MFG - Return to Sender
Return to Sender


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Return to Sender

Text Johannes Reichl
Ausgabe 12/2022

Die Welt ist voller Klischees. Eines betrifft etwa Fernsehstudios: Otto Normalverbraucher, durch die berühmten ORF-Peichl-Torten konditioniert, stellt sich diesbezüglich meist einen Riesenbunker vor, wo es nur so piepst und blinkt, wenn man eintritt, und geschäftiges, ja geradezu gestresstes Treiben herrscht.


Die Realität auf Regional TV-Ebene sieht dann doch ein bisschen anders aus. Als ich etwa P3TV besuche, finde ich mich plötzlich in einer mondänen Gründerzeitvilla wieder, die mit hohen Räumen, klassischem Fischgrätparkett sowie einem sonnigen Wintergarten aufwartet, wohin ich mich nach einer ausgiebigen Runde durchs rund 200 Quadratmeter große Studio zum Plausch mit den neuen Besitzern des Senders zurückziehe. Beim Eintreten muss ich auch nicht irgendwelche Sicherheitsschleusen durchqueren, sondern werde nur von einem wedelnden Empfangskomitee namens Eddi, dem Studiohund, begrüßt. Der P3-Standort am Schulring ist dabei übrigens so etwas wie ein letzter Nachhall des Vorbesitzers, des Agrarverlages, dem das Gebäude gehört. Nach vierjährigem Ausflug in die Welt des Fernsehmachens hat sich das Medienimperium mit Bauernbund-DNA wieder zurückgezogen und den Sender per Employee-Buy-out verkauft. Damit wurde auch so etwas wie ein Interregnum „externer“ Geschäftsführer, Senderchefs und Chefredakteure beendet, fließt in den Adern der neuen Besitzer, allesamt „alte“ Mitarbeiter, doch reines P3-Blut. Das gilt im fast wörtlichen Sinne nicht nur für Sven Vajda, Sohn des legendären P3TV-Gründers und langjährigen Masterminds Rudi Vajda, sondern nicht minder für Thomas Schulz, der ebenfalls bereits seit 16 Jahren beim Sender ist. Der dritte im Bunde, Stefan Sieder, ist mit Eintrittsdatum 2016 dagegen fast so etwas wie das Bambi in der Runde. Was alle drei miteinander verbindet und letztlich für ihren Wechsel von der Mitarbeiter- auf die Unternehmerseite ausschlaggebend war, ist ihre – ja nennen wir es getrost so – Liebe zum Sender. „Wir wollen einfach nicht, dass P3TV zerstört wird“, stellt Vajda klar, und Schulz meint „Ich könnte mir nie vorstellen, dass der Sender geschlossen wird – das war für uns einfach keine Option, dazu macht es einfach viel zu viel Spaß.“ Geradezu nüchtern und kaufmännisch ergänzt Sieder: „Wir wissen einfach, dass P3TV funktioniert.“

Seitenwechsel
Der Switch auf die Führungsebene war dabei kein leichter für die drei „weil natürlich ist es etwas anderes, ob du Mitarbeiter und Kollege bist oder plötzlich als Vorgesetzter die ganze Verantwortung trägst.“ Intern hat sich das Triumvirat die Kernbereiche Organisation, Vertrieb, Technik, Produktion, Redaktion aufgeteilt, mit drei Angestellten plus einem Lehrling bildet man eine kleine schlagkräftige Truppe mit einem durchaus bemerkenswerten Führungs-Mitarbeiterverhältnis: Auf jeden Chef kommt aktuell quasi ein Mitarbeiter, was Schulz schmunzelnd mit „naja, wir haben ohnedies flache Hierarchien“ quittiert. Und läuft nach einer Konsolidierungsphase bis Weihnachten alles nach Plan, könnten im kommenden Jahr ja neue Mitarbeiter dazu stoßen. Bis dahin heißt es für die Neo-Chefs aber, dem bekannten Bonmot entsprechend, in den sauren Apfel des Unternehmertums: Als Selbstständiger arbeitet man selbst und ständig!

Erfolgskonzept
Was den Gesamtauftritt des Senders betrifft, so bleibt man dem jahrzehntelang erprobten P3TV-Prinzip treu: „Letztlich sind wir der Regionalsender vor der Haustür. Wichtig ist überspitzt formuliert, dass der Karli Onkel und die Mitzi Tante im Fernsehen nicht nur über die Frau Landeshauptfrau etwas erfahren, sondern vielleicht bei Veranstaltungen auch neben ihr zu sehen sind, selbst zu Wort kommen. Dass sie den Neffen beim Kicken bewundern können oder bei der Aufführung in der Musikschule. Es geht also schlicht darum einzufangen, was hier in der Region passiert – weil das Identifikation aufbaut“, so Schulz. Der Medienmacher möchte das aber nicht mit einem wie immer gearteten Boulevardjournalismus verwechselt wissen: „Wir werden sicher nicht als siebtes Medium über einen Unfall berichten oder irgendwelche Horrormeldungen bringen. Im Grunde genommen möchten wir vielmehr positive Berichterstattung leisten – das ist auch das, wonach sich die Leute sehnen.“ Das heißt freilich nicht, wie Vajda einräumt, dass man nicht auch einmal kritisch berichtet, „aber wir betreiben keinen Investigativjournalismus, sondern unser Ziel ist objektive Regionalberichterstattung.“ Unter „regional“ – so hat man die eigene Nische definiert – fallen dabei „jene Themen, die für den ORF Niederösterreich in der Regel zu klein sind. Zugleich brechen wir aber die großen gesellschaftlichen Themen aufs Regionale herunter und schauen, wie es den Leuten hier vorort damit so geht.“
Dass das Bedürfnis nach Berichterstattung vor der Haustüre – entgegen gewisser Allgemein-Trends – im TV-Bereich eher steigend, denn sinkend ist, davon sind die Fernsehmacher überzeugt. „Wenn man sich ansieht, wie viele Lokal TV Sender seit der Liberalisierung des Marktes entstanden sind, dann geht die Tendenz eindeutig nach oben“, so Sieder. Ein wachsender Markt bedeutet freilich auch größere Konkurrenz, die sich etwa durch die Übernahme von N1 TV durch die NÖN abzeichnet. Ein Problem für die Jungunternehmer? „Natürlich beobachtet man aufmerksam die Entwicklungen. Es geht ja auch um den Werbemarkt, und da ist immer ein bisschen die Sorge, dass ein neuer Gambler diesen durch Dumpingpreise zusammenhauen könnte. Aber letztlich konzentrieren wir uns auf uns selbst und unsere Stärken. Alle unsere Mitarbeiter sind erfahren und von der Pieke auf ausgebildet, wir haben ein im Vergleich sehr hohes Niveau – gerade auch im Hinblick auf das optische Auftreten.“

Neue Wege
In Selbstbeweihräucherung ergeht man sich deshalb freilich nicht, zumal man sich auch eigener Defizite durchaus bewusst ist, „etwa hinsichtlich Social Media, das wir aufgrund mangelnder Ressourcen lange Zeit sehr stiefmütterlich behandeln mussten, das aber natürlich aufgrund der Fragmentierung des Medienkonsums immer wichtiger wird.“ Soll heißen, die Sehergewohnheiten verändern sich, geschaut wird nicht nur mehr über den Fernseher, sondern auch am Handy und am Tablet – immer und überall. Es geht dabei längst nicht mehr um ganze Sendungen, sondern um Einzelbeiträge, die der Konsument gezielt abrufen möchte. Mit Streaminginhalten auf der eigenen Homepage versucht P3TV diesem Trend seit geraumer Zeit Rechnung zu tragen, zugleich spürt man in Zeiten steten Videokonsums aber auch steigenden (Tages)Aktualitätsdruck. „Im Gegensatz zu vielen anderen Regionalsendern sind wir mit zwei Ausgaben pro Woche schon recht gut aufgestellt. Aber manches, das ich heute drehe, ist zwei Tage später vielleicht schon uninteressant.“ Die diesbezüglich richtige Balance zu finden, stellt zusehends eine Herausforderung dar „weil wenn wir etwa manche Beiträge gleich online stellen, laufen wir Gefahr, uns umgekehrt die eigene Geschichte für die nächste P3TV-Ausgabe, die vielleicht erst einen Tag später auf Sendung geht, ‚abzustechen‘“, so Vajda. 
Andererseits ist der Zug Richtung Tagesaktualität in einem Umfeld, wo auf Social Media tagtäglich tausende neue Videos hochgeladen werden, unumkehrbar „weshalb diese durchaus ein Langfristziel darstellt. Aktuell ist es aber noch Zukunftsmusik“, so Sieder. 
Dass Regionalfernsehen generell aufgrund einer überbordenden Konkurrenz aus dem privaten Social-Media-Bereich, wo jeder User quasi sein eigener Medienmacher ist und Inhalte via diversen Plattformen vertreibt, auf Sicht ein Auslaufmodell werden könnte, glaubt Vajda hingegen nicht. „Zum einen greift nicht jeder unseren Content auf. Zum anderen mangelt es dem privaten Youtuber in der Regel auch an journalistischem Know-how bzw. legt er gar keinen Wert darauf. Er filmt etwas, aber er hinterfragt nicht, er recherchiert nicht, er überprüft nicht. Das macht der seriöse Journalist. Abgesehen davon glaube ich, dass die Medienkompetenz der Nutzer soweit fortgeschritten ist, dass sie das durchaus zu unterscheiden und richtig einzuordnen wissen und sich daher auch bewusst sind, welche Qualität P3TV hat.“