MFG - Die Ritter der Tafelrunde!
Die Ritter der Tafelrunde!


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Die Ritter der Tafelrunde!

Text Johannes Reichl
Ausgabe 04/2007

Wir befinden uns im Jahre 2007 n. Chr. Ganz Mittenineuropa ist von den Pöltnern besetzt. Ganz Mittenineuropa? Nein! Ein von den unbeugsamen Pottenbrunnern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten... Eine Provinzposse.

Das Leben ist nicht leicht für die Pöltner Legionäre, die seit 35 Jahren als Besatzung in den befestigten Lagern Wagram, Ratzersdorf, Radlberg u. a. liegen. Nun ist ein neuer Konflikt auf Biegen und Brechen entbrannt, begehren die bösen Pöltner doch ihren Schriftzug auf den Ortstafeln der Pottenbrunner. Soll den Dörflern das letzte Stück Identität geraubt werden? Pottenbrunn gar dem Erdboden gleichgemacht werden?
Der populistische Stammeshäuptling Adler Horst zeichnet genau dieses Schreckensszenario und beschwört im fast gerammelt vollem Dorfwirtshaus das traumatische ’72er Jahr. „Kennts eich erinnern! Im 72’er Jahr waren 99% gegen die Besatzung durch Pölten. Trotzdem hams uns eingemeindet! Die Ortstafeln sind sichtbares Zeichen dafür!“ Dieses wunderbare Symbol der Spaltung und Trennung dürfe nicht verschwinden, so poltert er weiter, weil darauf doch die gesamte Pottenbrunner Identität baue! Und so setzt Adler Horst zu logischen Höhenflügen an: „Ich sog eich ans! Wir wollen nix auseinanderdividieren, aber ich werd ned zulassen, dass die große Stadt Gleichmacherei betreibt, sondern auch die Stadtteile ihre Identität erhalten lässt.” Dass es DIE große Stadt ohne die Stadtteile als solche gar nicht gibt, verschweigt der findige Stammeshäuptling seiner Schar, und so fährt er – in Fahrt kommend – fort: „I woar immer für den kleinen Mann da. Den klanen Pottenbrunner. I loss eich ned im Stich! De Großen in Pöttn glauben, die kennan sich’s richten und über uns drüberfoarn, aber ned mit uns!“ Applaus schwillt an, die Stimmung schaukelt sich langsam hoch. „Jo Horstl, genau. Das Kleine wird vom Großen verschluckt! Aber ned mit uns!“ Nach drei Bier steht ein Eingeborener mutig auf und ist zu allem bereit: „Horstl, I versprich da ans: Waun de Großkopfaten a neiche Tofl mit Pöttn aufstön, fia is mim Traktor nieder!“ Adler Horsts Augen leuchten. Er nickt selbstzufrieden. Seine Saat geht auf, und so träumt er schon von einem Marsch auf Pölten, sieht sich an der Spitze einer Hundertschaft, die die B1 herunterkommt, stolz die selbstgebastelten Fahnen und Transparente schwenkend, welche von originellen, selbst erfundendene Parolen wie „Pottenbrunn darf nicht Pölten werden!“ oder „Pottenbrunn zuerst!“ geziert werden. Und den dekadenten, korrumpierten Wagramer Weicheiern, welche sich selbstgefällig 1. Bezirk nennen und welche die Ortstafel-Diskussion so was von überhaupt nicht zu jucken scheint, ruft man ein verächtliches „Daham statt Wagram“ entgegen. Ja, das wird schön, denkt sich Adler Horst. Kurz zieht er jedoch die Stirn in Falten. Wenn da nicht diese verweichlichte Pottenbrunner Intelligenzia (ca. 99% der Bevölkerung) wäre, die nicht auf seine Polemik anspricht und es lieber mit dem berühmten Pottenbrunner Sohn André Keller hält „Das wahre Pottenbrunn ist im Kopf, und ist es nicht in meinem Kopf, dann ist es nirgendwo!“ Doch auch diese werden zur Vernunft gebracht werden, und so stellt Adler Horst grimmig fest: „Wir wollen unsere Identität im Großen bewahren, und wenn man uns nicht will, soll man uns das sagen!“
Widerstand gegen Widerstand?
Damit hat der Gute freilich eine Diskussion ausgelöst, die auch nach hinten losgehen könnte. Denn allmählich regt sich Unmut in den Nachbardörfern – und zwar über Pottenbrunn. So meint etwa eine Ratzersdorfer Landwirtin [Name der Redaktion auch nicht bekannt]: „Oiso wir in Ratzersdorf san a Bauern. Owa so Bauern wia de in Pottnbrunn san wir nu long ned!“ Und die Wagramer sind sauer, weil sie durch das närrische Treiben der Pottenbrunner fürchten, ihnen Rang als Faschingsdorf einzubüßen. „Lustig samma söwa!“, ist ihr missmutiger Kommentar.
Auch im Zentrum werden erste Anti-Pottenbrunn Stimmen laut. So hat sich die nicht minder populistische „Initiative für Kern–Pölten“ gegründet, die Hauswände mit der Parole „Pottenbrunn, weg damit!“ beschmiert hat. Zudem fordern die Hardliner die sofortige Kappung sämtlicher Verbindungen zu Pottenbrunn – also von Straßen, Brücken, Kanal, Hochspannungs- und Telefonleitungen etc. bis hin zur Traisen!
Lösung in Sicht?
Die durchs Wort ausgelöste Radikalisierung nimmt also allmählich gefährliche Züge an. Ist der Karren durch das von Populisten beider Seiten vergiftete Klima völlig verfahren. Noch nicht! So versucht etwa der Kaiser von Mittenineuropa Heu Stadler zu kalmieren und bekennt auf affichierten Plakaten treuherzig „Ich liebe dieses Dorf!“. Zudem lassen in die Diskussion eingebrachte Kompromissvorschläge Hoffnung aufkeimen. So wurde etwa vorgeschlagen, die Stadt einfach in „Pöltenbrunn“ umzubenennen, was freilich Widerstand anderer Ortsteile nach sich ziehen könnte. Auch von halbjährlich wechselnden Dorfpräsidentschaften nach dem Vorbild der EU ist die Rede. Erstes Vorsitzdorf könnte Pottenbrunn werden, erster Dorfkaiser Adler Horst. Und wenn gar nichts mehr geht, so hört man aus Insiderkreisen, soll ein „Pottenbrunner Masterplan“ aus dem Hut gezaubert werden.
Die sinnvollste und pragmatischste Lösung freilich erhält bislang am wenigsten Gehör: Einfach beide Namen auf die Ortstafeln klatschen. Pottenbrunn oben, St. Pölten drunter oder umgekehrt – wen interessierts?! Dann gibt es vielleicht doch noch ein Happy-End und die Pottenbrunner Laienbühne könnte alsbald das Stück „Viel Lärm um Nichts!“ zum Besten geben!
Und dann werden die unbesiegbaren Pottenbrunner wieder die Festtafel unter dem hohen Sternenzelt decken und sich allesamt ihres Lebens und ihrer Unabhängigkeit freuen – die ihnen wirklich niemand wegnehmen möchte!
Achsel des Bösen
Die Ortstafel-Diskussion hat unterschiedlichste Reaktionen im kleinen Dorf ausgelöst. So sind in den Gässchen neuerdings wieder längst vergessene Pottenbrunner Schlager wie „I am from Pottenbrunn“ oder „Pottenbrunn, Pottenbrunn“ ebenso zu hören wie glorifizierende alte Volkslieder á la „Als Pottenbrunn noch ned bei Pöltn woar, vor finfadreissg Joahr, vor finfadreissg Joahr...“
Auch Selbstfindungs- und Identitätsseminare werden vermehrt angeboten, etwa „Mir san Mir!“, „Pottenbrunn – bei meiner Ehr“ oder „Spüre den Pottenbrunner in dir!“ Neben diesem friedlichen Ausdruck dörflicher Identität und Selbständigkeit hört man aber auch von bedenklichen, nicht zuletzt durch den polemischen Ton populistischer Hardliner ausgelösten Entwicklungen. So soll sich die VFP (Volksfront von Pottenbrunn), von den Gegnern als „Achsel des Bösen“ oder „Ritter der Taferlrunde“ bezeichnet, gegründet haben, auf deren Konto bereits das Stibitzen einer Ortstafel in Wasserburg sowie das Zerlegen einer ebensolchen in Wagram gehen soll. MFG gelang es, einen Spitzel einzuschleusen, der die Terroristen in einem Bunker in Pottenbrunn dabei beobachtete, wie sie gerade das „St. Pölten“ aus den Jacken der „FF St. Pölten-Pottenbrunn“ schnitten. Der wagemutige Journalist konnte folgendes Gespräch über einen geplanten Anschlag belauschen.
Vorsitzender: Also wir schwimmen den Saubach hinauf. Dann raus,  durchs Gebüsch... genau hier. Und wenn wir die Pöltner Ortstafel gekappt haben, informieren wir Heu Stadler, dass sie in unserer Gewalt ist und unterbreiten unverzüglich unsere Forderungen. Fragen?
1. Mitglied: Was genau sind unsere Forderungen?
2. Mitglied: Wir geben Heu Stadler zwei Tage Zeit, von der Idee Abstand zu nehmen. Und wenn er nicht sofort darauf eingeht, dann exekutieren wir die Ortstafel.
3. Mitglied: Werden wir sie foltern?
4. Mitglied: Wir schneiden sie mit der Flex zusammen und schicken sie stündlich Stück für Stück zurück. Dann wissen sie, dass wir nicht scherzen.
2. Mitglied: Und natürlich weisen wir sie darauf hin, dass sie selbst, NUR sie, die volle Verantwortung tragen, wenn wir sie so zerschnippeln. Und dass wir uns niemals irgendeiner Erpressung beugen.
Alle: Genau! Wir beugen uns keiner Erpressung!
2. Mitglied: Sie haben uns 35 Jahre ausbluten lassen. Sie haben alles genommen, was wir hatten. Und nicht nur von uns. Von unsern Vätern und von unserer Väter Väter.
5. Mitglied: Und von unserer Väter Väter Väter.
2. Mitglied: Ja.
5. Mitglied: Und von unserer Väter Väter Väter Väter.
2. Mitglied: Das reicht. Noch genauer brauchen wir es nicht. Was haben die Pöltner dafür als Gegenleistung erbracht, frage ich euch?
1. Mitglied: Den Kanal.
2. Mitglied: Was?
3. Mitglied: Den Kanal.
2. Mitglied: Oh. Jajaja. Den haben sie uns gegeben, das ist wahr.
4. Mitglied: Die Förderung unserer Vereine!
2. Mitglied: Also gut ja, ich gebe zu, der Kanal und die Förderung der Vereine, das haben die Pöltner für uns getan.
6. Mitglied: Und die schönen Straßen, die man saniert und gebaut hat. Und der neue Kirchplatz ist auch recht schön geworden
2. Mitglied: Ach ja, selbstverständlich der Kirchplatz. Das mit den Straßen versteht sich ja von selbst, oder? Abgesehen von den Förderungen, dem Kanal und den Straßen...
4. Mitglied: Baurechtsgründe...
5. Mitglied: Schulwesen... Die Erhaltung der Gebäude, die Einführung der Ganztagsbetreuung.
2. Mitglied: Naja gut. Das sollte man erwähnen.
6. Mitglied: Und den SPAR-Markt...
Alle: Au ja.
3. Mitglied: Ja. Das ist wirklich etwas, was wir vermissen würden, wenn die Pöltner weggingen.
2. Mitglied: Also gut. Mal abgesehen von den Förderungen, dem Schulwesen, den Straßen, den Baurechtsgründen, dem SPAR, dem Kanal, der gesamten städtischen Infrastruktur, was, frage ich euch, haben die Pöltner JE für uns getan?
5. Mitglied: Neue Ortstafeln. Könnt ihr euch noch erinnern, wie marod die alten waren.
2. Mitglieder: Aach! Ortstafeln! Halt die Klappe!!!