unsere eigene 700m² Photovoltaikanlage im Betrieb, mit der wir knapp 60 % unseres Stroms selber erzeugen. Wir werden immer autarker, und ich hoffe, dass unser Beispiel andere zum Nachdenken anregt …
Wie sieht es da eigentlich mit diversen Förderungen aus, welche ja sehr oft in Politikergesprächen vorkommen?
Die Förderungslandschaft ist sehr schwierig, du brauchst fast immer Experten, und auch die Zahlungszusagen werden nicht unbedingt eingehalten. Als Beispiel: Für unsere Biomasseheizung haben wir 2011 eine Förderungszusage erhalten – diese wurde bis heute nicht ausbezahlt, dabei haben wir mittlerweile weitere 15.000 Euro nachinvestieren müssen, um neue Auflagen zu erfüllen. Zusammengefasst: Die Förderlandschaft hier bei uns ist für einen Kleinunternehmer ein absoluter Dschungel. Außerdem handelt es sich meiner Meinung nach bei den meisten Förderungen um ein zinsloses Darlehen auf vier Jahre, wenngleich ich der Fairniss halber erwähnen möchte, dass ich für ein Elektroauto 5.000 Euro Förderung erhalten habe. Das ist „nice to have“. Aber wenn die Politiker die Förderungen beschränken und stattdessen die Abschreibungsmöglichkeiten verkürzen würden, hätte ich eine riesengroße Freude damit.
Das ganze Thema ist etwas, was mich immer wieder beschäftigt. Als Beispiel: Ich bin nun 54 Jahre und muss bereits Abschreibungen auf 36 Jahre planen, obwohl ich heute gar nicht weiß, ob ich überhaupt 90 werde. Mein Vorschlag wäre die Abschreibung von Blechhallen auf 10 Jahre und für eine gemauerte Halle auf 15 Jahre zu verkürzen. Rein theoretisch dürfte ja kein Unternehmer nach seinem 40. Lebensjahr weiter expandieren, weil er ja nicht weiß, wie lange er noch lebt und möglicherweise seine Erben mit den damals getroffenen Entscheidungen belastet.

Sie erzeugen mittlerweile auch Schokolade – wie ist es dazu gekommen?

Die Idee entstand durch die Zusammenarbeit mit einem ehemaligen Kunden. Da der Fachhandel stirbt und fast alles nur mehr über Supermärkte läuft, kamen wir auf die Idee, Eigenshops zu kreieren mit dem Produkt­sortiment Kosmetik und Lebensmittel. Von meiner Seite kam die Kosmetik, er war für die Lebensmittel zuständig – da er ein Schnapsbrenner aus der Wachau war, kamen von ihm auch die Schnäpse. 2006 eröffneten wir den ersten Shop in St. Pölten, sehr schnell folgten weitere in Dürnstein und Krems. Das Shop-Konzept entwickelte sich in relativ kurzer Zeit erfolgreich.
Die ersten Schritte in der Schokoladenproduktion begannen im „Goldenen Strauß“ und mit sehr einfachen Mitteln. Es gab dort eine Küche, und in dieser haben wir mit einer Konditormeisterin begonnen, Schokolade herzustellen – und zwar Marillen Schokolade aus Wachauer Marillen. Mittlerweile gibt es über 25 Sorten! Das passt auch sehr gut zu meiner Hauptproduktlinie Kosmetik, da auch Schokolade ein beliebtes Frauenthema ist (lacht).
Wie ist es um Ihre soziale Ader bestellt?
Ich denke mir, man soll etwas an die Gesellschaft zurückgeben, wenn es einem gut geht.
Ich fördere meistens Projekte, die mit viel Idealismus betrieben werden, die eine wichtige Funktion im öffentlichen Bereich haben oder die mir selber am Herzen liegen. Hier am Land ist es üblich, diversen Vereinen oder auch Blaulichtorganisationen ein bisschen unter die Arme zu greifen, das mache ich sehr gerne. Zudem sitzt meine Frau im Vorstand des Wifki und wir unterstützen dieses seit einigen Jahren, weil ich persönlich die Anliegen dieses Vereines für gut halte. Weiteres bin ich Hauptsponsor bei den Basketballern vom UBC St. Pölten – ich hoffe die nächste Saison wird besser, schau ma mal…
Was planen Sie für die Zukunft?
Wir werden die Betriebsbesuche forcieren, daher haben wir auch das Bistro hier gebaut, sodass wir zwei Betriebsführungen machen können: eine um 11 Uhr und eine weitere um 15 Uhr. Außerdem ist es der ruhigste Raum zurzeit, und man kann hier Journalisten empfangen. (lacht)
Ein weiteres Projekt für die nächsten Jahre wird die „gläserne Kosmetikfabrik“ sein – lassen Sie sich überraschen! Ideen gibt es bei mir immer viele!

Wir stehen kurz vor der Wahl. Ihnen werden auch gute Kontakte in die Politik nachgesagt?

Also der beste Förderer für deine Anliegen bist noch immer du selbst. Wir haben das Glück, dass wir uns in Niederösterreich in einem sehr guten Umfeld bewegen. Das heißt für mich, dass hier die Lebensqualität stimmt.
Was ich mir nach dieser Wahl von den Gewinnern wünschen würde, ist eine etwas unternehmerfreundliche politische Landschaft, weil wir ja das Rückgrat der Wirtschaft sind. Außerdem gehen mir diese Neiddiskussionen ziemlich auf die Nerven, weil eines muss man schon sagen: Wir leben von produzierenden Betrieben, und die Gewerkschaften in Österreich haben es geschafft, dass wir heute keine Textilindustrie mehr haben. Es ist sicher legitim, sich für diverse Arbeitnehmerinteressen einzusetzen, nur auf der anderen Seite gibt es auf der ganzen Welt genug Plätze, wo es weder fünf Wochen Urlaub oder eine 40 Stundenwoche gibt. Daher finde ich die Forderung nach sechs Wochen Urlaub absolut sinnlos – dadurch würden sich die Produktionskosten erhöhen, und um weiterhin marktfähig zu bleiben würden dann halt noch mehr Firmen ihre Standorte aus Österreich auslagern müssen!

Gilt das auch für Styx, gehen Sie vielleicht stiften?

Nein, ich bin sehr gerne in Österreich und ich bin auch weiterhin kein Stifter, sondern ein braver Steuerzahler. Andererseits gibt es für mich bedenkliche Tendenzen, was sowohl den Arbeitsmarkt als auch die Asylthematik betrifft: Ich finde zum Beispiel sehr leicht Hilfskräfte, jedoch fast keine gut ausgebildeten Fachkräfte mehr!