MFG - Schunkeltherapie
Schunkeltherapie


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Schunkeltherapie

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2008

Meine Ideen halten die Kollegen ja des Öfteren für durchgeknallt, aber so ungläubig wie diesmal haben sie noch selten reagiert: „Ein Portrait von den Schlosskoglern – im MFG? Aber das sind ja Volksmusikanten?!“ Ein Raunen, ein „Geh, des meinst aber jetzt nicht ernst?“, ein entsetzter Blick ob meines „Na sicher!“ Gerade so, als wär ein Gespräch mit der Familie Illmaier so gefährlich wie das Hantieren mit einer ungesicherten Kalaschnikow.

Da war es also wieder, dieses so oft auch in anderem Zusammenhang beobachtete Gehabe von uns pseudointellektuellen Liberalen und Möchtegerngutmenschen, als sei ein Schlosskogler weniger seriös zu behandeln bzw. seriös an sich als ein Landeshauptmann, ein Bürgermeister, ein Bischof, ein Festspielhausintendant oder sonst irgendwer, ganz abgesehen von der ganzen Riege Musiker, die ihre Performance zwar für kulturell hochstehender einschätzen mögen (sie selbst zumindest), damit aber – Faktum – bedeutend weniger Erfolg haben als die Schlosskogler, weil sie offensichtlich weniger Fans und Herzen erreichen. Wobei das mit den Volksmusikfans ja so eine Sache ist – erinnert ein bisserl an das FPÖ-Phänomen: Keiner wählt die Blauen, trotzdem bekommen sie wie durch Zauberhand bei den nächsten Wahlen bis zu 20%. Bei den Schlosskoglern gibt’s kein „leider“, die haben sich ihre Fans redlich verdient – trotzdem outen sich die wenigsten Menschen als Volksmusik- und Schlagerfans, obwohl komischerweise fast alle von uns in leicht illuminiertem Zustand jeden Song auswendig mitsingen können („Hölle, Hölle, Hölle“), gar die Choreografie beherrschen („Komm hol dein Lasso raus!“) und irgendwann so sehr ins Schunkeln verfallen, dass man meinen könnte, wir hätten Schüttelfrost im Endstadium. Also Schluss damit! Ehre wem Ehre gebührt. Auf nach Kirchberg an der Pielach, zur vielleicht erfolgreichsten Kombo der Region!

Ins Land eini
Wieder einmal eine Reise ins Paralleluniversum, hinaus aufs Land. Kilometer um Kilometer schlängelt sich die B39 ins Pielachtal. Zweimal stehen wir vor verschlossenem Schranken, weil die Mariazellerbahn mit lautem Hupen vorbeituckert. Erinnerungen an die „Fit Mach Mit-Wandertage“ am Nationalfeiertag anno dazumal kommen hoch, als wir mit der „Mariazeller“ ins Ländle gefahren sind, um dann irgendwo herumzuwandern. Heut wirkt die Schmalspurbahn in ihrer Fragilität wie eine Modelleisenbahn, und Schmalspur ist auch in Sachen Innnenkomfort angesagt, weil die Verkehrspolitiker das historische Verkehrskleinod sukzessive und völlig bewusst aushungern – aber sie wehrt sich noch, die kleine Lokomotive, auch dank Fürsprache manch prominenter Eingeborener wie den Schlosskoglern etwa, die der Mariazellerbahn auf ihrem neuen Album „Servus in Niederösterreich“ eine Hommage widmen. „Komm und fahr mit der Mariazellerbahn, ja diese Bahn, die hats mir angetan, von sanftem Hügelland kommst in der Bergwelt an, schön ist die Fahrt mit der Mariazellerbahn.“ Grod und ehrlich! Und irgendwie haben sie ja recht – die Gegend ist tatsächlich ein Traum, und hätte man Zeit, könnte man die überlange Zugfahrt auf sich nehmen und die Landschaft bewusst genießen – nur, wer will sich heut noch Zeit für irgendetwas nehmen? So ist die Eisenbahn auch Symbol für einen überholten (d.h. aber keineswegs falschen!) Lifestyle und sucht als emotionales Nostalgiefaktotum ihre Rettung genau in der Befriedigung dieses unguten Leeregefühls in uns. Wobei Nostalgie relativ ist. Wir fahren kurz parallel zum Zug, jemand im „Radfahrer-Neopren-Anzug“ samt hyperstylischen Brillen und 50 Gramm Helm am Kopf winkt aus dem fahrenden Zug, wir antworten lässig mit der Lichthupe und düsen weiter.

Am Schlosskogel droben
Nach ca. einer halben Stunde sind wir angekommen in Kirchberg/Pielach, wo die Illmaiers ihre Zelte aufgeschlagen haben. Dank Navi finden wir den Waldweg ohne größere Probleme, und zum ersten Mal – obwohl ich viele Sommer im Pielachtal verbracht habe – werde ich auch des netten Schlosses der Gemeinde gewahr. Venedig-Effekt: Was sich nicht an der Haupteinkaufsstraße befindet, wird links liegen gelassen. Immer ein Fehler!
Die Illmaiers wohnen am Ende der Straße, „aufgeteilt“ auf zwei große Häuser nur einen Steinwurf voneinander entfernt, ganz oben am – Überraschung: Schlosskogel! Damit erübrigt sich meine Frage, warum Volksmusikgruppen zumeist so „einfallsreiche“ Namen tragen – schlag nach bei der Geographie: „Das ist häufig der Fall, dass man sich nach dem Ort benennt, aus dem man kommt“, klärt mich Ferdinand „Ferri“ Illmaier sodenn auf, und sein Bruder Ernst ergänzt: „Bis vor ein paar Jahren hießen wir ja noch die Schlosskogelbuam. Aber erstens verbindet man mit Buam immer diesen rein ländlichen Touch, und wir spielen ja auch anderes, zweitens klingt Schlosskogler flotter und drittens...“, dabei zeigt er lachend auf sich und seinen Bruder „...na ja – Buam... so jung sind wir ja auch nimmer!“ Und sind sie auch wirklich die „originalen“, frage ich in Anspielung auf dieses nicht selten anzutreffende schmückende Beiwort. Die Schlosskogler lächeln amüsiert. „Tatsächlich gabs früher in der Branche die Phase, da war die Rede von original und fidel, bis alle nur mehr die original fidelen irgendetwas waren – das hat nix gebracht!“
Das mit den nimmer jungen Buam nimmt man den Illmaiers definitiv ab, ich schätze die Musiker so um die 40, 45. Die Frau Mama, Susanne, fragen wir natürlich – ganz Gentlemen – nicht nach ihrem Alter. Mit ihren feurig roten Haaren, „die der Papa gestern eingedreht hat – drei Stunden hat er gebraucht!“, wirkt sie jedenfalls noch voller Elan. Und vom Papa Illmaier, Ferdinand Senior, wissen wir es dank Recherche im Fanexpress der Schlosskogler (der an über 3.000 Abonnenten geht), ganz genau: Er hat vor kurzem seinen 80. Geburtstag begangen! Auch die Goldene Hochzeit der Eltern liegt noch nicht lange zurück, und die Söhne haben auf ihre Weise gratuliert – mit dem Lied „Wir gratulieren zur Goldenen Hochzeit“, wo sie die Liebe der Eltern besingen. „Wir stoßen an mit einem Gläschen Wein, ihr könnt ein Vorbild für die Jugend sein. Es ist für jeden besonders gut zu sehen, so sollte jedes Paar zusammen stehen!“

Family Business
Tatsächlich – wir haben mittlerweile am grünen Sofa des Hauses der Illmaiers senior Platz genommen und mein Blick wandert zwischen dem 80’er Jahre Wandverbau, dem Silbernen Verdienstzeichen der Republik, das Illmaier senior für eine Lebensrettung bekommen hat, einer Trockenhaube sowie dem frisch dampfenden Kaffee und der Biskuitroulade am Tisch hin und her – strahlt die Familie eine Aura der Zusammengehörigkeit aus. „Wir sind so zusammengeschweißt, das ist auch der Barbara Karlich aufgefallen“, bestätigt Ernst, und Ferdinand meint mit fragendem Blick auf den Bruder. „Ich weiß gar nicht mehr, wann wir den letzten Streit hatten.“ Wenn man bedenkt, dass die zwei oft tagelang zusammen unterwegs sind durchaus beachtlich. Andererseits wohl auch unumgänglich, immerhin sind die Schlosskogler ein reiner Familienbetrieb. Ferri und Ernst komponieren, texten, proben – im übrigen zumeist im elterlichen Vorzimmer – und tingeln musikalisch durch die Weltgeschichte. Mama Illmaier, bekannt als Susanne, singt ebenfalls mit, zugleich kümmert sie sich z.B. um den Verkauf der Merchadising-Artikel („die Produkte suchen wir immer selbst aus“). Papa Illmaier schließlich war jahrelang fürs Management zuständig und hat in den letzten 30 Jahren neben seinem Job als Bahnhofsvorsteher nicht weniger als 4.000 Auftritte  an Land gezogen. „Heut“, bekennt er freimütig „sind die Söhne in diesen Sachen schon besser als ich – aber das macht mich sehr stolz! Ich hab schon ein bisserl nachgelassen.“ Keine Spur von Verbitterung oder gar Neid! „Das Familäre ist ein Vorteil!“, ist sodenn Ernst überzeugt. „Da wird nicht alles auf die Waagschale gelegt, da gehört man einfach zusammen.“

Der Mann mit der Melodika
Dabei, und dies verwundert vielleicht ein bisschen, waren die Eltern im eigentlichen Sinne jetzt nicht die großen Promotoren ihrer Söhne, also keine drillenden Leopold Mozarts oder Joseph Jacksons der Volksmusik. Als die beiden jungen Männer etwa 1984 den Sprung in die musikalische Selbständigkeit wagen – Ernst ist zu dieser Zeit Schlosser, Ferdinand Bankangestellter „und Bank und übernachtig, wir hatten ja über 84 Auftritte im Jahr, verträgt sich halt nicht wirklich!“ – bleiben die Eltern neutral. „Wir waren ned dagegen, wir haben sie aber auch nicht unterstützt“, erinnert sich Ferdinand senior, und Susanne fügt mit Blick auf die Jungens hinzu: „Es war ihre Entscheidung!“ Dabei dürfte beim Herren Papa durchaus auch – wie man es von Eltern gewohnt ist, deren Kinder den harten Weg des Musikerlebens einschlagen wollen – ein bisschen Skepsis mitgeschwungen haben: „Naja, Papa war Bahnhofsvorstand. Er war gewohnt, dass man Monat für Monat sein fixes Gehalt bekommt, fixe Arbeitszeiten hat“, schmunzelt Ernst „aber die Eltern haben total mitgeholfen.“ So sehr, dass sie letztlich selber voll mit ins Business eingestiegen sind!
Nach einer musikalischen Vorprägung im engeren Sinne oder dem idealisierten Klischeebild, wonach die Familie am Abend gemeinsam in der Stube Hausmusik machte, sucht man vergeblich. Zwar ist vor allem die Verwandtschaft mütterlicherseits recht musikalisch „Mein Vater hat mit seinen Brüdern musiziert, und der Großvater war ein Multitalent, beherrschte neben Akkordeon auch Geige und Bass, außerdem war er ein guter Bariton“, erinnert sich Susanne, und auch die Onkels von Ferdinand senior haben musiziert, aber er selbst und Susanne sind keine Musikanten – allerdings sehr musikinteressiert! So ist Ferdinand senior immerhin Obmann des Trachtenvereins Frankenfels, woher die Familie ursprünglich stammt. „Da gab es eine Schuhplattler und Volkstanzgruppe, wohin wir gegangen sind“, erinnert sich Ernst. Susanne wiederum ist leidenschaftliche Konsumentin und Zuhörerin, das heißt, Musik war im Haushalt stets präsent. „Wir sind oft mit dem Zug nach St. Pölten gefahren und haben beim Majewski und beim Rotschiller die neuesten Platten gekauft.“ Ihre Helden waren Schlagersänger wie Freddy Quinn oder Roy Black „Als ich von dessen Tod erfahren habe, war ich schon sehr traurig damals!“ Außerdem nehmen die Eltern die Buben zu Konzerten mit. „Wir haben uns in Frankenfels im großen Festsaal viel angeschaut, die Kern Buam zum Beispiel, weil uns das selbst so gut gefallen hat. Die waren so in Richtung Spitzbuam – mit Musik und witzigen Sketches!“
Irgendwie dürfte das alles an den Burschen nicht spurlos vorübergegangen sein. Vor allem Ferri entwickelt schon früh ein musikalisches Interesse. „Ich war so sechs Jahre alt, da hab ich mir beim Kirtag eine Melodika gewunschen“ – und bekommen. Außerdem erinnert sich Susanne an das erste Akkordeon, „das hat vielleicht 30 Schilling gekostet damals. Er hat es genommen und ‚Sind Sie der Graf von Luxemburg?’ nachgespielt, obwohl er das Instrument ja noch gar nicht beherrschte. Da hat man schon gesehen, dass er Talent hat.“ Später wird ihm auch eine Steirische gekauft, und der Bub fängt definitiv Feuer – die Geschichte erinnert ein bisserl an Gusi in der Sandkiste. „Ich werde den Tag nie vergessen, als sich der Ferri als kleiner Bub, ich schätz er war so um die acht damals, zu mir auf den Schoß gesetzt hat und meinte: ‚Mama, ich möchte einmal ein Musikant werden wie der Freddy Quinn, geht das?’“
Und wie das geht. Nachdem die kleinen Buben schon vorher bei diversen Familienfesten musikalisch auffallen, erfolgt am 30. August 1972 – wahrscheinlich kann man das als die eigentliche Geburtsstunde der Schlosskogler bezeichnen – unter dem Namen „Spielmusik Illmaier“ im Gasthof Weidinger in Frankenfels der erste große Liveauftritt. „Da sind gleich 300 Leute gekommen“, erinnert sich Susanne. „Da haben uns natürlich die Knie geschlenkert, immerhin kannten uns ja alle Leute!“ Ein Bild für Götter damals der kleine Ferdinand. „Der ist mit dem großen Akkordeon rausgekommen, das hat er immer beim Kinn eingespannt gehabt und es hat ihm bis zu den Knien gereicht!“ Das Konzert wird ein Erfolg, weitere Engagements folgen. 1974 sind Ernst und Ferdinand zu Gast bei Heinz Conrads „Guten Abend am Samstag“. „Der Conrads war ganz nett, dazwischen hat er immer seinen ‚Tee’ bekommen, hat mitgesungen – für uns war das natürlich sehr aufregend, wir waren ja noch junge Buam damals“, erinnert sich Ernst.

Fast bis in den Olymp
Und in dieser Tonart geht es weiter. Musik ist fortan aus dem Leben der Illmaiers nicht mehr wegzudenken, das Projekt „Schlosskogler“ wird vom Hobby zum Beruf. Während andere ins Büro tingeln, an der Billakassa sitzen oder eine Maschine bedienen, sind Ferri und Ernst Illmaier auf Achse, im Studio oder beim Herumtüfteln an neuen Liedern. Gerade jetzt kommen sie von einem vier Tage Marathon beim Neustifter Kirtag zurück. „Wir sind insgesamt 33 Stunden auf der Bühne gestanden, auch als es geregnet hat“ Klingt nach Knochenjob, wo man sich aus Erfahrung bisweilen auch mit kleinen Tricks weiterhilft. „Wir haben unter unsere Füße Gummimatten gelegt, die sind weicher als der harte Holzboden. 33 Stunden stehen geht schon an die Substanz, auch solange singen.“ Da kommt es dann wohl auf die richtige Ölung an, oder wie? „Schon“, aber nicht wie ich sie meine, da winken die Illmaiers ab. In der Branche gelten die Schlosskogler ja als absolute Profis. Keine Exzesse auf oder abseits der Bühne, Pünktlichkeit, Disziplin, kein Alkohol. „Erst unlängst sind wir aufgehalten worden von der Polizei – 0,0!“ Das klingt fast schon zu brav für Volksmusikanten – haben sie wenigstens Groupies, dralle Mädls, die am Hintereingang auf ihre Helden warten. Ferdinand lacht „Na wir sind doch glücklich verheiratet“. Ein Grund, aber kein Hindernis, wenn man sich andere Musiker ansieht. Aber auch Ernst winkt ab „So arg wie bei den Rockstars geht es bei uns nicht zu!“
Von der Intensität der Arbeit her aber sicher nicht weniger anstrengend. In ihrer mittlerweile über drei Jahrzehnte währenden Karriere haben die Schlosskogler nicht weniger als 4.150 Liveauftritte absolviert, über 120 Lieder komponiert, 28 Tonträger auf den Markt geworfen, einige 10.000 davon verkauft, Auszeichnungen wie etwa zweimal das „Goldene Mikrofon für Verdienste um die Volksmusik“ eingeheimst und eine große Fangemeinde aufgebaut. Der treuste ist Herbert Fuxberger, der sich schon 500 Schlosskogler-Konzerte reingezogen. Die Fanpost zeugt von Dankbarkeit und Enthusiasmus. Da ist etwa von „Teufelsmusikern“ die Rede, oder von den Schlosskoglern „als Therapeuten“. Wenig verwunderlich, dass Ernst und Ferdinand durchaus zufrieden sind mit ihrem Leben, wenngleich aber immer noch ein bisserl mehr geht. Das Tor zum Olymp – und der heißt in der Volksmusikbranche Musikantenstadl – haben sie noch nicht aufgestoßen. „Wir sind froh, dass wir von der Musik leben können. Wir haben halt noch nicht den ganz großen Megahit gelandet – das wär schon noch ein Wunsch, dass wir es vielleicht in den Musikantenstadl schaffen. Wenn deine Musik dort gespielt wird, ist das ein unglaublicher Multiplikator. Da wird man quasi von einer Volksmusiksendung zur nächsten gereicht!“
Ihren bisherigen Erfolg führen die Schlosskogler auf die Bandbreite ihres Repertoires zurück. „Wir spielen nicht nur Volksmusik, sondern auch Schlager, bei Bällen außerdem auch Twist und rockigere Nummern.“ Das entspricht musikalisch in etwa dem, was sie auch selbst gerne hören. „Einerseits taugen mir urig, ländliche Sachen wie die Mölltaler oder die  Kasermandln“, erklärt etwa Ferri, „andererseits find ich aber auch Musiker wie Freddy Quinn, Peter Alexander oder Udo Jürgens toll.“ Kurzum: Im Radio läuft eher Radio Niederösterreich und Radio Arabella denn Ö3.“ Außerdem warten die Schlosskogler bei ihren Auftritten auch mit Showblöcken und humoristischen Einlagen auf. Zum Beweis führen sie uns im Anschluss an das Gespräch ihre „Rentnerband“ vor, im Zuge derer sie sich mit zwei Greisenmasken bewaffnen. Kuhglocken gehören ebenso dazu wie eine Heino-Parodie oder der Auftritt als Teufelsgeiger. Erlaubt ist, was gefällt, und wenn sich die Leute vor Lachen biegen, stachelt das die Musikanten umso mehr an. „Mir taugts einfach, wenn von den Zuhörern ein positives Echo kommt“, gesteht Ernst, und da macht es den beiden auch nichts aus, wenn sich die Besucher zum fünften Mal am Abend das „Knallrote Gummiboot“, „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ oder den derzeitigen Überrenner auf den Tanzböden quer durch Österreichs Kirtage und Zeltfeste „1000 mal belogen“ wünschen. Letztlich geht es um Unterhaltung, darin sehen beide ihre Mission und Profession gleichermaßen.

Soziologie der Volksmusik
Dass manche über diese Art Musik snobistisch die Nase rümpfen oder gern (um da quasi einen Hochkulturbegriff zu strapazieren, in dessen vermeintlichem Glanz sie sich selbst als kulturell versiert sonnen können), zwischen elitärer Volksmusik und quasi „mobistischer“ volkstümlicher Musik unterscheiden, lässt die beiden relativ kalt. Sie stehen dazu, dass sie zweiteres produzieren. „Volksmusik ist eher das Getragene, das Traditionelle, während die volkstümliche Musik ins Schlagerhafte geht, mit mehr Sound, mehr Gitarre, von der Technik her mit mehreren Möglichkeiten“, sieht es Ernst pragmatisch, und jenen, die gar gern von „volksdümmlicher“ Musik sprechen, hält er die Erfahrung entgegen. „Beim Bundesheer hatte ich einen Freund, der meinte: Na die volkstümliche Musik, des is jo nix! Da hab ich zu ihm gesagt: Na schauen wir einmal in ein paar Jahren, wer mehr Erfolg hat – du mit deiner Rockmusik, oder ich mit der volkstümlichen.“ Angesichts des Schlosskogler-Erfolges ein „Totschlagargument“. Andererseits sind ja Texte wie „Ja Kirchberg an der Pielach, liegt zwischen Prag und Villach. Es ist mein Heimatort, ich bin so gerne dort“ wirklich nicht große Poesie. Der Konter lässt nicht auf sich warten. „Man möge sich einmal bewusst englische Popsongs anhören. Die meisten sind auch keine sprachliche Glanzleistungen“, kann sich Ernst einen Seitenhieb nicht verkneifen, und Ferri bekennt sich offen zur Einfachheit als Erfolgsprinzip. „Ein Lied darf nicht zu kompliziert sein! Ein einfacher Text, den man schnell mitsingen kann, ist wichtig! Dazu eine Melodie, die ins Ohr geht und schwungvoll ist – dann kann man die erste Strophe beim nächsten Mal schon mitsingen!“
Und das funktioniert definitiv, denn selbst wer sich nur einmal im Jahr in das Bierzelt eines Volksfestes oder auf den Tanzboden eines Kirtags verirrt, beim nächsten Mal kann er tatsächlich schon mitsingen – sofern er sich natürlich traut. Viele unterdrücken dieses innere Bedürfnis nämlich, halten es gar für peinlich, selbst wenn ihre Beine sie  bei dieser Selbstgeißelung und Vortäuschung von Desinteresse schmählich im Stich lassen und unter dem Tisch bereits munter mitwippen. „Viele Leut rümpfen bei Volksmusik die Nase, versuchen sich zu distanzieren, sind skeptisch, aber wenn es dann später wird, tauen sie nach und nach auf, und am Schluss schunkeln sie mit und sagen, wie super es ist!“, wissen die Schlosskogler zu berichten. Dass das „Sagen“ zu vorgerückter Stunde dann schon eher die Metamorphose zum „Lallen“ durchgemacht hat, ist kein Geheimnis. Legt das den Schluss nahe, dass man sich quasi ansaufen muss, um die Volksmusik zu ertragen – frag ich provokant. „Es heißt ja in vino veritas. Die Leut werden eben einfach lockerer, gehen mehr aus sich heraus“, siehts Ernst nicht weiter tragisch und trifft damit wohl den Nagel auf den Kopf. Wahr ist, dass man halt allmählich die Hemmungen verliert und damit auch seinen überhöhten, künstlichen Selbstanspruch als homo supercultus, dass man sich sozusagen entspannt und befreit auf die Ebene des stinknormalen Max Mustermann (und man selber ist ja einer, nur will mans oft nicht wahrhaben) begibt und genießt, was der homo ludens eben einfach gerne tut: trinken, lachen, schunkeln, poschen und eine gschmeidige Polonaise durchs Bierzelt veranstalten. Und da sage noch jemand, Volksmusikgruppen hätten keinen Kulturauftrag zu erfüllen! Volksmusik als Befreiungsakt für verstockte Bildungsbürger ist etwa nichts?! Ganz abgesehen vom Unterhaltungswert für all jene, die die Musik wirklich offen lieben. Na eben! Die Schlosskogler erfüllen ihre Mission jedenfalls erfolgreich seit über drei Jahrzehnten. Kompliment!
www.schlosskogler.at