MFG - Geburtstagswunsch
Geburtstagswunsch


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Geburtstagswunsch

Text Johannes Reichl
Ausgabe 11/2014
Es gibt Zeiten und Daten, die historische Demarkationslinien darstellen. Danach – ob nun in positiver oder negativer Hinsicht – ist nichts mehr, wie es vorher war. Derlei Wendepunkte waren etwa der Fall der Berliner Mauer, jener des Eisernen Vorhanges oder der Terroranschlag auf das World Trade Center 2001. In meiner Kindheit, damals mehr ahnend als in seiner gesamten Dimension begreifend, war es auch das Jahr 1986. Das Reaktorunglück von Tschernobyl versetzte die Welt in Panik und offenbarte einmal mehr die Folgen technischen Chauvinismus‘ (wenngleich man daran zweifelt, ob man wirklich daraus gelernt hat), v.a. bedeutete es in Österreich aber den letzten Kick für die Entwicklungsmöglichkeit diverser Bürgerbewegungen hin zu politischen Parlamentsparteien. Die Zivilgesellschaft hielt Einzug in die Politik, der Primat der alleinigen politischen Autorität der etablierten Parteien wurde endgültig durchbrochen. Dies hing auch mit einer zweiten „Erschütterung“ zusammen: 1986 ließ die Waldheim-Affäre den jahrzehntelang politisch gepflegten Mythos von Österreich als reinem Opfer des NS-Regimes wie ein Kartenhaus in sich zusammenkrachen – die ehrliche Aufarbeitung der Geschichte konnte endlich angegangen werden. Last but not least wurde – für unsere Region relevant – St. Pölten in diesem Jahr Landeshauptstadt von Niederösterreich!
Es sollte allerdings bis zum Jahr 2004 dauern – so meine rein persönliche Wahrnehmung – bis das, was 1986 auf Schiene gebracht wurde, wirklich zu greifen begann. Abermals ging es mit dem Aufbrechen alter, eingefahrener Strukturen einher. So musste im Zuge des Priesterseminar-Skandals – weltweit thematisiert, am Ort des Geschehens aber medial totgeschwiegen – die Katholische Kirche aufgrund des öffentlichen Drucks sowie unter dem Eindruck Scharen austretender Gläubiger schließlich doch Konsequenzen ziehen: Bischof Kurt Krenn wurde in den Ruhestand verabschiedet. Und der damals 74-jährige Willi Gruber, seit 1985 wohlverdienter Bürgermeister, gab – nachdem seine letzte Amtszeit in Folge allzu langen absoluten Regierens Formen typischer Verkrustung angenommen hatte – den Weg frei für den damals erst 38-jährigen Matthias Stadler.
Es war, als würde die Stadt aufatmen, so als hätte jemand (wie es damals viele empfanden) die Saugglocke über der Stadt ein wenig angehoben, so dass endlich frischer Wind hereinströmen konnte bzw. sich das, was sich an urbaner Kraft und Energie schon längst innerhalb der Stadt aufgestaut hatte, endlich Bahn brechen konnte.
Ob das MFG, das am 22. November 2004 erstmals erschien, Mitauslöser dieser Aufbruchsstimmung war oder vielmehr selbst schon Folge bzw. Manifestation davon, kann ich heute schwer beurteilen. Fakt ist, dass es sich wie von selbst in diese Richtung entwickelte, obwohl die Macher – so grotesk es klingen mag – ursprünglich ein Kundenmagazin für das VAZ St. Pölten im Sinn hatten. Das ging aber nicht – die Zeit verlangte anderes. Und so gründeten wir, wie wir es tauften, ein „Urbanmagazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich“, um genau dieser stattfindenden Pluralität in Stadt und Region endlich dementsprechenden medialen Raum zu geben, wobei wir Urbanität stets auch als bewusste Denkweise im Sinne von Aufgeschlossenheit, kritischer Auseinandersetzung sowie Mut verstanden und damit als Gegenentwurf zur St. Pölten damals oft vorgeworfenen Provinzialität, die mit Kleinkariertheit, Engstirnigkeit und Feigheit einhergeht.
Diesen Ansätzen von damals fühlen wir uns nach wie vor verpflichtet, und dass es so bleibt, ist eigentlich mein größter Wunsch anlässlich unseres runden Geburtstages – für uns als Magazin, und für Sie als geschätzte Leser.
Und weil zum Geburtstag Geschenke nicht fehlen dürfen, laden wir Sie herzlich ein, diesmal das Jubiläumscover unter dem Motto „gefällt mir“ mitzugestalten. Zudem schenken wir Ihnen und uns unter www.dasmfg.at eine neue Homepage. Dass wir diese – obwohl schon für April 2013 angekündigt – endlich umgesetzt haben, hat auch schon fast eine historische Dimension ...