MFG - Hoffen wir am besten auf ein Wunder
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St. Pöltens gute Seite

Hoffen wir am besten auf ein Wunder

Text Michael Müllner
Ausgabe 06/2013
Auch wenn die Causa nicht neu und das Thema komplex ist, mit dem Streit um die Schuldenbewirtschaftung der Stadt St. Pölten sollten sich die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen. Zum einen geht es um ihr Geld, zum anderen zeigt es hautnah – in der eigenen Gemeinde! – was Sache ist. Der Kabarettist Josef Hader scherzte: „Der Dumme schimpft auf das, was weit weg ist.“ Auf die bösen Bankmanager in der Wallstreet. Auf die fernen Politiker in Brüssel und Washington. Umso spannender ist der Blick in den eigenen Hinterhof.

DER PROZESS. Martin Ogris ist Richter am Handelsgericht Wien. Er wird entscheiden, ob die Stadt St. Pölten oder die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien als strahlender Sieger aus der Klage hervorgeht. Bis wann und wie er entscheidet, weiß heute wohl noch nicht mal er selbst. Für Außenstehende bleibt er eine Blackbox, bekanntlich soll man sich ja nicht täuschen. Auch wenn er sich nicht sonderlich zu verbergen bemüht, dass er von den juristischen Feinheiten des Klägers nichts hält, so lassen sich davon wohl keine Hinweise ableiten, wie er die Causa formaljuristisch und inhaltlich beurteilt. Den springenden Punkt sagte er beiden Streitparteien zum Auftakt: „Sie haben sich also leider noch immer nicht geeinigt?“ Bei einem theoretisch ausstehenden Schaden von 80 Millionen Euro ein verständlicher Wunsch, zumal die Zeit und der Wechselkurs gegen alle Beteiligten arbeitet.
Die Argumentation der Stadt klingt im Großen und Ganzen logisch. Hätte man den wahren („toxischen“) Charakter des Geschäfts gekannt, man hätte es natürlich nicht abgeschlossen. Dass man das gar nicht hätte dürfen, wird auch der Bank angelastet, diese war ja über die Stadt-Spielregeln informiert. Selbstsicher kommt aber auch die Verteidigung der Bank: Wir haben nur das verkauft, was der Kunde wollte. Da könne ja jeder kommen.

DIE POLITIK. Auch wenn das Schlagwort „Schuldenbewirtschaftung“ momentan nicht mehr en vogue ist: Natürlich haben Politiker die verdammte Pflicht, dass sie jene Schulden, die sie heute aufnehmen, um heutige Wähler glücklich zu machen, bitteschön so bewirtschaften, dass auch zukünftige Wähler möglichst wenig dafür zahlen müssen. Dabei darf man von diesen Politikern auch verlangen, dass sie das kleine 1x1 der Veranlagung zur Kenntnis nehmen: Hohe Rendite, hohes Risiko.
Eine hohe Upfront-Zahlung heute wird wohl „no-na-ned“ ein hohes Risiko in der Zukunft mit sich bringen. Das zu sagen, es transparent zu machen, das wäre ein Ausdruck politischer Redlichkeit. Vielleicht leitet die Causa ja in Sachen Transparenz einen neuen, wünschenswerten Standard in der St. Pöltner Verwaltung ein? Übrigens, auch wenn man mit einer absoluten Mehrheit ohnehin jeden Beschluss in ohnehin jedem Gremium durchbringt und bei lästigen Nachfragen selbstsicher auf die letzte Gemeinderatswahl und den angeblichen „Wählerwillen“ verweisen kann. Egal ob St. Pölten mit der Klage durchkommt, die politische Verantwortung ist ein eigenes Kapitel und schreit nach transparenten Antworten.
Doch bevor jetzt die Oppositionsparteien frohlocken und den absoluten Bürgermeister schon angezählt sehen: So einfach ist die Rechnung nicht. Weder konnte die ÖVP belegen, dass Bürgermeister und/oder Verwaltung tatsächlich falsch informiert hatten, noch konnten die heute so entsetzten Herrschaften in den letzten Jahren in den zuständigen Gremien die richtigen Fragen formulieren – dazu brauchte es öffentliche Verhandlungen am Handelsgericht Wien. Ich wage zu behaupten, wenn der parteifreie St. Pöltner Bürger in den letzten Jahrzehnten jemals bezahlte Gemeinde- und Stadträte der Opposition im St. Pöltner Gemeinderat gebraucht hat, dann bitteschön jetzt. Die Klärung der politischen Verantwortung wird wohl das dominierende To-Do bis zur nächsten Gemeinderatswahl sein. Dass die Realität zwischen Mandataren unterschiedlicher Parteien bei so relevanten Fragen derart auseinandergeht, ist schlicht unerträglich. Übrigens genauso wie die inhaltilche Abwesenheit zum Thema bei der FPÖ und den Grünen.

DAS DRAMA. Bleibt abschließend, abgesehen von der Entscheidung am Gericht und dem politischen Infight, eine dritte Ebene. Da sind persönlich betroffene Menschen, denen bei einem möglichen Fehlverhalten schon dezent angedroht wird, man könnte sich ja an ihnen schadelos halten. Ein leitender Finanzbeamter, der sich seinen Ruhestand wohl anders vorgestellt hätte. Oder ein Bürgermeister am Karriereweg nach oben, der wohl froh sein wird, dass seine Parteikollegen im Land Salzburg oder der Stadt Linz zum gleichen Aufsatz einen noch massiveren Fetzen geschrieben haben – womit die überregionale Presse für diese Kandidaten derzeit noch mehr Aufmerksamkeit übrig hat als für den „kleinen Pfusch“ in St. Pölten. Und nicht zu vergessen natürlich uns Bürger. Die Finanzierung von Gemeinden wird in Zukunft nicht leichter. Haus(bank)gemachte Hypotheken durch „Klumpert-Geschäfte“ (© Richter Martin Ogris) sind dabei genauso verzichtbar wie parteipolitischer Hickhack. Somit hoffen wir am besten auf ein Wunder. Vielleicht nimmt dieses ja am Wiener Handelsgericht seinen Anfang? Oder setzt wer auf den St. Pöltner Gemeinderat?


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Foto Torbz/Fotolia.com

Das moderne Gerichtsgebäude hat mit dem „Charme“ muffiger k.-u.-k.-Bunker längst nichts mehr am Hut, ja vermittelt aufs Erste eher den Eindruck eines Outlets der Österreich-Werbung, prangen in der Lobby doch Postkarten-Ansichten von Wien – vielleicht Tranquilizer, um von den Mühlen der Justiz, die dahinter bisweilen gnadenlos mahlen, abzulenken. Vor Einlass müssen wir durch eine Sicherheitsschleuse, gegen die sich jene am Flughafen wie „Kinderfasching“ ausnehmen. Das Rondeau, in  ...