Es muss sich ausgehen!
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Alle reden von Quartieren, die geschaffen werden müssen. Stefan Schadenhofer, Einrichtungsleiter des Projektes „WohnBetreuung für Menschen in Grundversorgung“ der Diakonie, ist damit unmittelbar konfrontiert und versucht solche „aufzutreiben“. Wir sprachen mit ihm über abgeschobene Verantwortung, Gefahren eines Niveauverlustes und den Wunsch nach mehr Plätzen in St. Pölten.
Wer hat Schuld an der Zuspitzung der Lage?
Ich will nicht von Schuld reden, aber vielleicht von einem teilweise bewussten Wegschauen, weil sich mit dem Thema „Asyl“ halt leider Politik machen lässt, wenn man bei rechtsorientierten Parteien auf Wählerstimmenfang geht. Da steckt also möglicherweise schon ein politisches Kalkül dahinter. Aber in dieser Form, dass es gar Obdachlose gibt, das hat sicher niemand geplant oder gar gewollt – da ist die Situation schlicht grob unterschätzt worden. Im Übrigen auch gar nicht nur von der Politik. Und jetzt hilft es auch nichts, von Schuld zu reden, sondern wir müssen die Situation lösen. Das ist die Verpflichtung des Staates Österreich auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention.
Wie beurteilen Sie die Situation in Niederösterreich? Hier verweist man ja auf die Erfüllung der Quote.
Niederösterreich ruht sich seit Jahren auf seiner überfüllten Quote aus – nur, da rechnet man halt Traiskirchen immer mit. Zieht man Traiskirchen ab, liegt die Quote bei etwa 80%, damit wäre Niederösterreich an letzter Stelle im Bundesländervergleich! Auch hier hat man viel zu lange nicht reagiert – erst als Traiskirchens Bürgermeister letzten Winter angedroht hat, das Lager zu schließen, ist ein gewisser Druck entstanden und die Erkenntnis, dass man vielleicht doch etwas tun sollte.
Druck, unter dem jetzt alle stehen, nicht zuletzt auch Diakonie und Caritas, die im Auftrag des Landes Asylwerber betreuen und zum Teil auch unterbringen.
Es herrscht tatsächlich ein irrsinniger Druck. Das Problem ist, dass Bund und Länder diesen einfach an die NGOs weitergeben, nach dem Motto, „wir sind nicht die Herbergsgeber“, sondern wir finanzieren nur. Es bleibt damit alles an uns hängen: Wir sollen die Menschen aber nicht nur unterbringen, sondern vorher schon die Quartiere finden, diese sanieren, kaufen oder mieten – und das soll alles über lächerliche Tagessätze finanziert werden. Das geht sich aber kaum aus, weil man in die wenigsten Quartiere gleich einziehen kann. D.h. wir müssen die Sanierung vorfinanzieren, zusätzliches Geld seitens des Landes gibt es aber nicht. Der Staat und die Länder müssten sich prinzipiell viel mehr in der Pflicht sehen, wie wir Quartiere zu finden und zu adaptieren – da fehlt ein gemeinsames Konzept. Zudem besteht die Gefahr, dass das Gesamtniveau der Unterbringung sinkt.
Inwiefern?
Das Grundproblem ist aktuell, dass aufgrund des Drucks alles sofort passieren muss. Damit spielt man aber jenen in die Hände, die ausschließlich Geschäfte machen möchten, und sobald Profit die größte Rolle spielt, wird anders kalkuliert. Das heißt, die Standards in diesen Quartieren werden häufig auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt und sind viel niedriger als in jenen von Diakonie, Caritas oder Volkshilfe. Dass wir als Diakonie selbst einmal in einer Veranstaltungshalle 50 Asylwerber unterbringen, wäre für mich vor einigen Monaten auch noch undenkbar gewesen. Jetzt müssen wir es natürlich, weil wir einfach dringend Plätze brauchen – aber wie wird es nachher weitergehen? Wird der niedrigere Standard dann zur neuen Norm? Zudem, wenn der NGO Geld bleibt, geht dieses wieder direkt in die Betreuung, wovon nicht nur der Bewohner, sondern die gesamte Gesellschaft profitiert, weil dadurch die Integration leichter funktioniert. Im privaten Sektor hingegen ist dieses „ersparte“ Geld weg.
Wird es sich ausgehen, bis zum Winter alle Asylwerber in fixen Quartieren unterzubringen?
Es muss sich ausgehen – und es wird sich ausgehen! Auch wenn es dann im schlimmsten Fall wieder Notquartiere gibt. Vielleicht machen dann ja auch – bevor wirklich Kinder im Winter auf der Straße stehen – endlich jene ihre Türen auf, die das früher immer getan haben, weil es eigentlich ihrem moralischen Selbstverständnis entspricht.
Sie meinen damit die Kirche?
Nicht nur die Kirche, oder nicht nur die römisch-katholische – es gibt ja auch die evangelische und viele weitere Glaubensgemeinschaften.
Und die Solidarität der Bevölkerung?
Diesbezüglich hat die Politik ihre Wähler wahnsinnig unterschätzt. So viele Privatpersonen, auch Unternehmen helfen, dass es hierfür schon wieder eines eigenen Managements bedürfte, um alles gut zu koordinieren. So viele spenden, und damit meine ich nicht nur Geld, sondern auch Sachspenden und ehrenamtliche Leistungen. Es sind so viele, die Gutes tun – wahrgenommen werden aber leider immer nur jene, die am lautesten dagegen schreien.
Und dann gibt es noch jene, die eigenen Wohnraum zur Verfügung stellen – fallen die auch in Ihren Aufgabenbereich?
Da sind wir im Zuge der Wohnungsberatung „nur“ Vermittler zwischen Asylwerber und Anbieter, helfen bei Mietverträgen, Rahmenbedingungen etc. Meine Kollegen sind kaum erreichbar, weil sie ununterbrochen am Telefon hängen, weil so viele Personen Wohnraum anbieten. Dass man bereit ist, jemand Wildfremdem – und das ist ja vom Gedanken her egal, ob das jetzt ein Österreicher oder z.B. ein Syrer ist – ein Zimmer in den eigenen vier Wänden zu geben, oder eine Wohnung im selben Haus, man also wirklich unter dem selben Dach wohnt, das ist schon beeindruckend! Und dies noch dazu zu ganz geringen Mieten, weil sich die Asylwerber ja nicht mehr leisten können. Das zeugt von großer Menschlichkeit und Solidarität. Zudem hat es den Vorteil, dass der Asylwerber nach einem positiven Bescheid nicht innerhalb von vier Monaten die Unterkunft verlassen muss wie im Falle organisierter Quartiere.
Das heißt, er muss eine normale Wohnung finden.
Das ist eine große, mit Stress und Druck verbundene Herausforderung, diese Menschen unterzubringen. Für einzelne ist es noch leichter ein Zimmer zu finden, aber für eine ganze Familie ist es extrem schwer, sich am freien Markt eine Wohnung zu leisten. Für Personen mit subsidiärem Schutz in Niederösterreich und St. Pölten noch schwieriger, weil sie zwar Anspruch auf Mindestsicherung haben, aber nicht auf Leistungen wie Unterstützung bei der Kaution, bei Maklerprovisionen, bei der Wohnungseinrichtung etc., wie sie anerkannte Flüchtlinge und Inländer bekommen. In Wien etwa erhalten sie auch diese Unterstützung.
Wie beurteilen Sie das Durchgriffsrecht des Bundes?
Es ist gescheiter als nichts, wenngleich der einmal gewälzte Ansatz, die Bezirksverwaltungsebene einzubinden, die nicht ständig auf Wähler schielen muss, sinnvoller gewesen wäre. Das ist aber leider am Widerstand manch Landeshauptmannes gescheitert.
Prinzipiell bin ich gespannt, wie das Durchgriffsrecht umgesetzt wird. Es hat zumindest schon jetzt einen gewissen Druck bei säumigen Gemeinden ausgelöst, dass vereinzelt Bürgermeister jetzt doch aktiv werden, um nicht als jemand abgestempelt zu werden, der nichts beigetragen hat.
Wie ist die Diakonie in St. Pölten in Sachen Unterbringung aufgestellt, wie ist das Zusammenleben?
Wir haben in der Region 30 Wohnungen, alleine in St. Pölten 20. Wir Mitarbeiter haben Rufbereitschaft – d.h. es gibt eine Hotline, welche sowohl die Bewohner als auch die Anrainer jederzeit anrufen können. Nur, es gibt so gut wie nie Anrufe! Das deute ich schon als eindeutiges Indiz dafür, dass das Zusammenleben funktioniert. Oft bekommen die Nachbarn ja nicht einmal mit, dass Asylwerber untergebracht sind, oder wir hören im Nachhinein: Die waren aber sehr nett, oder – das klassische Klischee, das aber eben keines ist, sondern tatsächlich passiert – eine alte Dame, die erzählt, dass ihr der nette junge Ausländer die Einkaufstasche hinaufgetragen hat. Klar ist, dass diese Form der Unterbringung in Wohnungen die beste und normalste für alle ist, und jeder Form von Massenquartier vorzuziehen.
Sind die von Ihnen angesprochenen 20 Wohnungen in der Hauptstadt genug?
Ich verstehe den Standpunkt, dass man sagt, wir übererfüllen die Quote bereits – jetzt sollen auch die anderen einmal ihren Beitrag leisten. Aber mein Appell wäre trotzdem, dass man vielleicht noch weitere Plätze in St. Pölten schafft. Die Hauptstadt mit ihren über 50.000 Einwohnern würde das vertragen, ich denke da vielleicht an 50, 100 Plätze zusätzlich. Wir haben diesbezüglich ganz konkrete Wohnungsangebote auf dem Tisch liegen – man bräuchte nur ja sagen.
AUFGABEN DER DIAKONIE IM ASYLBEREICH NÖ
Gesundheit: Psychotherapie für Asylwerber & Flüchtlinge. „Hier haben wir Wartezeiten bis zu einem Jahr!“
Beratung: Sozial- & Rechtsberatung – fixe Stelle in Traiskirchen und St. Pölten. Weiters mobile Beratung für Niederösterreich West mit Sitz in St. Pölten sowie neu in Amstetten für alle in der Grundversorgung. Alle zwei Wochen werden alle organisierten Quartiere angefahren. Problem: Personen in Privatquartieren werden nicht besucht, sie können theoretisch zwar nach St. Pölten oder Amstetten „aber das ist oft aufgrund der Anfahrtskosten und des langen Weges mit den Öffis für diese Personen nicht bewältigbar.“
Wohnungsberatung & -vermittlung.
Integration: IBZ – Integration & Bildungs Zentrum (in St. Pölten), Hauptschullabschlusskurse; Startwohnungen für anerkannte Flüchtlinge – wird über die Mindestsicherung finanziert; begleitende Integrationsmaßnahmen mit dem Ziel, rasch eigenen Beruf und eigene Wohnung zu finden. „Riesige Warteliste bei Wohnungen.“
Deutschkurse, „permanente Warteliste.“
Buddyprojekt – Begleitung durch Ehrenamtliche.
Unterbringung & Betreuung: Für Menschen in der Grundsicherung. Aktuell auch Suche & Adaptierung geeigneter Objekte. Zudem, „das sind unsere Sorgenkinder“, Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen sowie von Menschen mit erhöhtem Versorgungsbedarf, also mit physischen und v.a. auch psychischen Einschränkungen. In beiden Fällen ist die Nachfrage groß, es gibt aber zu wenig Plätze und solche können auch schwer geschaffen werden, weil die Anforderungen an die Einrichtungen (24 Stundenbetrieb, qualifiziertes Personal etc.) hoch sind. „Schön wären angemessene Tagessätze, wenn die Politik verstehen würde, dass wir diese Probleme nur gemeinsam in den Griff bekommen.“
Ich will nicht von Schuld reden, aber vielleicht von einem teilweise bewussten Wegschauen, weil sich mit dem Thema „Asyl“ halt leider Politik machen lässt, wenn man bei rechtsorientierten Parteien auf Wählerstimmenfang geht. Da steckt also möglicherweise schon ein politisches Kalkül dahinter. Aber in dieser Form, dass es gar Obdachlose gibt, das hat sicher niemand geplant oder gar gewollt – da ist die Situation schlicht grob unterschätzt worden. Im Übrigen auch gar nicht nur von der Politik. Und jetzt hilft es auch nichts, von Schuld zu reden, sondern wir müssen die Situation lösen. Das ist die Verpflichtung des Staates Österreich auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention.
Wie beurteilen Sie die Situation in Niederösterreich? Hier verweist man ja auf die Erfüllung der Quote.
Niederösterreich ruht sich seit Jahren auf seiner überfüllten Quote aus – nur, da rechnet man halt Traiskirchen immer mit. Zieht man Traiskirchen ab, liegt die Quote bei etwa 80%, damit wäre Niederösterreich an letzter Stelle im Bundesländervergleich! Auch hier hat man viel zu lange nicht reagiert – erst als Traiskirchens Bürgermeister letzten Winter angedroht hat, das Lager zu schließen, ist ein gewisser Druck entstanden und die Erkenntnis, dass man vielleicht doch etwas tun sollte.
Druck, unter dem jetzt alle stehen, nicht zuletzt auch Diakonie und Caritas, die im Auftrag des Landes Asylwerber betreuen und zum Teil auch unterbringen.
Es herrscht tatsächlich ein irrsinniger Druck. Das Problem ist, dass Bund und Länder diesen einfach an die NGOs weitergeben, nach dem Motto, „wir sind nicht die Herbergsgeber“, sondern wir finanzieren nur. Es bleibt damit alles an uns hängen: Wir sollen die Menschen aber nicht nur unterbringen, sondern vorher schon die Quartiere finden, diese sanieren, kaufen oder mieten – und das soll alles über lächerliche Tagessätze finanziert werden. Das geht sich aber kaum aus, weil man in die wenigsten Quartiere gleich einziehen kann. D.h. wir müssen die Sanierung vorfinanzieren, zusätzliches Geld seitens des Landes gibt es aber nicht. Der Staat und die Länder müssten sich prinzipiell viel mehr in der Pflicht sehen, wie wir Quartiere zu finden und zu adaptieren – da fehlt ein gemeinsames Konzept. Zudem besteht die Gefahr, dass das Gesamtniveau der Unterbringung sinkt.
Inwiefern?
Das Grundproblem ist aktuell, dass aufgrund des Drucks alles sofort passieren muss. Damit spielt man aber jenen in die Hände, die ausschließlich Geschäfte machen möchten, und sobald Profit die größte Rolle spielt, wird anders kalkuliert. Das heißt, die Standards in diesen Quartieren werden häufig auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt und sind viel niedriger als in jenen von Diakonie, Caritas oder Volkshilfe. Dass wir als Diakonie selbst einmal in einer Veranstaltungshalle 50 Asylwerber unterbringen, wäre für mich vor einigen Monaten auch noch undenkbar gewesen. Jetzt müssen wir es natürlich, weil wir einfach dringend Plätze brauchen – aber wie wird es nachher weitergehen? Wird der niedrigere Standard dann zur neuen Norm? Zudem, wenn der NGO Geld bleibt, geht dieses wieder direkt in die Betreuung, wovon nicht nur der Bewohner, sondern die gesamte Gesellschaft profitiert, weil dadurch die Integration leichter funktioniert. Im privaten Sektor hingegen ist dieses „ersparte“ Geld weg.
Wird es sich ausgehen, bis zum Winter alle Asylwerber in fixen Quartieren unterzubringen?
Es muss sich ausgehen – und es wird sich ausgehen! Auch wenn es dann im schlimmsten Fall wieder Notquartiere gibt. Vielleicht machen dann ja auch – bevor wirklich Kinder im Winter auf der Straße stehen – endlich jene ihre Türen auf, die das früher immer getan haben, weil es eigentlich ihrem moralischen Selbstverständnis entspricht.
Sie meinen damit die Kirche?
Nicht nur die Kirche, oder nicht nur die römisch-katholische – es gibt ja auch die evangelische und viele weitere Glaubensgemeinschaften.
Und die Solidarität der Bevölkerung?
Diesbezüglich hat die Politik ihre Wähler wahnsinnig unterschätzt. So viele Privatpersonen, auch Unternehmen helfen, dass es hierfür schon wieder eines eigenen Managements bedürfte, um alles gut zu koordinieren. So viele spenden, und damit meine ich nicht nur Geld, sondern auch Sachspenden und ehrenamtliche Leistungen. Es sind so viele, die Gutes tun – wahrgenommen werden aber leider immer nur jene, die am lautesten dagegen schreien.
Und dann gibt es noch jene, die eigenen Wohnraum zur Verfügung stellen – fallen die auch in Ihren Aufgabenbereich?
Da sind wir im Zuge der Wohnungsberatung „nur“ Vermittler zwischen Asylwerber und Anbieter, helfen bei Mietverträgen, Rahmenbedingungen etc. Meine Kollegen sind kaum erreichbar, weil sie ununterbrochen am Telefon hängen, weil so viele Personen Wohnraum anbieten. Dass man bereit ist, jemand Wildfremdem – und das ist ja vom Gedanken her egal, ob das jetzt ein Österreicher oder z.B. ein Syrer ist – ein Zimmer in den eigenen vier Wänden zu geben, oder eine Wohnung im selben Haus, man also wirklich unter dem selben Dach wohnt, das ist schon beeindruckend! Und dies noch dazu zu ganz geringen Mieten, weil sich die Asylwerber ja nicht mehr leisten können. Das zeugt von großer Menschlichkeit und Solidarität. Zudem hat es den Vorteil, dass der Asylwerber nach einem positiven Bescheid nicht innerhalb von vier Monaten die Unterkunft verlassen muss wie im Falle organisierter Quartiere.
Das heißt, er muss eine normale Wohnung finden.
Das ist eine große, mit Stress und Druck verbundene Herausforderung, diese Menschen unterzubringen. Für einzelne ist es noch leichter ein Zimmer zu finden, aber für eine ganze Familie ist es extrem schwer, sich am freien Markt eine Wohnung zu leisten. Für Personen mit subsidiärem Schutz in Niederösterreich und St. Pölten noch schwieriger, weil sie zwar Anspruch auf Mindestsicherung haben, aber nicht auf Leistungen wie Unterstützung bei der Kaution, bei Maklerprovisionen, bei der Wohnungseinrichtung etc., wie sie anerkannte Flüchtlinge und Inländer bekommen. In Wien etwa erhalten sie auch diese Unterstützung.
Wie beurteilen Sie das Durchgriffsrecht des Bundes?
Es ist gescheiter als nichts, wenngleich der einmal gewälzte Ansatz, die Bezirksverwaltungsebene einzubinden, die nicht ständig auf Wähler schielen muss, sinnvoller gewesen wäre. Das ist aber leider am Widerstand manch Landeshauptmannes gescheitert.
Prinzipiell bin ich gespannt, wie das Durchgriffsrecht umgesetzt wird. Es hat zumindest schon jetzt einen gewissen Druck bei säumigen Gemeinden ausgelöst, dass vereinzelt Bürgermeister jetzt doch aktiv werden, um nicht als jemand abgestempelt zu werden, der nichts beigetragen hat.
Wie ist die Diakonie in St. Pölten in Sachen Unterbringung aufgestellt, wie ist das Zusammenleben?
Wir haben in der Region 30 Wohnungen, alleine in St. Pölten 20. Wir Mitarbeiter haben Rufbereitschaft – d.h. es gibt eine Hotline, welche sowohl die Bewohner als auch die Anrainer jederzeit anrufen können. Nur, es gibt so gut wie nie Anrufe! Das deute ich schon als eindeutiges Indiz dafür, dass das Zusammenleben funktioniert. Oft bekommen die Nachbarn ja nicht einmal mit, dass Asylwerber untergebracht sind, oder wir hören im Nachhinein: Die waren aber sehr nett, oder – das klassische Klischee, das aber eben keines ist, sondern tatsächlich passiert – eine alte Dame, die erzählt, dass ihr der nette junge Ausländer die Einkaufstasche hinaufgetragen hat. Klar ist, dass diese Form der Unterbringung in Wohnungen die beste und normalste für alle ist, und jeder Form von Massenquartier vorzuziehen.
Sind die von Ihnen angesprochenen 20 Wohnungen in der Hauptstadt genug?
Ich verstehe den Standpunkt, dass man sagt, wir übererfüllen die Quote bereits – jetzt sollen auch die anderen einmal ihren Beitrag leisten. Aber mein Appell wäre trotzdem, dass man vielleicht noch weitere Plätze in St. Pölten schafft. Die Hauptstadt mit ihren über 50.000 Einwohnern würde das vertragen, ich denke da vielleicht an 50, 100 Plätze zusätzlich. Wir haben diesbezüglich ganz konkrete Wohnungsangebote auf dem Tisch liegen – man bräuchte nur ja sagen.
AUFGABEN DER DIAKONIE IM ASYLBEREICH NÖ
Gesundheit: Psychotherapie für Asylwerber & Flüchtlinge. „Hier haben wir Wartezeiten bis zu einem Jahr!“
Beratung: Sozial- & Rechtsberatung – fixe Stelle in Traiskirchen und St. Pölten. Weiters mobile Beratung für Niederösterreich West mit Sitz in St. Pölten sowie neu in Amstetten für alle in der Grundversorgung. Alle zwei Wochen werden alle organisierten Quartiere angefahren. Problem: Personen in Privatquartieren werden nicht besucht, sie können theoretisch zwar nach St. Pölten oder Amstetten „aber das ist oft aufgrund der Anfahrtskosten und des langen Weges mit den Öffis für diese Personen nicht bewältigbar.“
Wohnungsberatung & -vermittlung.
Integration: IBZ – Integration & Bildungs Zentrum (in St. Pölten), Hauptschullabschlusskurse; Startwohnungen für anerkannte Flüchtlinge – wird über die Mindestsicherung finanziert; begleitende Integrationsmaßnahmen mit dem Ziel, rasch eigenen Beruf und eigene Wohnung zu finden. „Riesige Warteliste bei Wohnungen.“
Deutschkurse, „permanente Warteliste.“
Buddyprojekt – Begleitung durch Ehrenamtliche.
Unterbringung & Betreuung: Für Menschen in der Grundsicherung. Aktuell auch Suche & Adaptierung geeigneter Objekte. Zudem, „das sind unsere Sorgenkinder“, Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen sowie von Menschen mit erhöhtem Versorgungsbedarf, also mit physischen und v.a. auch psychischen Einschränkungen. In beiden Fällen ist die Nachfrage groß, es gibt aber zu wenig Plätze und solche können auch schwer geschaffen werden, weil die Anforderungen an die Einrichtungen (24 Stundenbetrieb, qualifiziertes Personal etc.) hoch sind. „Schön wären angemessene Tagessätze, wenn die Politik verstehen würde, dass wir diese Probleme nur gemeinsam in den Griff bekommen.“