MFG - Bretter, die IHNEN die Welt bedeuten
Bretter, die IHNEN die Welt bedeuten


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Bretter, die IHNEN die Welt bedeuten

Text Thomas Winkelmüller
Ausgabe 12/2016

Ein lauter, umtriebiger Verein: die STP Skate Association. Sollen Mitglieder ihre Organisation beschreiben, antworten sie mit „aua“, „oag“ und „hinig“. Die Jugendlichen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die lokale Skatekultur zu verbessern – mit Erfolg!

Meine Schwester hat gesagt, du wirst jetzt Skater. 2009 war das halt noch cool“, erzählt Melvin Tricoire lachend. Vorsichtig rollt er seine Zigarette im Aschenbecher ab und blickt verstohlen auf sein Skateboard. „Was ich bin, bin ich wegen Skaten.“ Er ist Mitglied der ersten Stunde, als eine Gruppe von jungen Skateboardern die STP Skate Association 2011 gründete. Zuvor waren einige kleine Cliquen separat voneinander skaten gegangen. Als sie sich untereinander anfreundeten, entstand die STP Skate Association. Auch, um eine Alternative zum aufgelassenen Körnerskatepark bauen zu können.
Skateparkblues Part I
Kaputte Rampen und erzürnte Anrainer sind das, was den Skatern in den Köpfen als Erinnerung an den alten Skatepark geblieben ist. Er wurde 2011 geschlossen. Die Begründung damals: Ein Lehrerparkplatz soll gebaut werden. Daraus ist jedoch bis heute nichts geworden, der Platz im Hammerpark steht seit Jahren leer. Den ehemaligen Skatepark gibt es aber auch nicht mehr, weshalb der Bedarf nach einer Alternative schlagend wurde.
Jakob Winter, damals Vorsitzender der Sozialistischen Jugend und heute Journalist, füllte gemeinsam mit der STP Skate Association diesen luftleeren Raum mit dem Plan für einen neuen Skatepark. „Der hat echt jedes Mal bei uns Tschick geschnorrt“, scherzen sie. Das sei aber das Mindeste gewesen, womit sie sich revanchieren konnten. Winter hat das Bauprojekt des „Lakesideparks“ maßgeblich mitgetragen. „Es hat so gewirkt, als ob es ihm ein echtes Anliegen ist, dass aus dem Park was wird.“
In grauer Vorzeit stand auch Winter auf einem Skateboard und machte etwas, das von oben wie der Skatetrick Ollie ausgesehen haben soll. Schlussendlich war er aber ein Fremdkörper in der Materie, seine Skateboardkarriere blieb kurz. Winters damaliges Ziel war es, „Stadtpolitik mit und für Jugendliche“ zu verwirklichen. „Das war ein Mitbestimmungsprozess, der Vertrauen in Staat und Demokratie befördern sollte. Wenn die Stadt einen Skatepark hinstellt, hat er diesen Bürokratietouch. Einen selbst gebauten Park akzeptieren die Skater als ihren eigenen und passen besser auf ihn auf“, so Winter.
Das Hauptproblem auf dem Weg zum neuen Skatepark bildete anfangs die fehlende Kommunikation zwischen Skatern und Stadt, die dank Winter als Mittelsmann und Kommunikator hergestellt werden konnte. Fazit war der von der Stadt finanziell unterstützte Bau eines „Best of Skatepark“. Das hieß, funktionierende Obstacles – ein Sammelbegriff für Rampen und andere Skateparkgeräte – von den umliegenden Skateparks mitsamt neuem Material beim zukünftigen Lakesidepark zusammenzutragen, um einen Park zu bauen. Daraus entstand in eineinhalbjähriger Alleinarbeit der Lakesidepark am Ratzersdorfer See.
„Man muss einmal Leute finden, die ehrenamtlich so viele Arbeitsstunden investieren“, betont Michael Hogl, Kassier der STP Skate Association. Er ist Sozialarbeiter im Jugendzentrum Steppenwolf und wirkt wie ein Vater, der voller Stolz von seinen Kindern schwärmt. Mit wohlwollendem Blick auf die nebenanliegende Skatehalle erzählt er, „was mir oft aufgefallen ist: Die Burschen gehen auf junge Anfänger, die noch nicht ganz fit auf dem Board sind, zu und helfen ihnen. Da wird keiner ausgelacht, sondern als Teil der Community gesehen.“
Ästhetisches Knochenbrechen
„99 Prozent vom Skaten sind Hinfallen und Aufstehen“, erklären die Skater und grinsen. Narben und Schürfwunden finden sich auf jedem hier im Raum. So oft sie auch einen Trick nicht schaffen – das Skaten gibt ihnen eine Basis, eine Grundfeste, auf die sie sich immer wieder zurückfallen lassen können. Es hält sie zusammen. Das Skateboard als Boden unter den Füßen. „Das ist ein Freundeskreis, der dafür gesorgt hat, dass eine große Zahl an Jugendlichen in St. Pölten nicht auf blöde Ideen gekommen ist, sondern ihre kreative Energie in sinnvolle Bahnen gelenkt hat“, meint Winter.
Skaten bleibt trotzdem eine Subkultur. Es spiegelt Freiheit wider, aber nicht auf anarchistische oder destruktive Art. Physische und psychische Kreativität sind unentbehrlich. Es funktioniert nicht nach bestimmten Regeln und Normen wie andere Sportarten. Skaten bietet ein unendlich großes Spektrum an Möglichkeiten. „Das Ganze ist Kunst, weil du eine Betonmauer siehst und sie in eine Curb verwandelst“, sagt Melvin, „du entwickelst eine komplett neue Wahrnehmung. Wenn du skatest, siehst du eine Stadt nie wieder wie davor.“
Magenpunch und Tschick 1000
Ihre Kunst und Kreativität tragen die Mitglieder in ihren Skatevideos in die virtuelle Welt hinaus. Monatelang sammeln sie Sequenzen von Skateboardtricks, schneiden Clips, unterlegen die Videos mit Musik und machen sie publik. Der letzte Film „Magenpunch – im Magen kommt alles z‘samm“, feierte im Cinema Paradiso am Rathausplatz seine Premiere. Zurzeit arbeiten mehrere Leute an unterschiedlichen Projekten. Das kommende Video heißt „Tschick 1000“. Es zeigt Szenen von der letzten STP-Skatetour durch Deutschland, Dänemark und Schweden, zusammengewürfelt mit Skateclips aus St. Pölten. Der Name kommt von der berühmten Kamera GX 1000, vorwiegend benutzt für Skatevideos. Nach ein paar Dosen Bier wurde mit dem Klang des Namens der Kamera experimentiert, bis schlussendlich „Tschick 1000“ entstand. Da sich das mit dem exzessiven Zigarettenkonsum der Gruppe deckt, entschieden sich die Skater kurzum, ihr neues Skatevideo danach zu benennen. Lachend fügen sie hinzu: „Das Lustige ist, dass wir das Video mit einer billigen Digicam gefilmt haben, die wie der kleine, dumme Bruder der GX 1000 wirkt.“
Kunst findet im Kreis der Sankt Pöltner Skater auf viele Arten ihren Ausdruck, auch im Tätowieren. Die Kurzfassung zur Entstehung der ersten „gemeinsamen“ Tattoos: zuviel Alkohol und die neue Tätowiermaschine des ehemaligen Vorsitzenden Markus „Gnomi“ Fanninger. Die Burschen in der Runde ziehen die Hosenbeine hoch und präsentieren das „Meisterwerk“. Eine Mischung aus Stolz und Amüsement ist spürbar. „Schauen aber schon ein bisschen trashig aus“, meinen sie belustigt. Fast jeder der jüngeren Mitglieder hat ein Skateboard über dem Knöchel tätowiert. Bereuen tue das keiner, wie sie versichern. Im Gegenteil: Sie bringen damit weit mehr als ihre gemeinsame Liebe zum Skaten zum Ausdruck. „Wir sind Freunde und Familie, die Grenzen verschwimmen.“
Der Sound des Skateboardens
Eine weitere Liebe, die sie teilen, ist jene zur Musik, ganz gleich, ob in den Skatevideos oder bei ihren Jams. Die Geschmäcker sind breit gefächert, von Hip Hop über Jazz bis hin zu psychedelischem Rock oder Discofunk ist alles in ihrer Plattenkollektion vertreten. „Musik macht beim Skateboarden einen Riesenunterschied. Ein Typ, der Punk hört, fährt ganz anders als einer der Hip Hop hört.“ Diese Worte stammen nicht von einem Mitglied der STP Skate Association, sondern von zwei Skateboardern, die mittlerweile ihre Musik vor zehntausenden Menschen in ausverkauften Hallen auflegen: Camo & Crooked.
In St. Pölten waren die beiden schon lange nicht mehr, fremd ist ihnen die Skateszene aber keineswegs. Die beiden DJs verbrachten einen Teil ihrer Jugend damit, die alte Skater-Generation der STP Skate Association kennenzulernen. Heute denken sie gerne an diese Zeit zurück, immerhin haben sie sich in St. Pölten kennengelernt: „Wir sind nach einem Skatecontest im Warehouse ins Reden gekommen und zwei, drei Wochen später haben wir schon gemeinsam einen Tune gemacht.“ Die STP Skate Association verfolgen sie online über die Homepage. „In der Stadt hat‘s für ihre Größe schon immer ein bisschen gewurrlt. Der neue Skatepark kommt cool und es ist leiwand, dass sich was tut in St. Pölten“, meinen sie. Das Wichtigste sei, dass die Gemeinden sich für die Skater engagieren und sie nicht verjagen, sondern die Kultur akzeptieren und integrieren. Ihre Abschlussworte: „Was besser gemacht werden könnte: Die Jungs von der STP Skate Association könnten mal besser skaten lernen.“
Skateparkblues Part II
So scherzhaft dieser Kommentar gemeint war, so ernst ist v. a. ein Problem der STP Skate Association. Anfang September fand der alljährliche Frauenlauf statt, mit einer Station gleich neben dem Lakesidepark. Bereits letztes Jahr kam es dabei zu Beschädigung des Parkgeländes, und auch heuer wurden wieder u. a. einige der Skaterampen demoliert, darunter das neue Centerpiece, das die Vereins-Mitglieder mit Hilfe der Stadt wieder erneuerten. Wer den Schadensersatz aufzubringen hat, steht noch nicht fest. Die Skater wünschen sich von der Stadt jedenfalls, Sorge zu tragen, dass der Skatepark bei derlei öffentlichen Veranstaltungen in Hinkunft geschützt wird, was Sportreferent Wilheml Vojta auch zusagt.
„Der Zukunftswunsch wär natürlich überhaupt ein fetter Betonpark, da hat man einmal 20 Jahre eine Ruhe“, so die Skater. Bauen von Skateparks aus Beton sei eine Win-Win Situation für alle Beteiligten. Solche Parks sind weit nachhaltiger und werden langsamer abgenützt. Die jeweiligen Gemeinden müssten nur eine einmalige Investition tätigen, wenn sie auch kostspieliger ist. Ob sich die Stadt und der Skateverein erneut auf einen Umbau des Skateparks einigen können? Die Stadt winkt aktuell eher ab. Aber egal, wie es ausgeht: Ihre Liebe zu den vierrädrigen Brettern werden die Jungs vom Skateverein so bald nicht verlieren. Neue Mitglieder sind übrigens willkommen. Die Anmeldung erfolgt entweder online oder per Zettel beim „Steppenwolf“. Mitgliedsbeitrag gibt es bei der „STP Skate Association“ keinen!
www.stp-skate.com