MFG - Out of the cloud
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Out of the cloud

Text Althea Müller
Ausgabe 10/2007

Einst erzählte mir eine Satire von Ephraim Kishon, dass viele Menschen automatisch von der Mutterbrust zum Schnuller und von da zur Zigarette wechseln. Damals lachte ich herzlich. Mit zwölf findet man ja vieles lustig. Einige Jahre später aber empfand ich Rauchen nicht mehr als lustige Angewohnheit gestresster Erwachsener, da ich plötzlich selbst einer war. Inklusive „an Packl“ täglich. Irgendwann kam die Zeit, das wieder zu ändern. Nur: Wie?

Gesetze und guter Rat
Es wird kritisch für uns Raucher: Lokale, Züge, öffentliche Gebäude, ja, selbst Kinderzimmer werden mehr und mehr zur rauchfreien Zone – in den letzten Jahren nicht mehr nur dank schimpfender Nichtraucher, sondern auch durch den gestrengen Arm des Gesetzes. Zwar sind die Zustände bei uns immer noch kein Vergleich zu denen der USA, wo Raucher ja mittlerweile auf gleicher Stufe mit z. B. Massenmördern stehen. Doch die kettenrauchenden Österreicher fühlen sich für ihre Begriffe bereits jetzt engstens umzingelt: Nur mühsam übersieht man die Plakatkampagnen, während man im Auto sitzt, das Lenkrad in der Linken, die Tschick in der Rechten. Und fast schuldbewusst dämpft man schon nach der Hälfte aus, weil im Fernsehen wieder ein neuer Anti-Rauch-Spot läuft. Radiosender locken mit hochdotierten Wettbewerben für rauchfreie Betriebe oder private Aufhörer. Jede Zeitung, jedes zweite Magazin möchte mit Tipps und Tricks Mut zum rauchfreien Leben machen. Und laufend propagierte Statistiken über Lungenkrebs, Unfruchtbarkeit, geschlechtsspezifische Trends u. v. m. machen in Dauerrotation irgendwann selbst dem Marlboro-Man zu schaffen.
Die Wahrheit schmerzt
Und dabei meinen es alle nur gut mit den Rauchern, den Nichtrauchern und denen, die ständig von den einen zu den anderen wechseln. Ja: Es ist wahr, dass es schädlich ist zu rauchen, und es ist wahr, dass man auch harmlos nichtrauchenden Menschen, die einfach nur in der Nähe rumstehen, Schaden zufügt. Wir wissen das mittlerweile, echt! Das noch bis in die frühen 90er hochgehaltene, idealisierte Bild des lungenzugsschwangeren Business-Menschen ist längst durch jenes ersetzt worden, auf dem man vor allem mit Bio-Äpfeln, reiner Haut und nach Aloe Vera duftenden Haaren Ruhm und Kohle scheffelt.
Jeder Raucher möchte aufhören, jeder Boss achtet auf klare Luft in seinem Laden, und jeder Bürgermeister möchte, dass auch im Stammbeisl seines Dorfes die Nichtraucherzonen eingehalten werden (verdammt noch mal!).
Fazit: Rauchen ist wirklich extrem schädlich.
Das ist die Realität, mit allem wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und gesetzlichen Nachdruck. Das Blöde ist nur: Zum Rauchen aufhören ist sehr schwer. Oder?
Vier Ammenmärchen
  • „Ich rauche nicht wirklich. Nur am Wochenende.“ Der (ironischer- und tragischerweise 2006 an Lungenkrebs verstorbene) Guru aller Ex-Raucher, Allen Carr, geht davon aus, dass die Gelegenheitsraucher fast ärmer dran sind als reguläre Qualmer: Durch das Rauchen nur zu bestimmten Zeiten und Anlässen würde dieser eine Zigarette nämlich nur noch verklärter sehen. Auch wer über Jahre hin „nur“ fünf Zigaretten pro Woche raucht, ist Kettenraucher.
  • „Spätestens wenn ich schwanger bin, höre ich auf.“ 1. Gelingt es leider erschreckend vielen Raucherinnen selbst in plötzlicher froher Erwartung nicht, auf Knopfdruck das Rauchen sein zu lassen. 2. Ist das Baby bereits gefährdet, wenn Mami und/oder Papi noch bei seiner Zeugung Raucher sind. Wer halbwegs Ordnung in seiner Familienplanung hat, sollte darum schon vor ernsthaften, äh, Bastel-Aktivitäten die Zigaretten ad acta legen.
  • „Mein Opa hat sein Leben lang geraucht und ist erst mit 90 gestorben.“ Das ist ja toll! Und WIE und WORAN ist er gestorben?
  • „Wenn ich pleite wäre / am Mars lebte, würde ich nicht mehr rauchen.“ Raucher sind wie Tiere. Sie finden immer Mittel und Wege: Lieber schmeißt man eine Viertelstunde lang wie ein Trottel alle zusammengekratzten 5-Cent-Münzen in den Automaten, bevor man sich keine Kippen kauft. Oder zündet sich die am Vortag so achtlos vor der Zeit ausgedämpfte nochmals an, weil man ein paar Züge braucht.

Aufhören
X wollte nach 15 Jahren aufhören. Sie probierte es schonend mit Nikotinkaugummis und symbolträchtigen Aktionen wie dem berühmten „Ich werfe diese halbvolle Packung jetzt weg und kaufe mir keine neue mehr – nie mehr!“ Jeden Tag litt sie, doch sie wollte es schaffen. Nach zweieinhalb Wochen aber war es vorbei mit der Beherrschung. Frust total!
Y wollte nach drei Jahren aufhören. Er ließ sich hypnotisieren. (Das ist fast so super wie die Magnet-Methode. Oder Akupunktur. Und natürlich überhaupt kein rausgeschmissenes Geld. Schließlich raucht man danach garantiert niemals wieder!) Y ging nach seiner Behandlung raus und war geläutert. Bis zum nächsten Morgen.
Z wollte nach acht Jahren aufhören. Sie notierte sich einen Stichtag und informierte sich bis dahin akribisch über alle Nachteile des Rauchens. Sie hörte pünktlich am Stichtag auf, ließ sich von ihrem Umfeld als Siegerin feiern und stand über den Dingen. Bis sie zwei Jahre später ausging, als Nichtraucherin unbekümmert zu einer angebotenen Zigarette griff – und ab dieser Nacht wieder rauchte. Weisheit letzter Schluss
Was haben diese Menschen falsch gemacht? Sie wollten sich nicht wirklich trennen. Denn es gibt auch Personen, die mit diesen oder anderen Methoden sehr wohl vom Qualmen wegkommen, selbst nach 30 Jahren Raucherkarriere. Diese Leute aber sind sich sicher, dass sie das Richtige tun.
Wie bei jeder Sucht geht es beim Rauchen nämlich darum: Entweder man will rauchen, dann tut man es auch – ganz egal, wie oft man sich vorbetet, dass man ja eigentlich damit aufhören möchte. Oder man will es nicht. Und dann lässt man es auch.
Hinter jeder Zigarette steckt also ein Punkt, an dem jeder für sich ansetzen kann und muss, wenn er das risikoreiche, krankmachende Laster ernsthaft aufgeben möchte. Betonung auf: ernsthaft. Ansonsten ist jeder Rauchstopp-Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt und nur mit unnötigen Mühen und Qualen für einen selbst und das Umfeld verbunden. Und um dem Ganzen noch ein tröstendes Krönchen aufzusetzen: Obligate körperliche Entzugserscheinungen wie Reizbarkeit verschwinden allerspätestens nach zwei Wochen. Der Rest ist Kopfarbeit. Und ein Kopf, der weder hustet noch stinkt noch damit beschäftigt ist, Gift zu inhalieren – der schafft das sicher locker.
Nur in meinem Kopf 
Für jeden Raucher stellt die Zigarette etwas anderes dar: Image, Ritual, Belohnung, Antistressmittel, Rebellion, Rückzug, Gesellschaftsspiel etc. Wer wirklich mit dem Rauchen aufhören will, kann deshalb auf alle Hilfsmittel verzichten, wenn er nur diesen einen Punkt in sich findet, der vom Rauchen berührt wird.
Beispiel 1: Bei anstrengenden geschäftlichen Telefonaten rauche ich Kette.
Die Frage ist: Warum? Vielleicht fühlt man sich selbst nicht wohl mit sich, seinem Wissen, seinen Fähigkeiten, und ist deshalb in diesen Situationen schnell gestresst – bei einem solchen Telefonat spürt man diesen Umstand umso mehr, weil der Ärger auf sich selbst easy auf den Gesprächspartner projiziert wird. Luft machen wir dieser Wut, indem wir „hilflos“ zur Zigarette greifen. Nur macht uns die nicht stärker, klüger oder wortgewandter. Mit ihrem Ritual lenkt sie uns lediglich davon ab, dass wir etwas Sinnvolles gegen unsere Unsicherheiten tun sollten und auch könnten.
Beispiel 2: Zum Kaffee brauche ich eine Zigarette.
Auch hier gilt es, den wahren Grund zu entschlüsseln, denn der Kaffee allein kann es nicht sein. (Es soll schließlich auch Kaffeetrinker geben, die Nichtraucher sind.) Es kann sein, dass man die Verbindung von Koffein und Nikotin als gesellschaftliches Must-do schon von klein auf eingeimpft bekam. Eventuell beim sonntäglichen Familienkränzchen, wo sich nach einer anstrengenden Woche endlich mal alle an einem Tisch trafen und wo außerdem geraucht wurde, bis sich der Luster bog. Unbewusst verinnerlicht sich das Kind dieses Ritual als etwas Friedliches, Heimeliges. Das es sich als Erwachsener dann scheinbar zurückholen kann.