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KATHRIN SCHINDELE , ABGEORDNETE ZUM LANDTAG (SPÖ)


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KATHRIN SCHINDELE , ABGEORDNETE ZUM LANDTAG (SPÖ)

Text Michael Müllner
Ausgabe 05/2023

Während die SPÖ streitet, fragen Mütter in der Schule, ob sie die zehn Euro für den Schulfotograf auf drei Monate abstottern können.

Sie haben Ihre zweite Legislaturperiode im Landtag angetreten, dennoch habe ich kein klares Bild von Ihnen und Ihrer Tätigkeit. Wer sind Sie denn?
Meine familiären Wurzeln sind im Waldviertel, aufgewachsen bin ich in einer richtig roten Familie in Wien. Bei uns wurde immer politisiert und diskutiert, meiner Mama verdanke ich mein Gerechtigkeitsempfinden. Mir wurde während meines Studiums klar, dass ich mit Kindern arbeiten möchte, verstärkt hat das nicht zuletzt ein Jahr, als ich mit Confetti-TV in ganz Österreich unterwegs war. So wurde ich Sonderschullehrerin, bis die Frage kam, ob ich nicht in die Politik gehen möchte. Dabei war für mich entscheidend, dass ich weiterhin meinen gelernten Beruf zumindest ein bisschen ausüben möchte, darum stehe ich nach wie vor in der Schule und bekomme mit, was bei den Menschen los ist. Wenn man im Radio hört, dass jedes fünfte Kind in Österreich armutsgefährdet ist, dann kenne ich die Gesichter dieser Kinder und ihre Geschichten. Das ist mein gewaltiger Antrieb, das gibt mir die Motivation.

Also sind Sie keine klassische Berufspolitikerin?
Beide Typen sind wichtig in einem Klub und einer Partei. Aber ich komme aus dem Beruf und sehe manches anders als jemand, der in einer Partei-Blase lebt. Ich bin nicht auf den Mund gefallen und brauche den Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern. Bei Veranstaltungen sitzt man oft auf einem Ehrentisch. Wirklich spannend wird es für mich aber dann, wenn ich aufstehe und mich in der Mitte im Lokal bei einem Tisch dazusetzen darf. Wenn die Leute nach ein paar Minuten vergessen haben, dass ich Politikerin bin und sie mir ins Gesicht sagen, wie es ihnen geht und was sie sich von der Politik erwarten, dann bin ich die Politikerin, die ich sein will.

Warum diese Wahlniederlage?
Ich habe viel darüber nachgedacht, aber keine richtige Antwort gefunden. Man gibt jahrelang sein Bestes und entwickelt Programme, von denen man wirklich überzeugt ist, dass sie die großen Herausforderungen unserer Zeit verbessern würden – aber ganz offensichtlich haben wir viele nicht überzeugt. Ein Aspekt ist sicher, dass die letzten Jahre sehr stark von Angst geprägt waren. Die Pandemie und damit verbundene Maßnahmen, der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen. Da haben ganz offensichtlich jene profitiert, die auf einfache Botschaften setzen.

Ich kann mich nicht erinnern. Was waren denn die Botschaften der SPÖ im Wahlkampf?
Das zentrale Motiv war, dass wir Ungerechtigkeiten bekämpfen möchten. Aber es stimmt wohl, dass wir es handwerklich nicht geschafft haben, unsere Ideen und Lösungsansätze den Leuten vorzustellen. Wir können das nicht mehr ändern, wir versuchen aber daraus zu lernen. Wenn die Menschen sehen, dass sie rundherum von Themen umgeben sind, die von der Politik gestaltet werden können, dann werden die Menschen auch wollen, dass diese Themen in ihrem Interesse bestmöglich ausgestaltet werden.

War Franz Schnabl der falsche Spitzenkandidat, und was ist unter Sven Hergovich nun anders? 
Es ist ein allgemeiner Trend, dass die einzelnen Köpfe bedeutender werden, wenn man so will die Zugkraft der Kandidaten. Während des Wahlkampfs hatte ich keine Zeit mich in Umfragen oder Analysen zu vertiefen, aber ich spürte bei den Haustürbesuchen, dass unsere Eigenwahrnehmung nicht mit der Wahrnehmung der Menschen draußen zusammenpasst. Die Grundstimmung war von Unzufriedenheit geprägt. Vieles war mit Pandemie-Maßnahmen verbunden, aber nicht nur, wenn wir an die Teuerung denken, an die Warteschlange vorm EVN-Büro am Rathausplatz mit Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Stromrechnung zahlen sollen oder wie sie sich eine neue Waschmaschine kaufen sollen, wenn die alte eingeht. Und das trifft nicht die vermeintlich „Armen“, sondern das sind Sorgen des Mittelstands! Aber wer uns nicht glaubt, dass wir dafür Lösungen haben, der wählt uns nicht, sondern andere Parteien, die sich als Protestmöglichkeit anbieten. 

Was hat sich seit dem Wechsel zu Sven Hergovich geändert?
Mit dem Sven entstand eine echte Aufbruchstimmung im Team, es herrscht frischer Wind. Er hat in allen Bereichen ein Team zusammengestellt, das an einem Strang zieht und nun konstruktive, aber klare Oppositionsarbeit macht. Und bei der Wahl 2028 werden wir das dann gemeinsam rocken, haben wir beide uns ausgemacht!

Wann wurde Ihnen klar, dass es mit der ÖVP kein Arbeitsübereinkommen geben wird?
Ich war mir sehr sicher, dass die ÖVP als klassische Partei für Wirtschaft und Landwirtschaft mit der SPÖ als klassischer Partei für die arbeitende Bevölkerung, eine zukunftsträchtige Vereinbarung anstrebt. Dieses Zusammenspiel der zwei Parteien hätte unserem Land sicher gutgetan. Als die ÖVP dann verlautbart hat, dass sie die Gespräche abbricht, war mir sehr rasch klar: Jetzt war es das, nun gehen sie mit der FPÖ zusammen. 

Haben manche in der SPÖ mit der Oppositionsrolle geliebäugelt und überzogene Forderungen aufgestellt?
Ich war nicht im Verhandlungsteam und weiß nur, was dem Abgeordnetenklub berichtet wurde. Dass es da jemand von uns auf ein Scheitern angelegt gehabt hätte, kann ich nicht nachvollziehen. Entscheidend war für uns aber schon, dass wir eine sozialdemokratische Handschrift für Niederösterreich verhandeln. Das Zitat von Sven mit dem Handabhacken war natürlich unglücklich, weil das Bild dieser drakonischen Strafe nicht hilfreich war, aber seine Aussage ist schon grundrichtig und spricht für ihn, dass wir eben nur für eine Zusammenarbeit bereitstehen, wenn wir echte Verbesserungen für die Landsleute erreichen. Sonst hätte es ja keinen Sinn.

Die SPÖ hat nun fünf Jahre nichts zu reden, die ÖVP – so scheint es – macht weiter wie bisher, außer dass bei manchen Terminen Udo Landbauer neben der Landeshauptfrau steht. Hat man sich verspekuliert?
Natürlich soll die SPÖ reagieren, Verantwortung übernehmen und möglichst viel von unseren Inhalten durchbringen. Aber man muss ganz klar sagen, dass die Wählerinnen und Wähler Schwarzblau in Niederösterreich gewählt haben. Sie haben eine Mehrheit, sie waren sich inhaltlich offenbar in vielem nahe und die Wähler haben uns nicht zugetraut, ihre Interessen ausreichend stark zu vertreten. Daran müssen wir arbeiten. Wir machen keine Opposition mit der Brechstange, wir werden positive Arbeit der anderen Parteien weder schlechtreden noch unnötig streiten. Aber klarmachen, was für die arbeitenden Menschen in diesem Land wichtig ist. Und ja, ich sehe auch, dass die ÖVP von ihrer realpolitischen Macht zumindest bisher nicht so große Abstriche machen musste und sich mit den Freiheitlichen ganz gut arrangiert. Ob die FPÖ-Wähler damit so einverstanden sind, sei dahingestellt.

Bei der SPÖ tobt seit Jahren ein Kampf um die Parteispitze. Für wen haben Sie bei der Mitgliederbefragung gestimmt? Andreas Babler, Hans-Peter Doskozil oder doch Pamela Rendi-Wagner?
Ich habe mich vor der Befragung nicht deklariert und möchte auch heute nicht sagen, wen ich gewählt habe. Meine Überzeugung ist, dass wir alle drei in der Partei brauchen und dass auch nach dieser Mitgliederbefragung absolute Loyalität gegenüber der Parteispitze notwendig sein wird, damit wir einig und glaubwürdig auftreten können. Als Delegierte beim Parteitag ist für mich darum das Ergebnis dieser Befragung auch bindend. Das Kunststück kommt aber danach, bis zur nächsten Nationalratswahl muss die Bundespartei wieder an einem Strang ziehen und damit das gelingt, müssen die Lager der jeweiligen Bewerber erkennen, dass wir eine Partei sind und keine Gegner. Dieser Punkt ist mir wirklich wichtig. Während die SPÖ streitet, fragen Mütter in der Schule, ob sie die zehn Euro für den Schulfotograf auf drei Monate abstottern können. Solche Sorgen sind real und genau für diese Menschen möchte ich arbeiten. 

Der Landtag kontrolliert nicht nur die Landesregierung, sondern beschließt auch Gesetze. Welchen Sinn hat es denn beispielsweise, dass in Österreich, das kleiner ist als Bayern, neun Bundesländer unterschiedlich das Kindergartenwesen regeln?
Gar keinen. Ich bin der Meinung, dass gewisse Materien einheitlich geregelt gehören, da sind Kindergärten oder auch Tagesbetreuung für Kinder allgemein ein schönes Beispiel. Das versteht natürlich keiner, dass es zwischen Wien und NÖ unterschiedliche Regeln gibt. Natürlich wird es oft Sinn machen, dass manche Materien von den Ländern im Detail spezifischer ausgeführt werden, aber eine einheitliche Gesetzgebung wäre zu begrüßen. Auch wenn das vielleicht nicht alle Kolleginnen und Kollegen auch so sehen.

Wie stehen Sie zur S34?
Ich wohne in Harland und sage Ihnen, wir brauchen die S34 so wie sie geplant und genehmigt ist. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso die Bundesministerin hier das Gesetz ignoriert. Ich bekenne mich zum Klimaschutz und für eine ökologische, nachhaltige Politik, aber an diesem Straßenprojekt hängen so viele Chancen, dass man das nicht einfach absagen kann. Das betrifft ja die ganze Region, schafft Arbeitsplätze und attraktiven Lebensraum zum Wohnen. Ganz abgesehen vom Umstand, dass wir damit auch Gestaltungsspielräume für die innere Stadt in St. Pölten schaffen. Wenn wir eine Umfahrungsstraße haben, können wir beispielsweise die Josefstraße für Busse und Fahrräder vorsehen, damit viel mehr Lebensqualität und ökologische Vorteile schaffen. Zugleich bin ich überzeugt, dass es nicht nur dieses Straßenprojekt braucht, sondern auch endlich Investitionen in den öffentlichen Verkehr, den Ausbau der Bahn, aber auch mehr Busse, für die das Land zuständig sind.

Große Projekte schaffen zunehmend kritische Reaktionen der Bürger, das sieht man auch am Protest gegenüber dem geplanten Sicherheitszentrum am Eisberg oder dem REWE-Zentrallager im Süden der Stadt. Wie soll die Politik darauf reagieren?
Bei vielen Projekten ist es so, dass zwar jeder die Vorteile will, aber bloß keine Baustelle vor der eigenen Haustüre. Großprojekte bringen mit sich, dass du zwei Tage später schon die erste Bürgerinitiative dastehen hast, die dagegen ist. Aber das ist auch legitim, diese Menschen haben ihre Sicht, ihre Sorgen, die muss man ernstnehmen und einbinden. Darin liegt ja auch ein Unterschied: Die Bürgerinitiative darf ihren singulären Interessen verpflichtet sein, als Politikerin muss ich aber zwischen den unterschiedlichen Interessen einen guten Kompromiss finden. 

Gibt es eine Koordination mit dem St. Pöltner Rathaus?
Ich nehme an den Fraktionssitzungen der SPÖ teil und bekomme die Themen mit, für die ich mich auf Landesebene dann einsetzen kann.

KATHRIN SCHINDELE
Geburtstag: 26.05.1981
Wohnort: St. Pölten 
Partei: SPÖ
Vorzugsstimmen: 2.050
Sitzplatz im Landtag: 65
Kathrin Schindele wurde im Waldviertel geboren, ging in Wien zur Schule und zog mit 22 Jahren der Liebe wegen nach St. Pölten. Sie arbeitete als Sonderschulpädagogin, engagiert sich als Personalvertreterin und wurde mit 36 Jahren Schulleiterin der ASO Nord in St. Pölten. Seit 2018 ist sie Abgeordnete zum Landtag für die SPÖ und vertritt dort den Bezirk St. Pölten. An drei Tagen pro Woche unterrichtet sie stundenweise an einer Volksschule in Wagram Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache haben.

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