MFG - In was für einer Stadt leben wir eigentlich...
In was für einer Stadt leben wir eigentlich...


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In was für einer Stadt leben wir eigentlich...

Ausgabe 04/2009
In der der Magistrat neuerdings Werbung für die Biermarke Egger macht. Gleich wenn man ins Rathaus tritt, wird man vom neuen „Partner der Landeshauptstadt“ empfangen. Das nennt man Mal einen beschwingten Willkommensgruß. Freilich mutet er ein bisschen schizophren an. Da hat man die „bösen“ Raucher gänzlich aus dem öffentlichen Gebäude verbannt, das Entree ist mit Nichtraucherzeichen zugepflastert, und dann wirbt man völlig unreflektiert für Österreichs geheime Problemdroge Nr. 1, Alkohol. Welches Zeichen möchte man damit setzen? Dass man für Cash neuerdings alles macht? Noch dazu, wo Egger St. Pölten marketingtechnisch jahrelang gemieden hat wie der Teufel das Weihwasser. Penibel wird bis heute der St. Pöltner Stadtteil Unterradlberg als Abfüllort beibehalten, anstatt gleich St. Pölten draufzuschreiben. Aber vielleicht stellt die neue Tafel ja einen Paradigmenwechsel dar? Man darf jedenfalls gespannt sein, welche weiteren Sponsoren das Rathausentree demnächst schmücken: Jack Daniels, Stroh Rum, Jägermeister… Na dann Prost! In der Etymologen dieser Tage Grund zum Jubeln hatten. Nach jahrehundertelangen Debatten über den Wortsinn von „penzen“, hat sich dieser spätestens seit dem Auftritt von Landtagspräsident Hans Penz bei der Eröffnung der Militärausstellung im Stadtmuseum erschlossen. Mr. President war als Ehrengast geladen, kam eine halbe Stunde (!) zu spät und empörte sich dann allen Ernstes, dass man ohne ihn begonnen hatte und sein Stuhl in der ersten Reihe besetzt war (weil man derweil einen „Platzhalter“ hingesetzt hatte, um das unschöne Loch zu kaschieren). Wutentbrannt zog er von dannen.  Der Gipfel an Lächerlichkeit war in Folge, dass der VP-Bezirksgeschäftsführer in Folge den Organisatoren vorwarf, „auf die gute Kinderstube“ zu pfeifen und das Protokoll zu missachten. Wenn dann ja wohl eher umgekehrt! Penzen kommt demnach nicht (wie es der Duden lehrt) von „inständig, beharrlich bitten“, auch „ärgern, jammern“ (wie „Sprache in Österreich“ Auskunft gibt) trifft es nicht exakt. Nach Penz Auftritt ist sich die Forschung einig: Es kommt von jämmerlich!  In dem sich Vertreter von Behindertenvereinen schon für Werbezwecke gemeinsam mit privaten Betreibern und Politikern ablichten lassen, nur weil eine Behindertenrampe in einem Lokal errichtet wird. Das Engagement des Villa-Betreibers in Ehren (toll auch die Schau „Be-greifen“ im Lokal mit Arbeiten von Besuchern der Tagesheimstätte), es gibt wahrlich zu wenig Lokale in St. Pölten, die für Menschen mit Bewegungseinschränkung ausreichend zugänglich sind. Demnach ist jeder Schritt in diese Richtung begrüßenswert. Wie sehr Österreich aber diesbezüglich Entwicklungsland ist, zeigt allein die Tatsache, dass eine eigentliche Selbstverständlichkeit als großartig berichtenswert erachtet wird, ja ein Politikerauflauf stattfindet, wenn ein Gastronom sein Lokal so gestaltet, dass es überhaupt für diese Zielgruppe zugänglich ist. Spätestens wenn dann auch der angekündigte „zweite Ausbauschritt“ erreicht ist und die Rollstuhlfahrer ohne Hindernisse das WC im Lokal aufsuchen können, sollte das erreicht sein, was international üblich ist. Das geht auch ganz ohne Fotografen!