MFG - In was für einer Stadt leben wir eigentlich...
In was für einer Stadt leben wir eigentlich...


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In was für einer Stadt leben wir eigentlich...

Ausgabe 09/2010
In der der „Rothe Krebs“ seine Pforten geschlossen hat. Damit verliert St. Pölten eines seiner ohnedies schon äußerst rar gesäten Lokale mit besonderem Flair. Café, Wein oder Cocktails schlürfen inmitten einer Bibliothek, während im Hintergrund Jazzmusik läuft – das hatte schon was, und wird sich so schnell wohl nicht wieder finden. Denn anstatt dieses Kleinod und sein einzigartiges Interieur zu erhalten und mit einem neuen Pächter durchzustarten, wird in die Lokalität das x-te austauschbare Modegeschäft einziehen.
Als Gründe für diesen Schritt werden das neue Rauchergesetz genannt, weshalb man es ab Juli als Nichtraucherlokal führte (aber stelle sich jemand Hemingway seinen Cocktail  schlürfend vor OHNE an einer Zigarre zu nuckeln) sowie eine gewisse Provinzialität der Bevölkerung, die für eine derartige kosmopolitische Bar (noch) nicht bereit gewesen sei. Wie auch immer. Der Rothe Krebs wird abgehen!
In der zuletzt Botschaften wie „Freie Arztwahl!“,„OP Termine sofort!“ oder „Klasse-Betten für alle!“ unkommentiert auf Plakatflächen prangten und den Ruf nach Verteilungsgerechtigkeit für ein Gesundheitssystem, das sukzessive ausgehöht und zur Zwei-Klassen-Medizin umgemodelt wird, suggerierten. Bravo, wollte man ausrufen, und fragte sich, wer derlei fordert: Eine Partei? Das Gesundheitsministerium? Die Antwort war ernüchternd: Als Absender outete sich in einer zweiten Welle der Kampagne eine Versicherungsgesellschaft, womit die Slogans ad absurdum geführt werden: Freie Arztwahl – ja, aber nur für jene, die es sich leisten können. OP Termine sofort – ja, aber nur wenn man zum erlauchten, privatversicherten VIP-Klub gehört. Klasse-Betten für alle – ja, aber nur für jene, die sich in die 1. Klasse eingekauft haben. Die anderen dürfen sich ruhig mit dem Bett am Gang begnügen – sofern sie überhaupt eins ergattern.
In der eine Politikerin über die Campinggegner in Sachen Festivals meinte „Ihren Unmut zu artikulieren ist demokratisches Recht!“  Absolut richtig! Wenn man allerdings bereits eine Stunde nach dem offiziellen Festivalende mit Fotoapparat bewaffnet durchs Gelände hirscht, um die „Müllsituation zu dokumentieren“, muss man sich den Vorwurf von Querulantentum gefallen lassen. (Müllweg)Beamen wurde noch nicht erfunden! Wenn man eine Katastrophe wie Duisburg vorschiebt, um für die hiesigen Festivals unzulässige Paralellen und Sicherheitslücken zu suggerieren, ist dies schlichtweg geschmacklos. Wenn man lanciert, dass der Campingbereich quasi behördliches Niemandsland sei, obwohl es eine behördliche Abnahme gibt, ist das schlichtweg falsch. Der Kampf ist legitim. Aber ob die Art und Weise, wie er geführt wird, seriös ist, darf bezweifelt werden. Oder finden Sie auch, dass St. Pölten jetzt eine „Stadt an der Kloake“ ist?