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Gerda Holzinger-Burgstaller - Die Erste!


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St. Pöltens gute Seite

Gerda Holzinger-Burgstaller - Die Erste!

Text Beate Steiner
Ausgabe 09/2021

Männer besetzen 178 von 192 Vorstandsposten in börsennotierten österreichischen Unternehmen, Frauen 14. Darunter eine ganz an der Spitze: Die St. Pöltnerin Gerda Holzinger-Burgstaller ist Vorstandsvorsitzende der Erste Bank. Ein Gespräch über Managerinnen-Qualitäten,Frauen-Chancen, den Blick über den Tellerrand und Mountainbiken.

Was wollten Sie als Kind werden, von welchem Beruf haben Sie als Schülerin geträumt?
Als Kind wollte ich die Welt erforschen und wollte eine Abenteuerin sein. Ich hatte das Glück, am Land aufzuwachsen, da konnte ich mit meinen Freunden oft im Wald und auf den Feldern spielen. Da gab es viel zu entdecken.

Mit 41 Jahren sind Sie dann Vorstandsvorsitzende der Erste Bank Österreich geworden und damit eine Ausnahme-Erscheinung in der heimischen Bankenwelt. Warum, glauben Sie, gibt es noch immer so wenige weibliche Führungskräfte in Österreichs Banken?

Der Mangel an weiblichen Führungskräften in Österreich ist auffällig und ich bin davon überzeugt, dass es nicht an der Qualität der Frauen liegt. In 15 Vorständen der großen börsennotierten Unternehmen sitzt gar keine Frau. Aber die Frauen in Spitzenpositionen werden allmählich mehr und das ist gut so. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, Diversität in all ihrer Vielfalt im eigenen Haus zu fördern. Wir waren in der Erste Bank hier immer Vorreiter und haben bereits eine 40-Prozent-Quote. Diverse Teams sind einfach erfolgreicher, und ohne Quote wird es in einer Übergangsphase nicht gehen. Wir Frauen sind gekommen, um zu bleiben.

Welche Qualitäten braucht es, um an der Spitze eines Unternehmens erfolgreich zu sein? Welche Eigenschaften haben Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Ich bin sehr geradlinig und eine explizite Teamplayerin. Ich wollte immer Teil der Lösung sein. Mir geht es um die Bank und um das große Ganze. Diese Sichtweise ist sicher hilfreich, wenn man sich weiter entwickeln möchte. Was mich außerdem ausmacht, ist der ständige Blick in die Zukunft und über den Tellerrand hinaus. Ich frage mich immer, wie kommen wir weiter, wie können wir Mut machen. Manche Kollegen bezeichnen diese Eigenschaft fast als notorisch.

Sind Sie jemals diskriminiert worden, weil Sie eine Frau sind?

Nein, ich persönlich habe diese Erfahrung Gott sei Dank nie gemacht und hatte immer Kolleginnen und Kollegen, die mich unterstützt haben.

In den Geschäftsführungen der 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs finden sich neun Prozent Frauen – Tendenz langsam steigend. Und der Gender Pay Gap verringert sich kontinuierlich, aber ebenfalls sehr langsam. Noch immer verdienen Frauen pro Stunde um 19,9 Prozent weniger als Männer. Damit liegt Österreich deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 14,1 Prozent. Frauen bekommen also noch immer rund ein Fünftel weniger aufs Konto als Männer, weil sie auf schlechter bezahlten Positionen und in schlechter bezahlten Branchen und außerdem oft Teilzeit arbeiten. Wie kann sich an dieser Realität was ändern?

Ich werde nicht müde für Gleichstellung zu kämpfen. In Österreich werden Frauen von der Gesellschaft stark unter Druck gesetzt, zu Hause zu bleiben, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten fast zu 75 Prozent in Teilzeit. Bei Vätern tun das nur sechs Prozent. Das spiegelt sich nicht nur beim Gehalt, sondern auch in der Höhe der Pension wider. Frauen sind oft gefährdet, in die Altersarmut zu schlittern. Umso wichtiger ist es, dass Frauen sich mit dem Thema Finanzen und Vorsorge auseinandersetzen. Das ist eine wichtige Investition in die Zukunft. Hier gibt es einen großen Wandel, und besonders junge Frauen sind an Finanzbildungsangeboten sehr interessiert. Finanzielle Selbstverantwortung und Unabhängigkeit sind immens wichtige Themen, die ich nicht müde werde, voranzutreiben.  
Sollten Frauen speziell gefördert werden?
Was spricht für eine Frauenquote für Spitzen-Posten, was dagegen?
Wenn wir davon ausgehen, dass Intelligenz, Begabungen, Stärken, Schwächen normalverteilt sind zwischen Männern und Frauen, dann ist es einfach keine effiziente und gute Nutzung von Humanressourcen, auf die Talente von Frauen zu verzichten. Das hieße ja, auf die besten Köpfe und Talente zu verzichten. In der Erste Bank haben wir uns für eine selbstverpflichtende Frauenquote in Führungspositionen von 40 Prozent entschieden. Ohne Zielwerte wird der Übergang wahrscheinlich nicht machbar sein. Allerdings: Quote allein schafft noch keine Veränderung, deshalb bauen wir auch auf eine Vielzahl von Mentoringprogrammen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Bank ermutigt Frauen ausdrücklich, sich auf Führungspositionen zu bewerben.

Was raten Sie jungen Frauen, die Karriere in Unternehmen machen wollen?
Macht euch sichtbar und seid mutig. Gerade wenn Frauen fast ausschließlich von Männern umgeben sind, sollten sie sich daran erinnern, ihre Fähigkeiten und Leistungen in den Vordergrund zu stellen. Nur keine falsche Bescheidenheit.

Wie entspannen Sie in Ihrer Freizeit?
Am besten entspanne ich mich am Wochenende beim Mountainbiken. Das macht auch meinen Kopf frei für neue Ideen. Außerdem bin ich ein Familienmensch und verbringe gerne und viel Zeit mit meiner Familie.

LEBENSLAUF
Die St. Pöltnerin Gerda Holzinger-Burgstaller (42) ist seit 1. Jänner 2021 Vorstandsvorsitzende der Erste Bank.
Davor hat sie rund zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Finanzbranche gesammelt. Holzinger-Burgstaller begann ihre Karriere bei der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA), bevor sie 2006 zur Erste Bank kam und dort verschiedene leitende Positionen innehatte. Zwischen 2017 und 2019 war sie ehrenamtlich im Vorstand der sozial orientierten „Zweiten Wiener Vereins-Sparcasse“ tätig. Sie hat an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien studiert und hält ein Doppeldiplom in Wirtschaft (2003) und Recht (2010).

SAG‘ MIR, WO DIE FRAUEN SIND

Auf nur 7,3 Prozent der österreichischen Chefsessel sitzt eine Frau. Daran hat sich seit dem Vorjahr nichts geändert. In den Aufsichtsräten sind Frauen mit einem Anteil von 28,6% vertreten. Die seit 2018 vorgeschriebene Quote von 30 Prozent erfüllt ein Fünftel der österreichischen Unternehmen nicht. St. Pöltner Unternehmen passen ins Bild: Auf den Vorstandsfotos der großen Betriebe finden sich kaum Frauen. Und auch im öffentlichen Dienst sagen Männer, was Sache ist. Zum Beispiel:
• Sunpor: In leitender Funktion sind sechs Männer und eine Frau.
• Salzer Papier: neun leitende Menschen, darunter zwei Frauen
• Egger: drei Gruppenleiter, drei Männer
• Geberit: zwei Geschäftsleiter
• Universitätsklinikum: Die Klinikleitung teilen sich zwei Männer und eine Frau. Den klinischen Abteilungen stehen 17 Männer und eine Frau vor.
• Magistrat der Stadt St. Pölten: Keine einzige Stabsstelle am Magistrat der Landeshauptstadt wird von einer Frau geleitet. Die Stadtprokuratur ist allerdings in vier Departments gegliedert, in dreien gibt es Chefinnen.
• Fachhochschule: Die Geschäftsführung an der FH teilen sich drei Männer, Leiter des FH-Kollegiums ist ein Mann.
• New Design Uni: An der NDU sind Rektor und Geschäftsführer männlich.
• Gemeinderat: Ein Drittel der 42 Mandate halten Frauen. Von den 25 Sitzen der SPÖ wurden neun an Frauen vergeben, drei Frauen und sieben Männer sind für die ÖVP im Stadtparlament, mit je einer Frau und zwei Männern sind die Grünen und die FPÖ im Gemeinderat vertreten, die NEOS mit einem Mann.

UNSERE VOLKSVERTRETERINNEN

Wie Renate Gamsjäger (SPÖ), Romy Windl (ÖVP), Christina Engel-Unterberger (Grüne) und Irene Höfner (FPÖ) zu Frauenfragen stehen:
• Was muss passieren, damit Frauen in unserer Gesellschaft gerechter behandelt werden und Männer nicht mehr bevorzugt?
• Inwiefern ist das Thema „Benachteiligung von Frauen“ für Sie von persönlichem Interesse?
• Brauchen wir eine Frauen-Quote? Warum ja, warum nein?

Stadträtin Renate Gamsjäger

Grundsätzlich hängen die Ungleichbehandlungen von Frauen mit den Rollenerwartungen und -bildern von Frauen in unserer Gesellschaft zusammen. Nirgends in Eu­ropa ist zum Beispiel der Anteil der Teilzeit beschäftigten Frauen so hoch wie in Österreich. Immer noch werden Frauen, die nicht beruflich für die Familie zurückstecken, schief angeschaut. Die Angebote zur Entlastung von Familien sind immer noch stark ausbaufähig. Auch wählen Mädchen immer noch die typischen Berufe, die per se schlechter bezahlt sind und schlechtere Aufstiegschancen haben. Unter diesen Voraussetzungen ist es klar, wo man ansetzen muss: Viel mehr Unterstützung von Mädchen und Burschen, um stereotype Berufswahlen aufzubrechen! Finanzielle Aufwertung „frauentypischer“ Berufe (vom Kindergarten bis zur Pflege), damit sie auch für Männer interessanter werden beziehungsweise die Lohnschere sich schließt. Ausbau von Familien unterstützenden Einrichtungen (Kindergärten, schulische Tagesbetreuung) mit hohem Qualitätsanspruch und kostenlos. Die Trennung von gratis-“pädagogischen“ Zeiten am Vormittag und einer kostenpflichtigen Nachmittagsbetreuung in den Kindergärten in NÖ ist die perfekte Hürde, um die Kinder nur halbtags in den Kindergarten zu geben und drängt damit die jungen Mütter geradezu in die Teilzeitarbeit.
Wie könnte dieses Thema nicht von Interesse für mich sein? Es zeigt sich, dass Quoten sehr hilfreich sind. Immer wieder erlebe und beobachte ich, dass Männer in Führungspositionen immer nur an Männer denken, wenn es um Nachbesetzungen geht. Die Quote zwingt dazu, Frauen – seien sie noch so taff – nicht nur als „Sekretärinnen/Zuarbeiterinnen“ wahrzunehmen.

Gemeinderätin Romy Windl
Meiner Meinung nach sind wir auf einem guten Weg, dürfen aber nicht müde werden, immer wieder auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. In mancher Hinsicht denken Frauen anders, es muss in Zukunft möglich sein, auf die Bedürfnisse der Frauen einzugehen. Oft werden immer noch alle Care-Tätigkeiten, sei es die Kinderbetreuung oder die Pflege der Eltern, von den Frauen übernommen. Das hat viele Auswirkungen zum Beispiel auf die Pension oder wenn es um die Besetzung von Frauen in höheren Positionen geht. Unsere Gesellschaft entwickelt sich langsam, das ist kein Sprint, sondern ein Marathon, bei dem wir immer wieder reflektieren müssen, wo noch an Schräubchen gedreht werden muss.
Ich bin in einer Familie mit fünf Frauen aufgewachsen, wir waren immer in der Überzahl und ich habe mich immer als Frau in meiner Meinung ernst genommen gefühlt und hatte auch starke Frauen als Vorbilder. Ich finde es aber großartig, dass es bereits so viele Projekte und Initiativen gibt, wie „Orange the World“ oder das Projekt, bei dem jetzt Spar die Nummer der Gewaltschutzhotline auf die Kassenbons druckt.
Ich würde mir wünschen, dass es keine Quoten braucht. Wenn wir mit Quoten Druck erzeugen, erzeugen wir auch irgendwo Gegendruck. Das würde dann oft genau das Gegenteil von dem bewirken, was wir eigentlich wollen. Frauenquoten bedeuten außerdem immer, dass nachher die Frau dem Vorwurf ausgesetzt ist, sie wäre nur dort wegen der Quote. Frauen haben oft ganz großartige Qualitäten, die durch Quoten bei der Anerkennung nicht gemindert werden dürfen.

Stadträtin Christina Engel-Unterberger

Was für eine komplexe Frage, auf die ich nur zu gerne die eine Antwort hätte. Prinzipiell denke ich die Zielrichtung muss sein: Wir müssen alle Menschen als gleichwertig verstehen und einander auch so begegnen. Auf dem Weg dorthin wurde schon viel erkämpft. Heutzutage geht es darum, Einkommensunterschiede und die ungleiche Verteilung unbezahlter Arbeit zu bekämpfen. Es geht darum, Kinderbetreuung auszubauen und einen Rechtsanspruch darauf zu schaffen. Es geht darum, Diskriminierung am Arbeitsplatz zu bekämpfen. Es geht um Arbeitszeitverkürzung und einen gesetzlichen Mindestlohn. Um die Bekämpfung von Altersarmut. Es geht um den Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Behörden, Gerichten und Gewaltschutzzentren. Es muss also sehr viel passieren und ich denke auf dem Weg dorthin braucht es gute Frauennetzwerke. Wir müssen also weiter Banden bilden.
Sagen wir so: Viele auf den ersten Blick „persönliche“ oder „private“ Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Betreuung von Angehörigen oder die Höhe von Einkommen und Pension sind meines Erachtens sehr „politisch“. Vielleicht zur Veranschaulichung ein paar Beispiele: 1) Als Partnerin ist es mir wichtig, in einer gleichberechtigten Beziehung zu leben, also gemeinsam für die Kinder und den Alltag zu sorgen und wirtschaftlich unabhängig zu sein. 2) Als Mutter ist es mir wichtig, dass meine Kinder frei von Angst und Gewalt aufwachsen können und dass sie ihre Potenziale entfalten können, unabhängig von ihrem Geschlecht. 3) Als berufstätige Person finde ich massive Lohnunterschiede zwischen einzelnen Branchen ungerecht. Ich bin ausgebildete Sozialarbeiterin – der weiblich dominierte Sozial- und Pflegebereich ist arg unterbezahlt. Aus all diese Gründen kann ich den Satz „Das Private ist politisch“ unterschreiben. Die Umsetzung von diesen „privaten“ Themen ist nämlich abhängig davon, welche Rahmenbedingungen es gibt.
In Gemeinderäten, Parlamenten und Vorständen sind in der Regel mehr Männer als Frauen vertreten. Ich finde das sollte sich ändern. Das erledigt sich aber nicht von allein, daher halte ich Quoten in bestimmten Bereichen für sehr sinnvoll. Ich denke, das hat auch Vorbildwirkung für Mädchen und junge Frauen. Auch ich selbst orientiere mich an anderen Politikerinnen und merke, dass ich mich mit Frauen in der Politik viel eher identifizieren kann als mit Männern. Um das Recht von Frauen auf Mitbestimmung umzusetzen, halte ich deshalb gerade für öffentliche Funktionen eine Frauen-Quote für sehr sinnvoll.

Gemeinderätin Irene Höfner
Wir müssen endlich ein faires Lohnsystem schaffen und gute gesetzliche Rahmenbedingungen für Mütter beziehungsweise Alleinerzieherinnen, die länger bei ihren Kindern zu Hause bleiben wollen.
Es darf nicht sein, dass Frauen trotz Doppelbelastung durch Job, Haushalt und Kindererziehung am Existenzminimum leben müssen. Für eine Postenbesetzung muss die Qualifikation ausschlaggebend sein, nicht eine Quotenerfüllung um jeden Preis, also NEIN zur Frauen-Quote.