Ein Pieps um 86 Millionen Euro?
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Es ist ein sonniger Maitag – also geradezu prädestiniert, um zehn Stunden indoor am Wiener Handelsgericht zu verbringen, wo das Match Stadt St. Pölten gegen Raiffeisen Landesbank in die nächste Runde geht. Ein Gerichtsdrama – Aktnummer unbekannt.
Das moderne Gerichtsgebäude hat mit dem „Charme“ muffiger k.-u.-k.-Bunker längst nichts mehr am Hut, ja vermittelt aufs Erste eher den Eindruck eines Outlets der Österreich-Werbung, prangen in der Lobby doch Postkarten-Ansichten von Wien – vielleicht Tranquilizer, um von den Mühlen der Justiz, die dahinter bisweilen gnadenlos mahlen, abzulenken. Vor Einlass müssen wir durch eine Sicherheitsschleuse, gegen die sich jene am Flughafen wie „Kinderfasching“ ausnehmen. Das Rondeau, in das man kurzzeitig eingesperrt wird, erinnert an eine Plattform im Transporterraum der Enterprise, doch bevor ich mir mit meiner Hand auf die linke Brust tippen und „Beam me up Scottie“ befehlen kann, öffnet sich die Schleuse wieder, und so gilt es den Weg in den 19. Stock ganz konventionell per Fahrstuhl zurückzulegen.
„Ich bin eine Stadt – holt mich hier raus“
Wegbeamen, aus der Welt schaffen, exterminieren, oder – wie es in der Anklageschrift heißt „rückabwickeln“ – das wäre auch der Stadt St. Pölten am liebsten mit jenem SWAP-Geschäft, das man im Herbst 2007 mit der Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien (RLB) abgeschlossen hat und das sich – euphemistisch formuliert – nicht gerade gut entwickelt. Der Richter wird es im Zuge des Prozesses so formulieren: „Die Wirtschaftskrise in St. Pölten hat genau am 21. 9. 2007 begonnen“. Aktuell berappt man für das Geschäft vierteljährlich (!) rund eine Million Euro an Zinsen, die derzeit bei 18% liegen. Der Marktwert liegt per dato bei läppischen 86 Millionen Euro (schoss zwischendurch sogar schon durch die 100 Millionen Euro-Decke) – und wir sprechen hier von minus! Ins Plus, so zweifeln selbst die größten Optimisten, wird das Geschäft wohl nie drehen – was es im Übrigen von Beginn an nicht tat. Der Stadtvertreter wird zwischendurch aufkären, dass „selbst wenn der Kurs steigt, wir trotzdem mehr zahlen müssten, um auszusteigen. Das ist das Paradoxon“. Der im Prozess gefallene Begriff „toxisches Geschäft“ trifft es besser. Angesichts der Tatsache, dass diese Franken-Euro-Wette – und um nichts anderes handelt es sich – laut Vertrag noch gut 20 Jahre läuft, eine schwere finanzielle Hypothek für St. Pölten, auch eine politische. Freilich, so der Rechtsstandpunkt der Stadt: Das Geschäft hätte gar nicht erst abgeschlossen werden dürfen, weil man seitens der RLB nicht ausreichend informiert worden sei über die wahre Zusammensetzung dahinter. Da klaffen ein paar Kennzahlen weidlich auseinander: Während die Stadt von einem Nominale von 23,9 Millionen Euro ausging (Basis hierfür stellte ein Krankenhauskredit in selbiger Höhe dar, weil das ganze Geschäft ja unter der Rubrik „Schuldenbewirtschaftung“ läuft), ist plötzlich von bis zu 400 Millionen Euro die Rede. Auch von den 67 Einzeloptionen, aus denen sich der jeweilige Wert errechnet, hat die Stadt laut eigener Aussage nichts gewusst. Ja, man unterstellt, dass das auch auf den Bankvertreter selbst zutrifft, der das Produkt verkaufte. Dieser wird folgendermaßen zitiert: „Ich bin nicht der Meinung, dass hinter dieser Formel Optionen stehen. Es hat mir auch von unserer Treasury Abteilung niemand gesagt, dass hinter dieser Formel eigentlich Optionen stehen sollen.“ Kleiner Schönheitsfehler: Das Zitat stammt aus einem Parallelprozess, weshalb der RLB Vertreter kurzzeitig zum Rumpelstilzchen mutiert: „Das ist ungeheurlich!“
Der Bürgermeister wird im Rahmen seiner Befragung am Nachmittag jedenfalls mantraartig einflechten: „Wenn bekannt gewesen wäre, welche Konstruktion hinter dem Geschäft steckt, hätten wir es nie abgeschlossen – ja gar nicht abschließen dürfen!“ Aus diesem Grund zweifelt man die Rechtswirksamkeit per se an, hätte ein solches Geschäft doch von der Gemeindebehörde genehmigt werden müssen – was nicht geschah. Auch die Aussage „da wurde uns ein Risiko untergejubelt“, lässt Stadler mehrmals fallen.
Die geklagte RLB hingegen will im juristischen Sinne von einer etwaigen Unterlassung oder Fehlinformation nichts wissen. Selbst die Existenz von 67 Einzeloptionen wird bestritten, wenngleich man einräumt, dass sich das Ding nur berechnen lässt, wenn man es wie 67 Einzeloptionen behandelt. Jedenfalls sei alles rechtens abgelaufen. Gong! Die erste Runde ist eröffnet, Schauplatz: Verhandlungssaal 19.11.
Wegbeamen, aus der Welt schaffen, exterminieren, oder – wie es in der Anklageschrift heißt „rückabwickeln“ – das wäre auch der Stadt St. Pölten am liebsten mit jenem SWAP-Geschäft, das man im Herbst 2007 mit der Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien (RLB) abgeschlossen hat und das sich – euphemistisch formuliert – nicht gerade gut entwickelt. Der Richter wird es im Zuge des Prozesses so formulieren: „Die Wirtschaftskrise in St. Pölten hat genau am 21. 9. 2007 begonnen“. Aktuell berappt man für das Geschäft vierteljährlich (!) rund eine Million Euro an Zinsen, die derzeit bei 18% liegen. Der Marktwert liegt per dato bei läppischen 86 Millionen Euro (schoss zwischendurch sogar schon durch die 100 Millionen Euro-Decke) – und wir sprechen hier von minus! Ins Plus, so zweifeln selbst die größten Optimisten, wird das Geschäft wohl nie drehen – was es im Übrigen von Beginn an nicht tat. Der Stadtvertreter wird zwischendurch aufkären, dass „selbst wenn der Kurs steigt, wir trotzdem mehr zahlen müssten, um auszusteigen. Das ist das Paradoxon“. Der im Prozess gefallene Begriff „toxisches Geschäft“ trifft es besser. Angesichts der Tatsache, dass diese Franken-Euro-Wette – und um nichts anderes handelt es sich – laut Vertrag noch gut 20 Jahre läuft, eine schwere finanzielle Hypothek für St. Pölten, auch eine politische. Freilich, so der Rechtsstandpunkt der Stadt: Das Geschäft hätte gar nicht erst abgeschlossen werden dürfen, weil man seitens der RLB nicht ausreichend informiert worden sei über die wahre Zusammensetzung dahinter. Da klaffen ein paar Kennzahlen weidlich auseinander: Während die Stadt von einem Nominale von 23,9 Millionen Euro ausging (Basis hierfür stellte ein Krankenhauskredit in selbiger Höhe dar, weil das ganze Geschäft ja unter der Rubrik „Schuldenbewirtschaftung“ läuft), ist plötzlich von bis zu 400 Millionen Euro die Rede. Auch von den 67 Einzeloptionen, aus denen sich der jeweilige Wert errechnet, hat die Stadt laut eigener Aussage nichts gewusst. Ja, man unterstellt, dass das auch auf den Bankvertreter selbst zutrifft, der das Produkt verkaufte. Dieser wird folgendermaßen zitiert: „Ich bin nicht der Meinung, dass hinter dieser Formel Optionen stehen. Es hat mir auch von unserer Treasury Abteilung niemand gesagt, dass hinter dieser Formel eigentlich Optionen stehen sollen.“ Kleiner Schönheitsfehler: Das Zitat stammt aus einem Parallelprozess, weshalb der RLB Vertreter kurzzeitig zum Rumpelstilzchen mutiert: „Das ist ungeheurlich!“
Der Bürgermeister wird im Rahmen seiner Befragung am Nachmittag jedenfalls mantraartig einflechten: „Wenn bekannt gewesen wäre, welche Konstruktion hinter dem Geschäft steckt, hätten wir es nie abgeschlossen – ja gar nicht abschließen dürfen!“ Aus diesem Grund zweifelt man die Rechtswirksamkeit per se an, hätte ein solches Geschäft doch von der Gemeindebehörde genehmigt werden müssen – was nicht geschah. Auch die Aussage „da wurde uns ein Risiko untergejubelt“, lässt Stadler mehrmals fallen.
Die geklagte RLB hingegen will im juristischen Sinne von einer etwaigen Unterlassung oder Fehlinformation nichts wissen. Selbst die Existenz von 67 Einzeloptionen wird bestritten, wenngleich man einräumt, dass sich das Ding nur berechnen lässt, wenn man es wie 67 Einzeloptionen behandelt. Jedenfalls sei alles rechtens abgelaufen. Gong! Die erste Runde ist eröffnet, Schauplatz: Verhandlungssaal 19.11.
Der Herr Rat und die Men-In-Black
Der kleine, aber moderne Verhandlungssaal im 19. Stock hat gerade einmal die Größe eines halben Klassenzimmers. An der Stirnseite, leicht erhöht, „thront“ der Richter unter einem modernen Staatsadler in Metall. Zur Linken und Rechten sind die Reihen der Rechtsvertreter, dazwischen – quasi in der „Mangel“ – der Stuhl der Zeugen (im Übrigen als einziger ohne Polsterung). Eine breite Fensterfront gewährt einen beeindruckenden Blick auf Wien und wird während Prozesslängen die willkommene Abwechslung bieten, sich ganz dem Spiel „Suche die Sehenswürdigkeiten“ hinzugeben.
Wobei richtig fad wird es eigentlich nie, was vor allem dem Richter – von den Anwälten schlicht „Herr Rat“ tituliert – zu danken ist. In einer „gschmeidigen“ Mischung aus Zynismus, Selbstverliebtheit und Theatralik sorgt er dafür, dass der Humor in diesem Trauerstück nicht zu kurz kommt. Seine prinzipielle Hassliebe gegenüber dem Treiben im Verhandlungssaal im Besonderen sowie seinem Beruf im Allgemeinen offenbart sich bereits anhand eines Spruches an seiner Bürotür: „I leave my mind at home, so I don’t lose it at work.“ Nur – so einfach ist es halt nicht, und so quittiert der „Herr Rat“ die in seinen Augen unmöglichen Beleidigungen seines Intellekts (und somit des Hohen Gerichts) immer wieder mit beeindruckendem Augenrollen, provokant lautem Schnäuzen oder metaphernreichen, vor Wortwitz strotzenden Pfeilen aus dem Zynismusköcher. Und wenn es ihm einmal zu bunt wird, kann es schon vorkommen, dass er zu einem mehrminütigem Monolog im höheren Dezibelbereich ansetzt. Wehe dem, der es dann wagte, ihn während dieser Suada zu unterbrechen. Selbst die sonst angriffslustigen Anwälte haben dann Sendepause. Letztendlich ist aber doch alles ein Kampf gegen Windmühlen, die Welt schlecht, und so wird der „Herr Rat“ nach gut zehn Stunden Verhandlung erste Abnützungserscheinungen aufweisen und zuletzt resignierend die Frage in den Raum werfen: „Was hab ich eigentlich angestellt, um das zu verdienen?“ Sie muss unbeantwortet bleiben.
Weniger originell, dafür schön klischeehaft (was natürlich nur die Oberflächlichkeit des Autors, nicht etwa das Klischee als solches entlarvt), kommen die Rechtsvertreter daher: Gut sitzende Anzüge, glanzpoliertes Schuhwerk, überstrenger Blick, Humorbefreiung und eine zur Schau getragene Straightheit, die das Zeug hätte, selbst die Höllenfeuer in Eis zu verwandeln. Immer wieder blitzt das Gehabe von Alphamännchen durch, als ginge es nicht etwa um den Prozess allein oder die jeweiligen Mandanten, sondern durchaus auch ums persönlich Messen, wer denn nun die größeren (na sie wissen schon) hat. Der Rat wird dieses kindische Treiben zwischendurch mit der schlichten Erkenntnis „Kindergärtner sind eindeutig unterbezahlt!“ kommentieren.
Vom Typus her – und diesbezüglich sei eine Analogie zum Fußball erlaubt, weil auch der „Herr Rat“ mehrmals metaphorisch zum runden Leder abschweift – sind sie freilich ganz unterschiedlich. Jener der Stadt eher der Beißer im Mittelfeld, klassischer 6’er, der keinen Ball verloren gibt, unermüdlich rackert bis zum bitteren Ende, selbst wenn man schon 5:0 zurückliegen mag – ein Spiel dauert nun einmal bis zum Abpfiff.
Auf der anderen Seite der Anwalt der RLB, der geradezu idealtypisch (wir sind nach wie vor im vorurteilsbehafteten Klischee!) einen Bankrechtsvertreter verkörpert, ja selbst als eiskalter Investmentbanker durchginge. Während der Pausen am Gang wirkt er dann freilich um vieles harmloser und menschlicher als in seiner Rolle (?) im Saal. Vom „Spielstil“ her erinnert er eher an einen Vollblutstürmer der Marke Christiano Ronaldo, ausgestattet mit einem unverkennbaren Schuss Eitelkeit und Egozentrik, stets hellwach, auf den richtigen Moment lauernd, um im Fall der Fälle gnadenlos zuzuschlagen. Dass ihm sein „Gegner“ am Nachmittag, St. Pöltens Bürgermeister, dafür wenig Gelegenheit bieten wird, ja des Anwalts – um kurz ins Boxerfach zu switchen – durchaus harten Schläge wie in einem Germteig zu verpuffen scheinen, wird ihn nach einem wiederholten bürgermeisterlichen Monolog entnervt einwenden lassen: „Das war eine einfache Frage Herr Bürgermeister, ,Ja oder nein?“ Der „Herr Rat“ hat auch dafür eine schlüssige Erklärung parat: „Herr Kollege, das ist ein Politiker!“
Der kleine, aber moderne Verhandlungssaal im 19. Stock hat gerade einmal die Größe eines halben Klassenzimmers. An der Stirnseite, leicht erhöht, „thront“ der Richter unter einem modernen Staatsadler in Metall. Zur Linken und Rechten sind die Reihen der Rechtsvertreter, dazwischen – quasi in der „Mangel“ – der Stuhl der Zeugen (im Übrigen als einziger ohne Polsterung). Eine breite Fensterfront gewährt einen beeindruckenden Blick auf Wien und wird während Prozesslängen die willkommene Abwechslung bieten, sich ganz dem Spiel „Suche die Sehenswürdigkeiten“ hinzugeben.
Wobei richtig fad wird es eigentlich nie, was vor allem dem Richter – von den Anwälten schlicht „Herr Rat“ tituliert – zu danken ist. In einer „gschmeidigen“ Mischung aus Zynismus, Selbstverliebtheit und Theatralik sorgt er dafür, dass der Humor in diesem Trauerstück nicht zu kurz kommt. Seine prinzipielle Hassliebe gegenüber dem Treiben im Verhandlungssaal im Besonderen sowie seinem Beruf im Allgemeinen offenbart sich bereits anhand eines Spruches an seiner Bürotür: „I leave my mind at home, so I don’t lose it at work.“ Nur – so einfach ist es halt nicht, und so quittiert der „Herr Rat“ die in seinen Augen unmöglichen Beleidigungen seines Intellekts (und somit des Hohen Gerichts) immer wieder mit beeindruckendem Augenrollen, provokant lautem Schnäuzen oder metaphernreichen, vor Wortwitz strotzenden Pfeilen aus dem Zynismusköcher. Und wenn es ihm einmal zu bunt wird, kann es schon vorkommen, dass er zu einem mehrminütigem Monolog im höheren Dezibelbereich ansetzt. Wehe dem, der es dann wagte, ihn während dieser Suada zu unterbrechen. Selbst die sonst angriffslustigen Anwälte haben dann Sendepause. Letztendlich ist aber doch alles ein Kampf gegen Windmühlen, die Welt schlecht, und so wird der „Herr Rat“ nach gut zehn Stunden Verhandlung erste Abnützungserscheinungen aufweisen und zuletzt resignierend die Frage in den Raum werfen: „Was hab ich eigentlich angestellt, um das zu verdienen?“ Sie muss unbeantwortet bleiben.
Weniger originell, dafür schön klischeehaft (was natürlich nur die Oberflächlichkeit des Autors, nicht etwa das Klischee als solches entlarvt), kommen die Rechtsvertreter daher: Gut sitzende Anzüge, glanzpoliertes Schuhwerk, überstrenger Blick, Humorbefreiung und eine zur Schau getragene Straightheit, die das Zeug hätte, selbst die Höllenfeuer in Eis zu verwandeln. Immer wieder blitzt das Gehabe von Alphamännchen durch, als ginge es nicht etwa um den Prozess allein oder die jeweiligen Mandanten, sondern durchaus auch ums persönlich Messen, wer denn nun die größeren (na sie wissen schon) hat. Der Rat wird dieses kindische Treiben zwischendurch mit der schlichten Erkenntnis „Kindergärtner sind eindeutig unterbezahlt!“ kommentieren.
Vom Typus her – und diesbezüglich sei eine Analogie zum Fußball erlaubt, weil auch der „Herr Rat“ mehrmals metaphorisch zum runden Leder abschweift – sind sie freilich ganz unterschiedlich. Jener der Stadt eher der Beißer im Mittelfeld, klassischer 6’er, der keinen Ball verloren gibt, unermüdlich rackert bis zum bitteren Ende, selbst wenn man schon 5:0 zurückliegen mag – ein Spiel dauert nun einmal bis zum Abpfiff.
Auf der anderen Seite der Anwalt der RLB, der geradezu idealtypisch (wir sind nach wie vor im vorurteilsbehafteten Klischee!) einen Bankrechtsvertreter verkörpert, ja selbst als eiskalter Investmentbanker durchginge. Während der Pausen am Gang wirkt er dann freilich um vieles harmloser und menschlicher als in seiner Rolle (?) im Saal. Vom „Spielstil“ her erinnert er eher an einen Vollblutstürmer der Marke Christiano Ronaldo, ausgestattet mit einem unverkennbaren Schuss Eitelkeit und Egozentrik, stets hellwach, auf den richtigen Moment lauernd, um im Fall der Fälle gnadenlos zuzuschlagen. Dass ihm sein „Gegner“ am Nachmittag, St. Pöltens Bürgermeister, dafür wenig Gelegenheit bieten wird, ja des Anwalts – um kurz ins Boxerfach zu switchen – durchaus harten Schläge wie in einem Germteig zu verpuffen scheinen, wird ihn nach einem wiederholten bürgermeisterlichen Monolog entnervt einwenden lassen: „Das war eine einfache Frage Herr Bürgermeister, ,Ja oder nein?“ Der „Herr Rat“ hat auch dafür eine schlüssige Erklärung parat: „Herr Kollege, das ist ein Politiker!“
Kein Pieps mehr?
Doch so weit sind wir noch nicht. Vormittags werden nochmals die grundsätzlichen Positionen abgesteckt, und die könnten kaum weiter auseinander liegen.
Zunächst bringt der Rechtsvertreter der Stadt den Gedanken einer spiegelgleichen Rückabwickelung des Geschäfts unter dem Terminus „Naturalleistung“ ein, was selbst den „Herrn Rat“ kognitiv zu überfordern scheint. „Da kriegt man ja einen Knopf im Hirn. Wie will ich etwas restituieren, was ich noch nie hergegeben habe?“ Dem Rechtsvertreter der RLB rutscht hierzu Richtung Stadt ein pechschwarzer Zynismus, man könnte es auch als Unverfrorenheit empfinden, heraus: „Aha, sie wollen also weiterzocken!“ Das ist in etwa so, wie wenn der Groupier dem Spielsüchtigen Jetons in die Hand drückt und mit vorwurfsvoller Miene raunt: „Sie wollen also weiterspielen!“
Auch über die Marge der Bank, ob man über deren Höhe getäuscht wurde – was die Stadt unterstellt – oder nicht, wird gestritten. Kein unwesentlicher Aspekt, denn je höher die Marge ist, umso höher ist auch der Marktwert. Dadurch sei schon der Anfangswert mit 30% im Minus gelegen, beklagt der Stadtvertreter. Das Mitleid des „Herrn Rat“ hält sich in Grenzen. „Wir sind uns aber schon einig, dass die Bank nicht der Samariterbund ist.“ Und wenig hoffnungsfroh fügt er hinzu: „Dass es eine Marge gab, ist doch klar – ob diese angemessen war oder nicht, ist hier nicht das Thema.“
Selbst in der Frage, ob man bis zuletzt Vergleichsgespräche führte – in solchen wähnte sich die Stadt, die RLB bestreitet dies – findet man keinen gemeinsamen Nenner. Die Stadt wird es so darstellen, dass man sich in diesem Glauben („Die RLB hat gesagt: ‚Wir lassen keine Gemeinde im Stich!‘“) quasi so lange vertrösten ließ, bis es zu spät war.
All diese Scharmützel könnten sich aber ohnedies als irrelevant erweisen, wenn eine andere im Zuge des Prozesses zutage geförderte Bombe scharf wird: War der von der RLB 2011 gewährte Verjährungsverzicht überhaupt noch in Kraft, kurzum: Ist das Geschäft überhaupt noch einklagbar?
Es folgt der große Auftritt des ehemaligen Rechtsvertreters der RLB in dieser Causa: Äußerlich ebenso ein Anwalt von der Stange (allerdings mit dem altersbedingten Upgrade goldener Manschettenknöpfe), gefällt er sich verbal in der Rolle des „harten Jungen“. So schildert er nicht ohne Stolz, wie er die Gegenseite aus einer „Position der Stärke“ quasi allein aufgemischt hat: Als im September 2010 nämlich auch über einen etwaigen Verjährungsverzicht – die Stadt droht alternativ mit Klage – gesprochen wird, gibt er zu verstehen, dass dies wohl nur denkbar sei, wenn St. Pölten weiterhin seinen Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß nachkommt, und fügt dann markig hinzu: „Aber wenn die Stadt nur einmal ‚Pieps‘ macht, dann ist der Verjährungsverzicht weg!“ PENG! Da schlottern einem selbst heute noch die Knie, auch wenn man gar nicht dabei gewesen ist.
Der Verjährungsverzicht wird in Folge tatsächlich gewährt. Allerdings passiert nur knapp vier Monate später laut RLB auch der „Pieps“. Die Stadt zahlt eine Tranche nicht fristgerecht bzw. erfolgt die Bedeckung der Überweisung zu spät (ein bis dahin gültiger Automatismus zwischen Bank und Stadt kommt laut Stadt diesmal nicht zum Tragen – purer Zufall?!). Aus Sicht der Bank erlischt damit jedenfalls der Verjährungsverzicht. Dies hieße in weiterer Konsequenz aber, dass das Geschäft an sich gar nicht mehr einklagbar ist! Der Pieps hätte sich dann zu einem letalen Dauerton ausgewachsen, der das Ende aller Stadthoffnungen, aus dem Geschäft über den Rechtsweg auszusteigen, signalisieren könnte.
Allerdings wohl nur – womit wir zur Quadratur des Kreises kommen – wenn die RLB mit ihrer Grundargumentation durchkommt. Bekommt hingegen die Stadt recht, dass das Geschäft gar nicht rechtswirksam ist, hat sich wahrscheinlich auch die Diskussion um den Verjährungsverzicht erübrigt. Ein Geschäft, das sozusagen nicht existiert, kann einen solchen gar nicht haben.
Doch so weit sind wir noch nicht. Vormittags werden nochmals die grundsätzlichen Positionen abgesteckt, und die könnten kaum weiter auseinander liegen.
Zunächst bringt der Rechtsvertreter der Stadt den Gedanken einer spiegelgleichen Rückabwickelung des Geschäfts unter dem Terminus „Naturalleistung“ ein, was selbst den „Herrn Rat“ kognitiv zu überfordern scheint. „Da kriegt man ja einen Knopf im Hirn. Wie will ich etwas restituieren, was ich noch nie hergegeben habe?“ Dem Rechtsvertreter der RLB rutscht hierzu Richtung Stadt ein pechschwarzer Zynismus, man könnte es auch als Unverfrorenheit empfinden, heraus: „Aha, sie wollen also weiterzocken!“ Das ist in etwa so, wie wenn der Groupier dem Spielsüchtigen Jetons in die Hand drückt und mit vorwurfsvoller Miene raunt: „Sie wollen also weiterspielen!“
Auch über die Marge der Bank, ob man über deren Höhe getäuscht wurde – was die Stadt unterstellt – oder nicht, wird gestritten. Kein unwesentlicher Aspekt, denn je höher die Marge ist, umso höher ist auch der Marktwert. Dadurch sei schon der Anfangswert mit 30% im Minus gelegen, beklagt der Stadtvertreter. Das Mitleid des „Herrn Rat“ hält sich in Grenzen. „Wir sind uns aber schon einig, dass die Bank nicht der Samariterbund ist.“ Und wenig hoffnungsfroh fügt er hinzu: „Dass es eine Marge gab, ist doch klar – ob diese angemessen war oder nicht, ist hier nicht das Thema.“
Selbst in der Frage, ob man bis zuletzt Vergleichsgespräche führte – in solchen wähnte sich die Stadt, die RLB bestreitet dies – findet man keinen gemeinsamen Nenner. Die Stadt wird es so darstellen, dass man sich in diesem Glauben („Die RLB hat gesagt: ‚Wir lassen keine Gemeinde im Stich!‘“) quasi so lange vertrösten ließ, bis es zu spät war.
All diese Scharmützel könnten sich aber ohnedies als irrelevant erweisen, wenn eine andere im Zuge des Prozesses zutage geförderte Bombe scharf wird: War der von der RLB 2011 gewährte Verjährungsverzicht überhaupt noch in Kraft, kurzum: Ist das Geschäft überhaupt noch einklagbar?
Es folgt der große Auftritt des ehemaligen Rechtsvertreters der RLB in dieser Causa: Äußerlich ebenso ein Anwalt von der Stange (allerdings mit dem altersbedingten Upgrade goldener Manschettenknöpfe), gefällt er sich verbal in der Rolle des „harten Jungen“. So schildert er nicht ohne Stolz, wie er die Gegenseite aus einer „Position der Stärke“ quasi allein aufgemischt hat: Als im September 2010 nämlich auch über einen etwaigen Verjährungsverzicht – die Stadt droht alternativ mit Klage – gesprochen wird, gibt er zu verstehen, dass dies wohl nur denkbar sei, wenn St. Pölten weiterhin seinen Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß nachkommt, und fügt dann markig hinzu: „Aber wenn die Stadt nur einmal ‚Pieps‘ macht, dann ist der Verjährungsverzicht weg!“ PENG! Da schlottern einem selbst heute noch die Knie, auch wenn man gar nicht dabei gewesen ist.
Der Verjährungsverzicht wird in Folge tatsächlich gewährt. Allerdings passiert nur knapp vier Monate später laut RLB auch der „Pieps“. Die Stadt zahlt eine Tranche nicht fristgerecht bzw. erfolgt die Bedeckung der Überweisung zu spät (ein bis dahin gültiger Automatismus zwischen Bank und Stadt kommt laut Stadt diesmal nicht zum Tragen – purer Zufall?!). Aus Sicht der Bank erlischt damit jedenfalls der Verjährungsverzicht. Dies hieße in weiterer Konsequenz aber, dass das Geschäft an sich gar nicht mehr einklagbar ist! Der Pieps hätte sich dann zu einem letalen Dauerton ausgewachsen, der das Ende aller Stadthoffnungen, aus dem Geschäft über den Rechtsweg auszusteigen, signalisieren könnte.
Allerdings wohl nur – womit wir zur Quadratur des Kreises kommen – wenn die RLB mit ihrer Grundargumentation durchkommt. Bekommt hingegen die Stadt recht, dass das Geschäft gar nicht rechtswirksam ist, hat sich wahrscheinlich auch die Diskussion um den Verjährungsverzicht erübrigt. Ein Geschäft, das sozusagen nicht existiert, kann einen solchen gar nicht haben.
Doppelmühle
Am Nachmittag wird diese pikante Frage allerdings wieder beiseite geschoben. Es geht um das Geschäft im Allgemeinen. Das Match lautet RLB Rechtsvertreter gegen Bürgermeister.
Dabei fährt der RLB-Anwalt eine Art Doppelstrategie. Zum einen möchte er nachweisen, dass die Stadt ganz genau wusste, welche Art von Hochrisikogeschäft sie da eingeht, weil sie ja schon in Vergangenheit Devisenoptionen, SWAP und Derivativgeschäfte abgewickelt hatte. Der Bürgermeister schätzt diese auf „ein paar Dutzend“. Wenn 20 noch als „ein paar“ durchgeht, so liegt er richtig – es waren 231.
Die andere, geradezu widersprüchlich wirkende Linie scheint dahingegen darauf abzuzielen, die Handelnden insofern zu diskreditieren, dass sie sich zwar den Anschein gaben, sie hätten den Durchblick, dem aber offensichtlich gar nicht so war. So interessiert sich die RLB sehr genau für die Kompetenz des obersten Finanzbeamten im Hinblick auf Derivativgeschäfte, und auch ein „Berater“ wird durchleuchtet. Als der Bürgermeister darauf verweist, dass dieser als ehemaliger Bankvorstand vor allem gut vernetzt sei, wirft der „Herr Rat“ ein: „Vielleicht hätten sie aber die Berater nicht danach auswählen sollen, welche Kontakte sie haben, sondern eher danach, welche Kompetenzen sie einbringen. Aber man kann natürlich auch den Bock zum Gärtner machen.“ Der Bürgermeister kontert mit dem Hinweis, dass man eben deshalb externes Know-how zugekauft habe – u. a. bei der RLB.
Auch die politische „Karte“ spielt der RLB-Anwalt subversiv und suggestiv aus: So ersetzte das neue Geschäft 2007 zwei alte, ins Minus geratene. Die Bank bezahlte dafür eine Upfront-Zahlung in Höhe von 1,5 Millionen Euro, womit das Minus der Vorgänger Geschäfte aus der Bilanz „getilgt“ war – eine Horuck-Reparatur unter Inkaufnahme eines höheren Risiken, um sich keine unbequemen Fragen im Gemeinderat gefallen lassen zu müssen, oder doch ein verantwortungsvoller Schritt, um die Geschäfte nicht noch weiter aus dem Ruder laufen zu lassen?
Ebenso schief ist die Optik angesichts des Umstandes, dass der Verjährungsverzicht just ein Jahr vor der nächsten Gemeinderatswahl 2011 eingebracht wurde – um die heiße Kartoffel erst nach geschlagener Wahl behandeln zu müssen?
Selbstredend liegen auch in diesen Themenkomplexen die Positionen meilenweit auseinander. Juristisch relevant dürften sie aber ohnedies nicht sein, denn selbst die wahre Motivation (ob nun Rettungsversuch oder Vertuschungsaktion) ändert nichts an der prinzipiellen Argumentationslogik der Stadt, dass sie das Geschäft gar nicht erst abgeschlossen hätte, wenn sie um die dahinter stehende Konstruktion Bescheid gewusst hätte. Worüber man freilich in jedem Fall aufgeklärt worden ist, wie ein vom Bürgermeister unterschriebenes Anlegerprofil belegt, war der explizite Hinweis seitens der RLB, dass bei derlei Geschäften „ein unlimitiertes Verlustrisiko, das über 100% des eingesetzten Kapitals hinausgehen kann, möglich ist.“
Dies ist der einzige Treffer, den der RLB Anwalt an diesem Nachmittag wirklich landet. Möglicherweise ein folgenschwerer. Dabei entbehrt es keiner gewissen Pikanterie, dass sich die RLB mit vielen ihrer Argumente gegen die Stadt stets auch selbst trifft, jedenfalls imagemäßig beschädigt. Zum einen ist offensichtlich, dass das angebotene Geschäft, wie es der „Herr Rat“ unverblümt formuliert, „ein Klumpert war“. Zum anderen – was die Stadt ihrerseits immer wieder ins Spiel bringt – habe sie ja eine prinzipielle Risikominimierung sämtlicher dieser Geschäfte nicht nur durch ein Riskolimit von 2% gewährleisten wollen (das aber seit 2008 durchgehend überschritten ist), sondern auch durch ein laufendes, begleitendes Risikomanagement – beauftragt war damit die RLB! Auch dieses hat im konkreten Fall des von der RLB selbst angebotenen Geschäftes (das in Wahrheit ein weiterverkauftes Merill Lynch Produkt war, wovon die Stadt nach eigener Darstellung nichts wusste) offensichtlich schwer versagt. Defintiv kein Renommee für das Bankinstitut.
Andererseits ist Renommee im Gerichtssaal keine Kategorie, und so endet ein langer Prozesstag vor allem mit zahlreicheren neu aufgeworfenen Fragen moralischer und politischer Natur. Ob diese auch juristisch relevant sind, ist eine andere Geschichte. Eine, die – wie der „Herr Rat“ schon jetzt befürchtet – einige Jahre in Anspruch nehmen wird.
Wie viele genau, darauf darf ab sofort – ganz ohne Risiko und Hintertür – gewettet werden. „SCHWEBEND UNWIRKSAM“ - AUS DER ANKLAGESCHRIFT
Die Klage der Stadt St. Pölten gegen die RLB baut auf mehreren Argumentationslinien auf und reicht von der fehlenden Genehmigung durch die Gemeindeaufsichtsbehörde über den Vorwurf der bewussten Irreführung bis hin zum Tatbestand des Wuchers. Ein kleines „Best Of“.
„Unwirksamkeit des Swap-Geschäftes wegen Fehlens der Genehmigung durch die Gemeindeaufsichtsbehörde.
[...] Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte der Stadt St. Pölten werden Dritten gegenüber erst mit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung rechtswirksam. Mangels Genehmigung entsteht keine Leistungspflicht und haftet die Stadt St. Pölten auch nicht für Schäden infolge Versagung der Genehmigung.
[...] Zivilrechtlich sind sie bis zum Vorliegen einer Genehmigung schwebend unwirksam. Die schwebende Unwirksamkeit endet, wenn feststeht, dass eine Genehmigung nicht mehr erzielt werden kann. Das ist gegenständlich der Fall: Das Geschäft war und ist nicht genehmigungsfähig, wie sich aus §76 Abs. 5 NÖ STROG ergibt: Es bestand insbesondere die Gefahr einer dauerhaften Schmälerung des Vermögens und einer übermäßigen Verschuldung. Damit steht fest, dass das Swap-Geschäft wegen fehlender aufsichtsbehördlicher Genehmigung endgültig rechtsunwirksam ist.“
„Unwirksamkeit wegen Wuchers“.
Die RLB habe u. a. „[...] die Unerfahrenheit mit exotischen Währungswettgeschäften sowie das bestehende besondere Vertrauensverhältnis zur beklagten Partei ausgenutzt“ Der Tatbestand sei „mangels hinreichender Treasury-Erfahrung/mangels finanzmathematischer Expertise“ gegeben.
„Anfechtung des Swap-Geschäftes wegen laesion enormis“ [Verkürzung über die Hälfte, Anm.]“ und wegen „List und Irrtum“
So seien folgende Punkte verschwiegen worden: „Eigentliche Struktur der Zinsbildungsformel; Negativer Marktwert; Besonderheiten des Swap-Geschäftes; Interessenskonflikt der RLB; Einräumung von Kreditlinien und Margepflicht.“
"Missachtung der „Wohlverhaltensregeln“, also „Gebot vollständiger und richtiger Information; Handeln im besten Sinne des Kunden; Verbot Geschäfte zu empfehlen, die den Interessen des Kunden nicht gerecht werden.“
Daher fordert die Stadt „Rückerstattung“: „Unwirksamkeit, aber auch die berechtigte Anfechtung des Geschäfts wegen List, Irrtums und laesio enormis des Geschäftes führt zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung.“
Am Nachmittag wird diese pikante Frage allerdings wieder beiseite geschoben. Es geht um das Geschäft im Allgemeinen. Das Match lautet RLB Rechtsvertreter gegen Bürgermeister.
Dabei fährt der RLB-Anwalt eine Art Doppelstrategie. Zum einen möchte er nachweisen, dass die Stadt ganz genau wusste, welche Art von Hochrisikogeschäft sie da eingeht, weil sie ja schon in Vergangenheit Devisenoptionen, SWAP und Derivativgeschäfte abgewickelt hatte. Der Bürgermeister schätzt diese auf „ein paar Dutzend“. Wenn 20 noch als „ein paar“ durchgeht, so liegt er richtig – es waren 231.
Die andere, geradezu widersprüchlich wirkende Linie scheint dahingegen darauf abzuzielen, die Handelnden insofern zu diskreditieren, dass sie sich zwar den Anschein gaben, sie hätten den Durchblick, dem aber offensichtlich gar nicht so war. So interessiert sich die RLB sehr genau für die Kompetenz des obersten Finanzbeamten im Hinblick auf Derivativgeschäfte, und auch ein „Berater“ wird durchleuchtet. Als der Bürgermeister darauf verweist, dass dieser als ehemaliger Bankvorstand vor allem gut vernetzt sei, wirft der „Herr Rat“ ein: „Vielleicht hätten sie aber die Berater nicht danach auswählen sollen, welche Kontakte sie haben, sondern eher danach, welche Kompetenzen sie einbringen. Aber man kann natürlich auch den Bock zum Gärtner machen.“ Der Bürgermeister kontert mit dem Hinweis, dass man eben deshalb externes Know-how zugekauft habe – u. a. bei der RLB.
Auch die politische „Karte“ spielt der RLB-Anwalt subversiv und suggestiv aus: So ersetzte das neue Geschäft 2007 zwei alte, ins Minus geratene. Die Bank bezahlte dafür eine Upfront-Zahlung in Höhe von 1,5 Millionen Euro, womit das Minus der Vorgänger Geschäfte aus der Bilanz „getilgt“ war – eine Horuck-Reparatur unter Inkaufnahme eines höheren Risiken, um sich keine unbequemen Fragen im Gemeinderat gefallen lassen zu müssen, oder doch ein verantwortungsvoller Schritt, um die Geschäfte nicht noch weiter aus dem Ruder laufen zu lassen?
Ebenso schief ist die Optik angesichts des Umstandes, dass der Verjährungsverzicht just ein Jahr vor der nächsten Gemeinderatswahl 2011 eingebracht wurde – um die heiße Kartoffel erst nach geschlagener Wahl behandeln zu müssen?
Selbstredend liegen auch in diesen Themenkomplexen die Positionen meilenweit auseinander. Juristisch relevant dürften sie aber ohnedies nicht sein, denn selbst die wahre Motivation (ob nun Rettungsversuch oder Vertuschungsaktion) ändert nichts an der prinzipiellen Argumentationslogik der Stadt, dass sie das Geschäft gar nicht erst abgeschlossen hätte, wenn sie um die dahinter stehende Konstruktion Bescheid gewusst hätte. Worüber man freilich in jedem Fall aufgeklärt worden ist, wie ein vom Bürgermeister unterschriebenes Anlegerprofil belegt, war der explizite Hinweis seitens der RLB, dass bei derlei Geschäften „ein unlimitiertes Verlustrisiko, das über 100% des eingesetzten Kapitals hinausgehen kann, möglich ist.“
Dies ist der einzige Treffer, den der RLB Anwalt an diesem Nachmittag wirklich landet. Möglicherweise ein folgenschwerer. Dabei entbehrt es keiner gewissen Pikanterie, dass sich die RLB mit vielen ihrer Argumente gegen die Stadt stets auch selbst trifft, jedenfalls imagemäßig beschädigt. Zum einen ist offensichtlich, dass das angebotene Geschäft, wie es der „Herr Rat“ unverblümt formuliert, „ein Klumpert war“. Zum anderen – was die Stadt ihrerseits immer wieder ins Spiel bringt – habe sie ja eine prinzipielle Risikominimierung sämtlicher dieser Geschäfte nicht nur durch ein Riskolimit von 2% gewährleisten wollen (das aber seit 2008 durchgehend überschritten ist), sondern auch durch ein laufendes, begleitendes Risikomanagement – beauftragt war damit die RLB! Auch dieses hat im konkreten Fall des von der RLB selbst angebotenen Geschäftes (das in Wahrheit ein weiterverkauftes Merill Lynch Produkt war, wovon die Stadt nach eigener Darstellung nichts wusste) offensichtlich schwer versagt. Defintiv kein Renommee für das Bankinstitut.
Andererseits ist Renommee im Gerichtssaal keine Kategorie, und so endet ein langer Prozesstag vor allem mit zahlreicheren neu aufgeworfenen Fragen moralischer und politischer Natur. Ob diese auch juristisch relevant sind, ist eine andere Geschichte. Eine, die – wie der „Herr Rat“ schon jetzt befürchtet – einige Jahre in Anspruch nehmen wird.
Wie viele genau, darauf darf ab sofort – ganz ohne Risiko und Hintertür – gewettet werden. „SCHWEBEND UNWIRKSAM“ - AUS DER ANKLAGESCHRIFT
Die Klage der Stadt St. Pölten gegen die RLB baut auf mehreren Argumentationslinien auf und reicht von der fehlenden Genehmigung durch die Gemeindeaufsichtsbehörde über den Vorwurf der bewussten Irreführung bis hin zum Tatbestand des Wuchers. Ein kleines „Best Of“.
„Unwirksamkeit des Swap-Geschäftes wegen Fehlens der Genehmigung durch die Gemeindeaufsichtsbehörde.
[...] Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte der Stadt St. Pölten werden Dritten gegenüber erst mit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung rechtswirksam. Mangels Genehmigung entsteht keine Leistungspflicht und haftet die Stadt St. Pölten auch nicht für Schäden infolge Versagung der Genehmigung.
[...] Zivilrechtlich sind sie bis zum Vorliegen einer Genehmigung schwebend unwirksam. Die schwebende Unwirksamkeit endet, wenn feststeht, dass eine Genehmigung nicht mehr erzielt werden kann. Das ist gegenständlich der Fall: Das Geschäft war und ist nicht genehmigungsfähig, wie sich aus §76 Abs. 5 NÖ STROG ergibt: Es bestand insbesondere die Gefahr einer dauerhaften Schmälerung des Vermögens und einer übermäßigen Verschuldung. Damit steht fest, dass das Swap-Geschäft wegen fehlender aufsichtsbehördlicher Genehmigung endgültig rechtsunwirksam ist.“
„Unwirksamkeit wegen Wuchers“.
Die RLB habe u. a. „[...] die Unerfahrenheit mit exotischen Währungswettgeschäften sowie das bestehende besondere Vertrauensverhältnis zur beklagten Partei ausgenutzt“ Der Tatbestand sei „mangels hinreichender Treasury-Erfahrung/mangels finanzmathematischer Expertise“ gegeben.
„Anfechtung des Swap-Geschäftes wegen laesion enormis“ [Verkürzung über die Hälfte, Anm.]“ und wegen „List und Irrtum“
So seien folgende Punkte verschwiegen worden: „Eigentliche Struktur der Zinsbildungsformel; Negativer Marktwert; Besonderheiten des Swap-Geschäftes; Interessenskonflikt der RLB; Einräumung von Kreditlinien und Margepflicht.“
"Missachtung der „Wohlverhaltensregeln“, also „Gebot vollständiger und richtiger Information; Handeln im besten Sinne des Kunden; Verbot Geschäfte zu empfehlen, die den Interessen des Kunden nicht gerecht werden.“
Daher fordert die Stadt „Rückerstattung“: „Unwirksamkeit, aber auch die berechtigte Anfechtung des Geschäfts wegen List, Irrtums und laesio enormis des Geschäftes führt zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung.“
CHRONOLOGIE EINES „TOXISCHEN GESCHÄFTES“
März 2003 Der Gemeinderat beschließt mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ (die Grünen enthalten sich) „grundsätzlich“ die Zulässigkeit von Derivativgeschäften zur Steuerung von Zins- und Wechselkursrisiken und zur Optimierung von Kreditkonditionen. Die den Derivativgeschäften zugrunde liegenden Nominalbeträge dürfen in Summe 50 Prozent des Schuldenstandes der Stadt nicht überschreiten.
März 2003 Der Gemeinderat beschließt mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ (die Grünen enthalten sich) „grundsätzlich“ die Zulässigkeit von Derivativgeschäften zur Steuerung von Zins- und Wechselkursrisiken und zur Optimierung von Kreditkonditionen. Die den Derivativgeschäften zugrunde liegenden Nominalbeträge dürfen in Summe 50 Prozent des Schuldenstandes der Stadt nicht überschreiten.
April 2003 Die Stadt St. Pölten schließt mit der Raiffeisen Landesbank Niederösterreich -Wien (RLB) einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte ab. In Folge schließt die Stadt St. Pölten mit der RLB sowie mit anderen Kreditinstituten mehrere Derivativgeschäfte ab.
Februar 2005 – Jänner 2006 Der Gemeinderat beschließt die Grenze für die den Derivativgeschäften zugrunde liegenden Nominalbeträge auf 75% des Schuldenstandes der Stadt zu erhöhen. Weiters wird ein Risikolimit eingezogen, wonach das Risiko maximal 2% des Betragslimits ausmachen darf.
Sommer 2007 Die Überwachung des Risikolimits wird der RLB, die schon bislang diverse Beratungsdienste erbracht hatte, entgeltlich übertragen. Die RLB übermittelt fortan regelmäßig Risikoreports.
Februar 2005 – Jänner 2006 Der Gemeinderat beschließt die Grenze für die den Derivativgeschäften zugrunde liegenden Nominalbeträge auf 75% des Schuldenstandes der Stadt zu erhöhen. Weiters wird ein Risikolimit eingezogen, wonach das Risiko maximal 2% des Betragslimits ausmachen darf.
Sommer 2007 Die Überwachung des Risikolimits wird der RLB, die schon bislang diverse Beratungsdienste erbracht hatte, entgeltlich übertragen. Die RLB übermittelt fortan regelmäßig Risikoreports.
September 2007 Die Stadt St. Pölten verhandelt mit der RLB über die Restrukturierung zweier mit der RLB abgeschlossener Derivatgeschäfte, die sich negativ entwickeln. Die Bank empfiehlt laut Stadt zwecks Risikominimierung auf eine Konstruktion mit langer Laufzeit umzusteigen. Das zu optimierende Grundgeschäft war – und ist – ein Kredit über EUR 23,9 Mio. bei der Deutschen Pfandbriefbank mit einer Laufzeit bis 2027. Die ungünstigen Derivativgeschäfte werden aufgelöst, stattdessen wird der nun gerichtsanhängige Swap am 21. September 2007 abgeschlossen, dessen Rechtswirksamkeit von der Stadt mittlerweile bezweifelt wird (siehe „Aus der Anklageschrift“, Seite 9).
Ab September 2007 Das Swap-Geschäft entwickelt sich für die Stadt negativ, bald werden die „Risikolimits“ überschritten. Es folgen diesbezüglich mehrere Gespräche zwischen Stadt und RLB. Laut Stadt empfiehlt die RLB eine neuerliche „Restrukturierung des Geschäfts“, was jedoch aufgrund des noch höheren Risikos abgelehnt wird.
Juni 2009 Treffen zwischen BGM Stadler und den RLB-Vorständen Hameseder und Karl. Laut Stadtdarstellung erklären „beide Bankvorstände, dass es unvorstellbar sei, dass der EUR/CHF-Kurs die kritische Marke von 1,4175 unterschreiten könnte. Sollte dies doch eintreten, hätte die RLB als niederösterreichische Landesbank noch keine NÖ-Gemeinde im Stich gelassen.“ Im Sommer 2011 lag der Kurs bei 1,02631. Im Sommer 2013 bei 1,2321.
Ab Herbst 2009 bis Sommer 2011 Weitere Verhandlungen auf Beamtenebene sowie zwischen Bürgermeister und Vorstand. Die RLB gibt einen Verjährungsverzicht ab. Die Situation verschärft sich weiter. Als die RLB einen weiteren Verjährungsverzicht ablehnt, lotet die Stadt rechtliche Optionen aus.
September 2011 Ein Sachverständigengutachten im Auftrag der Stadt St. Pölten kommt zu dem Schluss, dass der abgeschlossene Swap bei weitem riskanter sei als dargestellt, die RLB der Stadt sozusagen ein „völlig anderes Produkt verkauft hatte als vereinbart“. Verborgene Risiken würden die Summe des Grundgeschäfts von 23,9 Millionen Euro bei Weitem übersteigen. Zudem hätte die RLB eine Vorab-Provision von 860.000 Euro sowie die Investmentbank Merill Lynch einen Gewinn von 1,5 Millionen Euro erhalten.
Dezember 2011 Die Stadt St. Pölten bringt, vertreten von der Wiener Anwaltskanzlei Kraft & Winternitz, eine Klage gegen die RLB NÖ-Wien beim Handelsgericht Wien ein. Die Klage lautet auf Rückabwicklung des Geschäfts und Rückzahlung der von St. Pölten bis dahin an die Bank geleisteten EUR 2.055.805,79 (siehe „Aus der Anklageschrift“, Seite 9).
Sommer 2012 Die Stadt steigt aus sämtlichen Derivativgeschäften aus bzw. eliminiert aus diesen die Risiken (mit Ausnahme des gerichtsanhängigen Geschäfts).
11. September 2012 Erste Tagsatzung am Handelsgericht Wien unter Vorsitz von Richter Martin Ogris. Seither folgten zwei weitere Verhandlungstage, der nächste ist für 27. August 2013 anberaumt.
Interview MATTHIAS STADLER, Bürgermeister Stadt St. Pölten: „Wir sehen uns um Recht!“
Bürgermeister Stadler erklärt die Argumentationslinie der Stadt St. Pölten im Prozess gegen die Raiffeisen Landesbank – und weist die Vorwürfe der Opposition energisch zurück.
Bürgermeister Stadler erklärt die Argumentationslinie der Stadt St. Pölten im Prozess gegen die Raiffeisen Landesbank – und weist die Vorwürfe der Opposition energisch zurück.
Die Stadt St. Pölten klagt die Raiffeisen Landesbank (RLB), um ein Derivativgeschäft aus dem Jahr 2007 für nichtig erklären zu lassen. Gibt es noch die Möglichkeit eines außergerichtlichen Vergleichs?
Grundsätzlich ist die Stadt immer zu vernünftigen Gesprächen bereit und ausschließen kann man das daher nicht. Wir haben bis Dezember 2011 intensiv verhandelt. Raiffeisen hat zuletzt jedoch signalisiert vorerst keine weiteren Gespräche führen zu wollen. Wir sehen uns im Recht.
Grundsätzlich ist die Stadt immer zu vernünftigen Gesprächen bereit und ausschließen kann man das daher nicht. Wir haben bis Dezember 2011 intensiv verhandelt. Raiffeisen hat zuletzt jedoch signalisiert vorerst keine weiteren Gespräche führen zu wollen. Wir sehen uns im Recht.
Die ÖVP wirft Ihnen vor, dass die Stadt im Jahr 2007 zwei SWAP-Geschäfte geschlossen hat und die daraus entstehenden Schließungskosten von 1,5 Mio. Euro durch eine Upfront-Zahlung in etwa der gleichen Höhe aus dem heute beklagten Geschäft ausgeglichen wurde. So sei der Verlust aus den alten Geschäften durch die neue Upfront-Zahlung versteckt worden.
Das stimmt so überhaupt nicht: Aus dem seit 2003 bestehenden Geschäft hat ein Verlust gedroht. Auf Empfehlung der Bank wurden zwei Geschäfte aus dem Jahr 2003, die Verluste gebracht hatten, zu dem jetzt fraglichen Geschäft umstrukturiert. Die Upfront-Zahlung aus diesem Geschäft wurde zur Schließung der alten Geschäfte verwendet. Das wurde völlig transparent abgewickelt, der Gemeinderat und daher alle Fraktionen waren darüber informiert und haben die Berichte zustimmend zur Kenntnis genommen. Herr Mag. Greimel [RLB-Verkäufer, Anm.] hat mir bei der Eröffnung der FH St. Pölten persönlich gesagt, dass der SWAP umstrukturiert worden ist und der Stadt kein Schaden entstanden sei. Das war der Vorschlag der Bank und wie wir heute wissen war es kein Exit, sondern eine Verschlimmerung der Situation. Also ein klarer Beratungsfehler der Bank.
Das stimmt so überhaupt nicht: Aus dem seit 2003 bestehenden Geschäft hat ein Verlust gedroht. Auf Empfehlung der Bank wurden zwei Geschäfte aus dem Jahr 2003, die Verluste gebracht hatten, zu dem jetzt fraglichen Geschäft umstrukturiert. Die Upfront-Zahlung aus diesem Geschäft wurde zur Schließung der alten Geschäfte verwendet. Das wurde völlig transparent abgewickelt, der Gemeinderat und daher alle Fraktionen waren darüber informiert und haben die Berichte zustimmend zur Kenntnis genommen. Herr Mag. Greimel [RLB-Verkäufer, Anm.] hat mir bei der Eröffnung der FH St. Pölten persönlich gesagt, dass der SWAP umstrukturiert worden ist und der Stadt kein Schaden entstanden sei. Das war der Vorschlag der Bank und wie wir heute wissen war es kein Exit, sondern eine Verschlimmerung der Situation. Also ein klarer Beratungsfehler der Bank.
Vor Gericht haben Sie ausgesagt, dass Ihnen ein von der RLB ausgefülltes Anlegerprofil vorgelegt wurde, in welchem Sie bestätigen mussten, dass die Stadt bereit sei ein „unlimitiertes Verlustrisiko über den Kapitaleinsatz hinausgehend“ einzugehen. Steht diese Risikobereitschaft nicht im Widerspruch zu den Rahmenbedingungen des Gemeinderats-Grundsatzbeschlusses für derartige Geschäfte – welcher ja Risikolimits vorsah?
Das Anlegerprofil wurde nach dem Zustandekommen des Geschäftes von der Bank verlangt. Wenn ich es nicht unterschrieben hätte, wäre das Geschäft sofort fällig gestellt worden und wir hätten einen Verlust sofort realisiert. Mir wurde also geraten, das zu unterschreiben, weil wir sonst keine Aussicht mehr auf eine Verbesserung der Lage gehabt hätten. Vor allem hat die Bank auch versichert, dass sich der negative Barwert sehr bald ändern wird. Im Übrigen unterschreibt jeder Häuslbauer, der sich einen Schweizer Franken-Kredit nimmt, ein ähnliches Papier. Das heißt aber noch lange nicht, dass man ein unbegrenztes Risiko akzeptiert, wie es in diesem Geschäft versteckt war.
Das Anlegerprofil wurde nach dem Zustandekommen des Geschäftes von der Bank verlangt. Wenn ich es nicht unterschrieben hätte, wäre das Geschäft sofort fällig gestellt worden und wir hätten einen Verlust sofort realisiert. Mir wurde also geraten, das zu unterschreiben, weil wir sonst keine Aussicht mehr auf eine Verbesserung der Lage gehabt hätten. Vor allem hat die Bank auch versichert, dass sich der negative Barwert sehr bald ändern wird. Im Übrigen unterschreibt jeder Häuslbauer, der sich einen Schweizer Franken-Kredit nimmt, ein ähnliches Papier. Das heißt aber noch lange nicht, dass man ein unbegrenztes Risiko akzeptiert, wie es in diesem Geschäft versteckt war.
Die ÖVP wirft Ihnen vor, dass Sie den Gremien zum Thema Schuldenbewirtschaftung und Derivativgeschäfte bis heute nicht transparent, vollständig und wahrheitsgemäß berichten. Der tatsächliche Verlauf der Schuldenbewirtschaftung sei den Gremien gar nicht zur Kenntnis gebracht worden, daher hätten sie auch nicht politisch reagieren können. Warum verweigern Sie angesichts derartiger Vorwürfe einen expliziten Untersuchungsausschuss zu diesem Thema?
Dieser Vorwurf geht ins Leere. Es wurde vierteljährlich abwechselnd im Gemeinderat und im Finanzausschuss berichtet. Die Berichte liegen auf. Dort wurden auch die Fragen beantwortet, soweit wir damals Kenntnis hatten. Zudem gibt es zwei Kontrollamtsberichte. Es gibt insgesamt drei Ausschüsse, den Kontrollausschuss, den Rechtsausschuss – sie werden von der ÖVP geführt – und den Finanzausschuss. Ein zusätzlicher Ausschuss würde nichts bringen, weil ja in den bestehenden Ausschüssen ohnehin alle Möglichkeiten offenstehen. Zudem verweise ich darauf, dass auch der Anwalt der Stadt den Gemeinderat sehr ausführlich vor der Einbringung der Klage informiert hat. Zudem sitzen der Raiffeisen-Angestellte Gemeinderat Mag. Wagner und Herr Stadtrat Krammer in jeder Gerichtverhandlung und schreiben sich jedes Detail auf. Die jetzigen Forderungen der ÖVP sind eine durchsichtige Inszenierung und ich frage mich: Auf welcher Seite steht die ÖVP? Auf der von Raiffeisen? Ich stehe jedenfalls wie immer auf der Seite der St. Pöltner Bürgerinnen und Bürger und der Stadt!
Dieser Vorwurf geht ins Leere. Es wurde vierteljährlich abwechselnd im Gemeinderat und im Finanzausschuss berichtet. Die Berichte liegen auf. Dort wurden auch die Fragen beantwortet, soweit wir damals Kenntnis hatten. Zudem gibt es zwei Kontrollamtsberichte. Es gibt insgesamt drei Ausschüsse, den Kontrollausschuss, den Rechtsausschuss – sie werden von der ÖVP geführt – und den Finanzausschuss. Ein zusätzlicher Ausschuss würde nichts bringen, weil ja in den bestehenden Ausschüssen ohnehin alle Möglichkeiten offenstehen. Zudem verweise ich darauf, dass auch der Anwalt der Stadt den Gemeinderat sehr ausführlich vor der Einbringung der Klage informiert hat. Zudem sitzen der Raiffeisen-Angestellte Gemeinderat Mag. Wagner und Herr Stadtrat Krammer in jeder Gerichtverhandlung und schreiben sich jedes Detail auf. Die jetzigen Forderungen der ÖVP sind eine durchsichtige Inszenierung und ich frage mich: Auf welcher Seite steht die ÖVP? Auf der von Raiffeisen? Ich stehe jedenfalls wie immer auf der Seite der St. Pöltner Bürgerinnen und Bürger und der Stadt!
Mit welcher Argumentation der Stadt soll das beklagte Geschäft für nichtig erklärt werden? Weshalb hätte das Geschäft aus Sicht der Stadt gar nicht erst abgeschlossen werden dürfen?
Ein Grund ist, dass das Geschäft in dieser Form von der Aufsichtsbehörde genehmigt hätte werden müssen. Es wäre die Aufgabe auch von Raiffeisen gewesen, sich darum zu kümmern. Weiters wurde verschwiegen, dass hinter dem Geschäft 67 Optionen stehen. Wir wussten das ja lange Zeit gar nicht und hätten das nicht akzeptiert. Somit ist das Geschäft niemals rechtswirksam zustande gekommen. Für eine Bank gilt zudem eine besondere Sorgfaltspflicht. Sie muss den Kunden beim Abschluss eines solchen Geschäftes auf denselben Wissenstand bringen, den sie selbst hat. Das hat sie bis heute nicht getan, weil das Geschäft noch immer nicht offengelegt ist. Wer nichts zu verbergen hat, kann das Geschäft ja offenlegen, darauf hat jeder Kunde Anspruch. Sie hat zudem das Risiko verschwiegen und auch die Tatsache, dass das Geschäft von Anfang an um 3,7 Mio. Euro im Minus war. Das Geschäft hat also in keiner Weise, den Anforderungen entsprochen, die wir wollten. Hätten wir den wahren Hintergrund des Geschäftes gekannt, hätten wir das Geschäft niemals abgeschlossen. Zudem kannte die Bank unsere Richtlinien und Limits, weil sie an der Beschlussfassung im Gemeinderat in beratender Weise maßgeblich beteiligt war. Sie war auch mit dem Risikomanagement beauftragt und hätte uns darauf hinweisen müssen, dass dieses Geschäft nicht den Vorgaben entspricht. Offen ist für mich, ob die Bank vielleicht selbst nicht gewusst hat, was sie uns da verkauft. Der Chefverkäufer der Bank, Mag. Greimel, hat das vor Gericht sogar eingestanden, damit ist die Sachlage klar.
Ein Grund ist, dass das Geschäft in dieser Form von der Aufsichtsbehörde genehmigt hätte werden müssen. Es wäre die Aufgabe auch von Raiffeisen gewesen, sich darum zu kümmern. Weiters wurde verschwiegen, dass hinter dem Geschäft 67 Optionen stehen. Wir wussten das ja lange Zeit gar nicht und hätten das nicht akzeptiert. Somit ist das Geschäft niemals rechtswirksam zustande gekommen. Für eine Bank gilt zudem eine besondere Sorgfaltspflicht. Sie muss den Kunden beim Abschluss eines solchen Geschäftes auf denselben Wissenstand bringen, den sie selbst hat. Das hat sie bis heute nicht getan, weil das Geschäft noch immer nicht offengelegt ist. Wer nichts zu verbergen hat, kann das Geschäft ja offenlegen, darauf hat jeder Kunde Anspruch. Sie hat zudem das Risiko verschwiegen und auch die Tatsache, dass das Geschäft von Anfang an um 3,7 Mio. Euro im Minus war. Das Geschäft hat also in keiner Weise, den Anforderungen entsprochen, die wir wollten. Hätten wir den wahren Hintergrund des Geschäftes gekannt, hätten wir das Geschäft niemals abgeschlossen. Zudem kannte die Bank unsere Richtlinien und Limits, weil sie an der Beschlussfassung im Gemeinderat in beratender Weise maßgeblich beteiligt war. Sie war auch mit dem Risikomanagement beauftragt und hätte uns darauf hinweisen müssen, dass dieses Geschäft nicht den Vorgaben entspricht. Offen ist für mich, ob die Bank vielleicht selbst nicht gewusst hat, was sie uns da verkauft. Der Chefverkäufer der Bank, Mag. Greimel, hat das vor Gericht sogar eingestanden, damit ist die Sachlage klar.
Warum hat die Stadt das Geschäft nicht der Gemeindeaufsicht vorgelegt?
Das Geschäft hätte der Gemeindeaufsicht vorgelegt werden müssen, da wir aber die tatsächliche Identität des Geschäfts – 67 dahinterstehende Optionen – nicht gekannt haben, ist das nicht geschehen. Unabhängig davon hätte sich die RLB selbst darüber kundig machen müssen, ob das Geschäft durch entsprechende Beschlüsse und Genehmigungen erlaubt ist, wie laut §867 ABGB. Sie hätte die Pflicht gehabt, den maßgeblichen Sachverhalt offen zu legen, was bis heute nicht geschah.
Das Geschäft hätte der Gemeindeaufsicht vorgelegt werden müssen, da wir aber die tatsächliche Identität des Geschäfts – 67 dahinterstehende Optionen – nicht gekannt haben, ist das nicht geschehen. Unabhängig davon hätte sich die RLB selbst darüber kundig machen müssen, ob das Geschäft durch entsprechende Beschlüsse und Genehmigungen erlaubt ist, wie laut §867 ABGB. Sie hätte die Pflicht gehabt, den maßgeblichen Sachverhalt offen zu legen, was bis heute nicht geschah.
Weshalb haben Sie mit der RLB im Jahr 2010 einen Verjährungsverzicht angestrebt und auch unterschrieben, wenn Sie doch nach einer Laufzeit von knapp drei Jahren bereits die massiv negative Performance des Geschäfts kannten und bereits damals eine Anfechtung des Geschäftes vor Gericht hätten einbringen können – anstatt das Problemgeschäft weiter laufen zu lassen?
Von Raiffeisen wurden wir immer wieder beruhigt und die Schieflage mit der allgemeinen Finanzkrise begründet. Es wurde empfohlen nicht auszusteigen, sondern zu warten, bis sich die Lage bessert. Falls ein Verlust eintritt, kann man sich mit einem Verjährungsverzicht und der Aufteilung der Verluste behelfen, bis eine Stabilisierung des Finanzmarktes eintritt, wurde argumentiert. Wir waren zum damaligen Zeitpunkt auf eine Klage bereits vorbereitet. Der Ausstieg war nicht möglich, weil wir dann den Verlust realisiert hätten – die Bank hat uns den Ausstieg auch nicht empfohlen.
Von Raiffeisen wurden wir immer wieder beruhigt und die Schieflage mit der allgemeinen Finanzkrise begründet. Es wurde empfohlen nicht auszusteigen, sondern zu warten, bis sich die Lage bessert. Falls ein Verlust eintritt, kann man sich mit einem Verjährungsverzicht und der Aufteilung der Verluste behelfen, bis eine Stabilisierung des Finanzmarktes eintritt, wurde argumentiert. Wir waren zum damaligen Zeitpunkt auf eine Klage bereits vorbereitet. Der Ausstieg war nicht möglich, weil wir dann den Verlust realisiert hätten – die Bank hat uns den Ausstieg auch nicht empfohlen.
Wird man in Hinkunft weitere Geschäfte mit der RLB, von der man sich betrogen fühlt, abschließen?
Diese Frage ist berechtigt. Finanzgeschäfte müssen ausgeschrieben werden und die Vergabe erfolgt nach dem Ergebnis dieser Ausschreibung. Wir machen keine „Zinsabsicherungsgeschäfte“ mehr und wir haben auch seit der Finanzkrise keine neuen abgeschlossen. Wir sind sogar aus den Veranlagungen ausgestiegen, auch aus denen mit Raiffeisen – bis auf das klagsanhängige – und das wurde von der ÖVP kritisiert. Im Übrigen habe ich als Bürgermeister die notwendigen Schritte eingeleitet, damit wir das Risiko gänzlich beseitigen. Die ÖVP war bekanntlich dagegen, ist aus der Sitzung ausgezogen und hat sich damit der Verantwortung entzogen.
Diese Frage ist berechtigt. Finanzgeschäfte müssen ausgeschrieben werden und die Vergabe erfolgt nach dem Ergebnis dieser Ausschreibung. Wir machen keine „Zinsabsicherungsgeschäfte“ mehr und wir haben auch seit der Finanzkrise keine neuen abgeschlossen. Wir sind sogar aus den Veranlagungen ausgestiegen, auch aus denen mit Raiffeisen – bis auf das klagsanhängige – und das wurde von der ÖVP kritisiert. Im Übrigen habe ich als Bürgermeister die notwendigen Schritte eingeleitet, damit wir das Risiko gänzlich beseitigen. Die ÖVP war bekanntlich dagegen, ist aus der Sitzung ausgezogen und hat sich damit der Verantwortung entzogen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, falls der Richter den Prozess wegen Verjährung schließt?
Das war beim letzten Verhandlungstag kein Thema mehr. Ich gehe davon aus, dass der Prozess in die zweite Instanz geht, dann allenfalls sogar in die dritte Instanz. Das dauert mutmaßlich ein bis drei Jahre. Theoretisch ist bei jedem Schritt auch eine Rückverweisung an die erste Instanz möglich. Interview PETER F. KRAMMER, Klubobmann ÖVP St. Pölten: „Stadler trägt Verantwortung!“
Das war beim letzten Verhandlungstag kein Thema mehr. Ich gehe davon aus, dass der Prozess in die zweite Instanz geht, dann allenfalls sogar in die dritte Instanz. Das dauert mutmaßlich ein bis drei Jahre. Theoretisch ist bei jedem Schritt auch eine Rückverweisung an die erste Instanz möglich. Interview PETER F. KRAMMER, Klubobmann ÖVP St. Pölten: „Stadler trägt Verantwortung!“
Wird St. Pölten im Prozess gegen RLB gewinnen?
Wir haben gute Chancen, dass der Richter das Geschäft für nichtig erklärt, weil die Bank die Stadt nicht im Detail über das Geschäft aufgeklärt hat. Die RLB wusste, dass der Gemeinderat Grundlagen für derartige Geschäfte beschlossen hatte und dass das beklagte Geschäft mit diesen Grundlagen nicht vereinbar war. Es wurde im September 2007 abgeschlossen, im Dezember war man erstmals über dem vom Gemeinderat vorgegebenem Risikolimit von zwei Prozent des Stadtbudgets. Aus diesem Grund hätte die RLB damals die sofortige Schließung empfehlen müssen und wir hätten uns viel Schaden erspart.
Wir haben gute Chancen, dass der Richter das Geschäft für nichtig erklärt, weil die Bank die Stadt nicht im Detail über das Geschäft aufgeklärt hat. Die RLB wusste, dass der Gemeinderat Grundlagen für derartige Geschäfte beschlossen hatte und dass das beklagte Geschäft mit diesen Grundlagen nicht vereinbar war. Es wurde im September 2007 abgeschlossen, im Dezember war man erstmals über dem vom Gemeinderat vorgegebenem Risikolimit von zwei Prozent des Stadtbudgets. Aus diesem Grund hätte die RLB damals die sofortige Schließung empfehlen müssen und wir hätten uns viel Schaden erspart.
Warum wurde das Geschäft nicht geschlossen?
Im März 2008 hat Bürgermeister Stadler ein RLB-Formular zur „Risikoanalyse“ unterschrieben. Damit hat er bestätigt, dass die Stadt bereit sei ein „unlimitiertes Verlustrisiko“ zu tragen – das war eindeutig nicht mit dem Grundlagenbeschluss des Gemeinderats vereinbar. Damals war das beklagte Geschäft bereits mit neun Millionen Euro im Minus, vielleicht hat man sich nicht getraut den Verlust zu realisieren. Der Markt war volatil, im Juni war das Minus etwa „nur“ drei Millionen. Jedenfalls hätte die RLB eine Vorsorgepflicht gehabt, die Stadt als ihren Kunden diesbezüglich bestmöglich zu beraten.
Im März 2008 hat Bürgermeister Stadler ein RLB-Formular zur „Risikoanalyse“ unterschrieben. Damit hat er bestätigt, dass die Stadt bereit sei ein „unlimitiertes Verlustrisiko“ zu tragen – das war eindeutig nicht mit dem Grundlagenbeschluss des Gemeinderats vereinbar. Damals war das beklagte Geschäft bereits mit neun Millionen Euro im Minus, vielleicht hat man sich nicht getraut den Verlust zu realisieren. Der Markt war volatil, im Juni war das Minus etwa „nur“ drei Millionen. Jedenfalls hätte die RLB eine Vorsorgepflicht gehabt, die Stadt als ihren Kunden diesbezüglich bestmöglich zu beraten.
Heute kritisieren Sie den Bürgermeister heftig, früher waren Sie auch für die Geschäfte.
Schuldenbewirtschaftung ist an sich eine gute Sache. Es war aber auch richtig, dass der Gemeinderat ein Risikolimit eingezogen hat. Stadler hätte nur zeitgerecht und offen sagen müssen, was Sache ist – und wir hätten gemeinsam mit ihm eine Lösung gesucht und auch ein Minus mitgetragen, wenn wir das Geschäft geschlossen hätten. Dazu hat ihm der politische Mut gefehlt. Er hätte auch schon innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist nach Abschluss des Geschäftes auf Nichtigkeit klagen sollen. Doch dann wäre die Klage wohl vor der Gemeinderatswahl 2011 zum heißen Thema geworden.
Schuldenbewirtschaftung ist an sich eine gute Sache. Es war aber auch richtig, dass der Gemeinderat ein Risikolimit eingezogen hat. Stadler hätte nur zeitgerecht und offen sagen müssen, was Sache ist – und wir hätten gemeinsam mit ihm eine Lösung gesucht und auch ein Minus mitgetragen, wenn wir das Geschäft geschlossen hätten. Dazu hat ihm der politische Mut gefehlt. Er hätte auch schon innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist nach Abschluss des Geschäftes auf Nichtigkeit klagen sollen. Doch dann wäre die Klage wohl vor der Gemeinderatswahl 2011 zum heißen Thema geworden.
Wechseln Sie damit nicht politisches Kleingeld?
Man wird den Bürgermeister wohl noch nach der Wahrheit fragen dürfen?! Wir wollen alles in einem Untersuchungsausschuss klären, immerhin bleibt uns die SPÖ im Finanzausschuss und im Gemeinderat bis heute Antworten schuldig. Uns wurde immer gesagt, dass alles paletti sei. Und bei guten Zahlen fragt man halt auch nicht so intensiv nach. Wir haben der Finanzverwaltung geglaubt, doch das hat sich mittlerweile geändert, die Darstellungen waren immer geschönt. Mit Upfront-Zahlungen aus neuen Geschäften hat man das Minus aus schief gegangenen Geschäften verschleiert, jedes Loch wurde mit einem neuen, riskanten Geschäft, gestopft.
Man wird den Bürgermeister wohl noch nach der Wahrheit fragen dürfen?! Wir wollen alles in einem Untersuchungsausschuss klären, immerhin bleibt uns die SPÖ im Finanzausschuss und im Gemeinderat bis heute Antworten schuldig. Uns wurde immer gesagt, dass alles paletti sei. Und bei guten Zahlen fragt man halt auch nicht so intensiv nach. Wir haben der Finanzverwaltung geglaubt, doch das hat sich mittlerweile geändert, die Darstellungen waren immer geschönt. Mit Upfront-Zahlungen aus neuen Geschäften hat man das Minus aus schief gegangenen Geschäften verschleiert, jedes Loch wurde mit einem neuen, riskanten Geschäft, gestopft.
Wie kann es sein, dass Sie davon keine Kenntnis hatten? Es wurde im Finanzausschuss und im Gemeinderat berichtet, Sie haben mitgestimmt?!
Mitgestimmt haben wir nur bei fünf Grundsatzbeschlüssen, der letzte erfolgte im Jänner 2006 im Gemeinderat und räumte dem Bürgermeister generell das Recht ein, Geschäfte abzuschließen. Einzelnen Geschäften haben wir nie zugestimmt! Aber ich gebe zu, dass wir zu blauäugig waren. Im Lichte dessen, was wir heute wissen, hätten wir schon in den letzten Monaten viel mehr nachfragen müssen. Schon bald werden wir Kontroll- und Rechtsausschuss damit befassen. Aber zuvor müssten wir uns in monatelanger Sisyphus-Arbeit durch 213 Geschäfte arbeiten um einen Durchblick zu bekommen.
Mitgestimmt haben wir nur bei fünf Grundsatzbeschlüssen, der letzte erfolgte im Jänner 2006 im Gemeinderat und räumte dem Bürgermeister generell das Recht ein, Geschäfte abzuschließen. Einzelnen Geschäften haben wir nie zugestimmt! Aber ich gebe zu, dass wir zu blauäugig waren. Im Lichte dessen, was wir heute wissen, hätten wir schon in den letzten Monaten viel mehr nachfragen müssen. Schon bald werden wir Kontroll- und Rechtsausschuss damit befassen. Aber zuvor müssten wir uns in monatelanger Sisyphus-Arbeit durch 213 Geschäfte arbeiten um einen Durchblick zu bekommen.
Wenige Tage vor der letzten Verhandlung brachten Sie die Zahl der 213 Geschäfte erstmals vor. Kurz darauf hat der RLB-Anwalt die gleiche Zahl errechnet. Da könnte man vermuten, dass Sie diese Information vielleicht im Vorfeld von Raiffeisen hatten? Zudem ist Anton Wagner, der ÖVP-Vorsitzende im Kontrollausschuss, bei Raiffeisen angestellt – keine günstige Optik.
Ich schwöre jeden Eid, dass es keinerlei Kontakt zwischen der RLB und uns gibt. Aber wir wissen natürlich um die Gefahr, dass man uns in diese Gasse setzt. Unsere Linie ist klar: Wir stehen auf Seiten der Stadt St. Pölten. Die RLB soll für das Geschäft zahlen, keine Frage! Aber der Bürgermeister hat das Regelwerk des Gemeinderatsbeschlusses nicht eingehalten, dafür muss er die politische Verantwortung tragen. Und sollte mir jemand öffentlich vorwerfen, ich würde auf Seiten der Bank stehen, dann wäre das meiner Meinung nach der Vorwurf unehrenhaften Verhaltens – den würde ich sofort klagen!
Ich schwöre jeden Eid, dass es keinerlei Kontakt zwischen der RLB und uns gibt. Aber wir wissen natürlich um die Gefahr, dass man uns in diese Gasse setzt. Unsere Linie ist klar: Wir stehen auf Seiten der Stadt St. Pölten. Die RLB soll für das Geschäft zahlen, keine Frage! Aber der Bürgermeister hat das Regelwerk des Gemeinderatsbeschlusses nicht eingehalten, dafür muss er die politische Verantwortung tragen. Und sollte mir jemand öffentlich vorwerfen, ich würde auf Seiten der Bank stehen, dann wäre das meiner Meinung nach der Vorwurf unehrenhaften Verhaltens – den würde ich sofort klagen!
Wäre es für SPÖ und ÖVP nicht im Sinne der Bürger möglich doch aufeinander zuzugehen?
Wir können erst dann zu einem negativen Verlauf der Schuldenbewirtschaftung stehen und diese mittragen, wenn die Unzulänglichkeiten der Vergangenheit auf den Tisch kommen. Doch bis heute stellt der Bürgermeister Punkte falsch dar. Ich behaupte sogar, dass er sich nicht an die gesetzlichen Rahmenbedingungen hält, etwa bei einem am 25. Juni 2012 abgeschlossenen Geschäft zur Währungsabsicherung mit der Barclays Bank, über das wir Aufklärung fordern! Somit nehme ich auch in Kauf, dass die Stimmung zwischen uns in nächster Zeit wohl nicht herzlicher werden wird. Interview RAIFFEISEN LANDESBANK WIEN NIEDERÖSTERREICH: „Grundsätzlich andere Auffassung.“
Selbstverständlich hat MFG auch die RLB um ein Interview gebeten. Die Beantwortung folgender Fragen hätte uns interessiert:
Wir können erst dann zu einem negativen Verlauf der Schuldenbewirtschaftung stehen und diese mittragen, wenn die Unzulänglichkeiten der Vergangenheit auf den Tisch kommen. Doch bis heute stellt der Bürgermeister Punkte falsch dar. Ich behaupte sogar, dass er sich nicht an die gesetzlichen Rahmenbedingungen hält, etwa bei einem am 25. Juni 2012 abgeschlossenen Geschäft zur Währungsabsicherung mit der Barclays Bank, über das wir Aufklärung fordern! Somit nehme ich auch in Kauf, dass die Stimmung zwischen uns in nächster Zeit wohl nicht herzlicher werden wird. Interview RAIFFEISEN LANDESBANK WIEN NIEDERÖSTERREICH: „Grundsätzlich andere Auffassung.“
Selbstverständlich hat MFG auch die RLB um ein Interview gebeten. Die Beantwortung folgender Fragen hätte uns interessiert:
Als beklagte Partei haben Sie immer betont sich in einer sehr „starken“ Position zu wissen. Haben Sie derzeit Interesse an einem außergerichtlichen Vergleich und wenn ja, wie würden Sie die Chancen für eine Einigung diesbezüglich sehen?
Im Laufe des Prozesses wurde die hinter dem beklagten Geschäft liegende Konstruktion bekannt (67 Einzelgeschäfte, ein mögliches Nominale von 400 Millionen Euro, etc). Wieso wurde der Kunde nicht im Vorfeld über die exakte Konstruktion des Geschäfts informiert, wie die Stadt St. Pölten im Prozess anführt?
Wofür genau wurde im Rahmen des beklagten Geschäfts die Upfront-Zahlung gewährt? Waren daran etwaige höhere Risiken geknüpft?
Weshalb schloss die RLB im Herbst 2010 mit St. Pölten einen Verjährungsverzicht bezüglich des strittigen Geschäfts?
Die Stadt St. Pölten übertrug das Risikomanagement der Derivativgeschäfte an die RLB. Hätte das Raiffeisen-Risikomanagement bezüglich des beklagten Geschäftes den Kunden nicht warnen müssen? Ergibt sich durch die gewählte Konstruktion (Geschäftsabschluss und Risikomanagement) nicht ein Interessenskonflikt innerhalb der Raiffeisen-Gruppe?
Die RLB wurde von mehreren Körperschaften in ähnlichen Fällen geklagt. Fürchtet die RLB um ihren Ruf, insbesondere bei der Finanzierung von Gemeinden und öffentlichen Körperschaften?
Als Antwort erhielten wir von Pressesprecherin Michaela Stefan folgendes Statement: „Wir vertreten in der Sache eine grundsätzlich andere Rechtsauffassung als die Stadt St. Pölten, nun hat das Gericht die Sache zu beurteilen. Zu Ihrer Frage 6 stellen wir fest, dass es nur zwei weitere Klagen gibt, wobei bei einem Verfahren bereits ein unterschriftsreifer Vergleich ausverhandelt ist. (Anmerkung der Redaktion: Vergleichsgespräche führte die RLB mit mehreren Gemeinden. So berichtete „Die Presse“ am 11.09.12: „Angaben der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien zufolge gab es mit 16 Gemeinden Vergleichsgespräche, davon konnte man bereits einige abschließen. Warum St. Pölten und Bruck an der Leitha kein Vergleich angeboten wird, wollte die Banksprecherin nicht sagen. Auch zu Gerüchten, dass sich Raiffeisen lieber mit ÖVP-Gemeinden einigen würde, wollte sie sich nicht äußern.“)
Als Antwort erhielten wir von Pressesprecherin Michaela Stefan folgendes Statement: „Wir vertreten in der Sache eine grundsätzlich andere Rechtsauffassung als die Stadt St. Pölten, nun hat das Gericht die Sache zu beurteilen. Zu Ihrer Frage 6 stellen wir fest, dass es nur zwei weitere Klagen gibt, wobei bei einem Verfahren bereits ein unterschriftsreifer Vergleich ausverhandelt ist. (Anmerkung der Redaktion: Vergleichsgespräche führte die RLB mit mehreren Gemeinden. So berichtete „Die Presse“ am 11.09.12: „Angaben der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien zufolge gab es mit 16 Gemeinden Vergleichsgespräche, davon konnte man bereits einige abschließen. Warum St. Pölten und Bruck an der Leitha kein Vergleich angeboten wird, wollte die Banksprecherin nicht sagen. Auch zu Gerüchten, dass sich Raiffeisen lieber mit ÖVP-Gemeinden einigen würde, wollte sie sich nicht äußern.“)