MFG - STOLZE DEPPEN
STOLZE DEPPEN


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

STOLZE DEPPEN

Text Michael Müllner
Ausgabe 09/2015
Kennen Sie Tatjana? Ohne mit ihr „befreundet“ zu sein, teilt sie uns auf ihrem Facebook-Profil mit, wo sie wohnt, in welche St. Pöltner Hauptschule sie ging und mit wem sie verheiratet ist. Nachdem entgegen ersten Meldungen bekannt wurde, dass doch nicht 170 Kriegsflüchtlinge für eine Nacht in der St. Pöltner Hesserkaserne untergebracht werden, war Tatjana leichter. Öffentlich postete sie: „Gott sei dank :-) Bitte einfach weiterfahren, Österreich bleibt Österreich“.
Zig weitere „User“ hätte ich griffbereit. Sind die Menschen gedankenlos und dumm, wenn sie etwa auf Facebook ihren menschenverachtenden Zynismus kundtun? Handelt es sich neben mangelnder Kompetenz im Umgang mit der Sprache auch um ebensolche beim Umgang mit sozialen Medien? Oder bin ich der Freak und lebe in meiner linkslinken Gutenmenschenblase der Lügenpresse?
Es ist der Preis einer freien Gesellschaft, dass Menschen auch menschenverachtenden, abwertenden Rotz abgeben dürfen. Und dass sie sich von ihresgleichen dafür beklatschen lassen. Das ist die Meinungsfreiheit, die wir auch für die stolzen Deppen und ahnungslosen Angsthasen verteidigen müssen – wenn es uns tatsächlich um eine freie, pluralistische Gesellschaft geht. Zugleich dürfen und müssen wir aber auch werten. Und zwar so:
Ich denke, rechtsradikale Populisten haben in den letzten Jahrzehnten Fremdenfeindlichkeit geschürt, um in ihrem Windschatten an die Futtertröge der Macht zu kommen. Heute hat sich die Lage geändert. Die Fremdenfeindlichkeit hat sich in der Gesellschaft festgesetzt, sie hat nun selbst die Kontrolle übernommen und hält die Populisten am Gängelband. Das ist erschreckend. Aber nicht alternativlos. Man kann, man muss der Dummheit im Alltag widersprechen. Weil es ein Anfang ist.