„Es kann nicht sein, dass jene, die arbeiten gehen, bestraft werden!“
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
ÖVP Landtagsabgeordneter Bernhard Ebner brachte in der Februar Landtagssitzung gemeinsam mit FP-Abgeordneten Gottfried Waldhäusl einen Resolutionsantrag ein, der vom Bund eine Deckelung der Mindestsicherung bei Mehrpersonenhaushalten ebenso fordert wie einen Vollanspruch erst nach dreijährigem Aufenthalt in Österreich. Wir sprachen mit ihm über das novellierte Mindestsicherungsgesetz und Kritik seitens der NGOs.
Experten sagen, der aktuell vielfach suggerierte Sozialmissbrauch sowie die angebliche Arbeitsunwilligkeit bei der Mindestsicherung seien verschwindend gering und lägen bei ca. 2-3% der Bezieher. Wie beurteilen Sie das?
Faktum ist, Ende des Jahres 2015 waren 40 Prozent der Mindestsicherungsempfänger arbeitsfähig. Meines Erachtens sind die Kontrollen in diesem Bereich zu mangelhaft. Dass Förder- und Kontrollstelle überhaupt in einer Hand liegen, gibt es sonst ohnehin nirgends.
Es stimmt, dass 40% arbeitsfähig sind, aber wie viele sind von diesen – wie es ja als Argumentation dargestellt wird – tatsächlich „arbeitsunwillig“?
Wir haben mit dem Wiedereinsteigerbonus jedenfalls eine Maßnahme gesetzt, die jene belohnt, welche aus der Mindestsicherung heraus in ein Arbeitsverhältnis einsteigen. Es kann nicht das Ziel sein die Mindestsicherung so attraktiv zu gestalten, dass sich für viele die Frage stellt, warum sie überhaupt einen Job annehmen sollten.
Als Grundproblem, wie zuletzt auch vom Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch ausgeführt, wird zu geringes Wachstum und ein mangelndes Arbeitsplatzangebot ins Treffen geführt – gibt es Ansätze des Landes, etwa in Form von Anreizen für Arbeitnehmer solche Personen einzustellen?
Arbeit und Wirtschaft sind die zentralen Schwerpunkte, die von unserer Regierungsmannschaft zu Jahresbeginn ausgerufen wurden. Ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent kann durchaus ein Rückenwind sein, den wir durch wirtschaftspolitische Maßnahmen entsprechend nutzen wollen. Trotz der ansteigenden Arbeitslosigkeit sollte man nicht darauf vergessen, dass wir im Vorjahr erstmalig 600.000 Beschäftigte in Niederösterreich hatten.
In Niederösterreich wurde zuletzt eine „Reparatur“ des Mindestsicherungsgesetzes beschlossen. Kritiker sagen, aber nicht im Sinne des Gesetzgebers, sondern die bisherige Praxis, die Wohnbeihilfe einzurechnen, sei damit festgeschrieben worden.
Der Wohnzuschuss ist eine finanzielle Unterstützung für Menschen mit geringem Einkommen, die in geförderten Wohnungen leben. Eine Nichtanrechnung des Wohnzuschusses auf den Betrag zur Deckung des Wohnbedarfes der Bedarfsorientierten Mindestsicherung würde bei manchen Mindestsicherungsbeziehern zu einer finanziellen Besserstellung führen, weil jene Mindestsicherungsbezieher, die in geförderten Wohnungen leben, zusätzlich zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in den Genuss von Mitteln aus der Wohnbauförderung (Wohnzuschuss Anm.) kämen. Daher erfolgte die Klarstellung im Gesetz.
Gerade die Wohnkosten sind die großen Treiber und „fressen“ die Mindestsicherung auf. Wie begegnet man diesem Umstand seitens des Landes?
Personengruppen wie beispielsweise junge Menschen, die am Start ihres beruflichen Lebens stehen, brauchen unsere besondere Unterstützung. Deshalb errichtet das Bundesland Niederösterreich mit dem neuen Sonderwohnprogramm „Wohn.Chance.NÖ“ rund 100 Wohnhäuser mit jeweils acht Wohneinheiten, die auch für Familien geeignet sind. Angestrebt wird für die Neubauten ein Mietpreis von 4,2 Euro pro Quadratmeter. Das ist der kostengünstigste Neubau, der momentan in Österreich angeboten wird. Die Wohnbauförderung in Niederösterreich macht Wohnen in vielen Bereichen leistbar. Mit der Förderung für „Junges Wohnen“ wird beispielsweise auch speziell auf die Bedürfnisse junger Menschen eingegangen.
Der Landtag hat auch eine Resolution an den Bund verabschiedet, demnach es zu einer Deckelung – Sie fordern maximal 1.500 Euro – der Mindestsicherung bei Mehrpersonenhaushalten kommen soll. Könnte dadurch nicht Armut implementiert werden?
Es kann nicht sein, dass jene, die arbeiten gehen und in den Steuertopf einzahlen, bestraft werden und weniger bekommen als jene, die aus dem Steuertopf beziehen. Daher haben wir die Bundesregierung mit einem Resolutionsantrag aufgefordert, Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit einer Obergrenze zu versehen.
In Ihrer Resolution haben Sie ebenso gefordert, dass jene, die nicht bereits drei Jahre ins System einbezahlt haben, prozentuell geringere Leistungen erhalten. Von welcher Höhe gehen Sie aus?
Die Voraussetzungen zum Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind für alle Hilfe suchenden Menschen gleich. Wir gehen von einer signifikanten Kürzung aus, die genaue Regelung soll unserer Resolution entsprechend Verhandlungsgegenstand zur 15a Vereinbarung sein.
Subsidiär Schutzbedürftige hat man nunmehr aus der Mindestsicherung gestrichen. Wie sollen sich diese mit 320 Euro/Monat das Leben leisten können? Gibt’s da andere Abfederungsmaßnahmen?
Nein. Diese Personen haben ja grundsätzlich keinen Anspruch auf Asyl bei uns. Wir müssen alles daran setzen, dass sich der Zustrom an Flüchtlingen verringert. Denn einerseits muss die Integration dieser Menschen möglich sein, und andererseits darf unser Sozialsystem nicht noch stärker belastet werden.
Hegt man damit nicht die Befürchtung, diese Menschen auf Sicht in die Obdachlosigkeit zu drängen und damit einer Radikalisierung, möglicherweise auch Kriminalisierung Vorschub zu leisten?
Nein. Wir wollen damit aber auch ein deutliches Zeichen setzen: Wer aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommt, hat kein Leben in Überfluss zu erwarten, wie es kriminelle Schlepper ihren Opfern vorgaukeln.
Wie legt man „Integration“ in Niederösterreich an, damit diese gelingen kann?
Im Hinblick auf die steigenden Kosten der Sozialhilfe ist sowohl die allgemeine als im besonderen auch die Arbeitsmarktintegration der Hilfe suchenden Personen vermehrt in den Fokus zu stellen, weshalb sich Empfänger der BMS zur besseren Vermittelbarkeit künftig zu Maßnahmen wie Deutschkursen verpflichten müssen.
Damit wird ja immer suggeriert, dass sie keine Deutschkurse machen möchten. Wie hoch ist eigentlich die Zahl der Verweigerer? Wird es – im Umkehrschluss – in Hinkunft genug Deutschkurse geben.
Da geht es nicht um „machen möchten“. Um den Empfängern der Mindestsicherung ihre Verpflichtungen deutlich vor Augen zu führen, müssen diese in Zukunft durch ihre Unterschrift bestätigen, dass sie sich an diese Vereinbarungen auch halten werden. Natürlich müssen dann auch ausreichend Deutschkurse zum Angebot stehen.
Zuletzt wurde darüber diskutiert, die Mindestsicherung gänzlich in Bundeskompetenz zu überführen und zu vereinheitlichen. Was halten Sie davon?
Eine Bundeszuständigkeit im Bereich der Mindestsicherung wird es nur mit einer notwendigen Deckelung der Bezüge von z.B. 1.500 Euro sowie einer Diskussion über alle damit zusammenhängenden Transferleistungen und Gebührenbefreiungen, wie z.B. Rundfunk, geben. Diese Forderungen bleiben aufrecht.
Ein Aspekt noch: Mindestsicherung vs. Mindestlohn. Sind die Mindestlöhne aus Ihrer Sicht hoch genug?
Löhne müssen auch erwirtschaftet werden. Es gibt kollektivverträgliche Mindestlöhne im Sinne der österreichischen Sozialpartnerschaft. Für einen Mindestlohn von 1.700 Euro muss der Arbeitgeber 30.790 Euro im Jahr aufbringen. Das ist wirtschafts- und arbeitsmarktfeindlich, denn höhere Kosten führen niemals zu mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätzen. Stattdessen brauchen wir weniger Bürokratie, ein faires Pensionssystem und mehr Arbeitsanreize. Ziel ist es, Arbeitslose und Mindestsicherungsbezieher rasch wieder in Beschäftigung zu bringen.
Faktum ist, Ende des Jahres 2015 waren 40 Prozent der Mindestsicherungsempfänger arbeitsfähig. Meines Erachtens sind die Kontrollen in diesem Bereich zu mangelhaft. Dass Förder- und Kontrollstelle überhaupt in einer Hand liegen, gibt es sonst ohnehin nirgends.
Es stimmt, dass 40% arbeitsfähig sind, aber wie viele sind von diesen – wie es ja als Argumentation dargestellt wird – tatsächlich „arbeitsunwillig“?
Wir haben mit dem Wiedereinsteigerbonus jedenfalls eine Maßnahme gesetzt, die jene belohnt, welche aus der Mindestsicherung heraus in ein Arbeitsverhältnis einsteigen. Es kann nicht das Ziel sein die Mindestsicherung so attraktiv zu gestalten, dass sich für viele die Frage stellt, warum sie überhaupt einen Job annehmen sollten.
Als Grundproblem, wie zuletzt auch vom Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch ausgeführt, wird zu geringes Wachstum und ein mangelndes Arbeitsplatzangebot ins Treffen geführt – gibt es Ansätze des Landes, etwa in Form von Anreizen für Arbeitnehmer solche Personen einzustellen?
Arbeit und Wirtschaft sind die zentralen Schwerpunkte, die von unserer Regierungsmannschaft zu Jahresbeginn ausgerufen wurden. Ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent kann durchaus ein Rückenwind sein, den wir durch wirtschaftspolitische Maßnahmen entsprechend nutzen wollen. Trotz der ansteigenden Arbeitslosigkeit sollte man nicht darauf vergessen, dass wir im Vorjahr erstmalig 600.000 Beschäftigte in Niederösterreich hatten.
In Niederösterreich wurde zuletzt eine „Reparatur“ des Mindestsicherungsgesetzes beschlossen. Kritiker sagen, aber nicht im Sinne des Gesetzgebers, sondern die bisherige Praxis, die Wohnbeihilfe einzurechnen, sei damit festgeschrieben worden.
Der Wohnzuschuss ist eine finanzielle Unterstützung für Menschen mit geringem Einkommen, die in geförderten Wohnungen leben. Eine Nichtanrechnung des Wohnzuschusses auf den Betrag zur Deckung des Wohnbedarfes der Bedarfsorientierten Mindestsicherung würde bei manchen Mindestsicherungsbeziehern zu einer finanziellen Besserstellung führen, weil jene Mindestsicherungsbezieher, die in geförderten Wohnungen leben, zusätzlich zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in den Genuss von Mitteln aus der Wohnbauförderung (Wohnzuschuss Anm.) kämen. Daher erfolgte die Klarstellung im Gesetz.
Gerade die Wohnkosten sind die großen Treiber und „fressen“ die Mindestsicherung auf. Wie begegnet man diesem Umstand seitens des Landes?
Personengruppen wie beispielsweise junge Menschen, die am Start ihres beruflichen Lebens stehen, brauchen unsere besondere Unterstützung. Deshalb errichtet das Bundesland Niederösterreich mit dem neuen Sonderwohnprogramm „Wohn.Chance.NÖ“ rund 100 Wohnhäuser mit jeweils acht Wohneinheiten, die auch für Familien geeignet sind. Angestrebt wird für die Neubauten ein Mietpreis von 4,2 Euro pro Quadratmeter. Das ist der kostengünstigste Neubau, der momentan in Österreich angeboten wird. Die Wohnbauförderung in Niederösterreich macht Wohnen in vielen Bereichen leistbar. Mit der Förderung für „Junges Wohnen“ wird beispielsweise auch speziell auf die Bedürfnisse junger Menschen eingegangen.
Der Landtag hat auch eine Resolution an den Bund verabschiedet, demnach es zu einer Deckelung – Sie fordern maximal 1.500 Euro – der Mindestsicherung bei Mehrpersonenhaushalten kommen soll. Könnte dadurch nicht Armut implementiert werden?
Es kann nicht sein, dass jene, die arbeiten gehen und in den Steuertopf einzahlen, bestraft werden und weniger bekommen als jene, die aus dem Steuertopf beziehen. Daher haben wir die Bundesregierung mit einem Resolutionsantrag aufgefordert, Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit einer Obergrenze zu versehen.
In Ihrer Resolution haben Sie ebenso gefordert, dass jene, die nicht bereits drei Jahre ins System einbezahlt haben, prozentuell geringere Leistungen erhalten. Von welcher Höhe gehen Sie aus?
Die Voraussetzungen zum Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind für alle Hilfe suchenden Menschen gleich. Wir gehen von einer signifikanten Kürzung aus, die genaue Regelung soll unserer Resolution entsprechend Verhandlungsgegenstand zur 15a Vereinbarung sein.
Subsidiär Schutzbedürftige hat man nunmehr aus der Mindestsicherung gestrichen. Wie sollen sich diese mit 320 Euro/Monat das Leben leisten können? Gibt’s da andere Abfederungsmaßnahmen?
Nein. Diese Personen haben ja grundsätzlich keinen Anspruch auf Asyl bei uns. Wir müssen alles daran setzen, dass sich der Zustrom an Flüchtlingen verringert. Denn einerseits muss die Integration dieser Menschen möglich sein, und andererseits darf unser Sozialsystem nicht noch stärker belastet werden.
Hegt man damit nicht die Befürchtung, diese Menschen auf Sicht in die Obdachlosigkeit zu drängen und damit einer Radikalisierung, möglicherweise auch Kriminalisierung Vorschub zu leisten?
Nein. Wir wollen damit aber auch ein deutliches Zeichen setzen: Wer aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommt, hat kein Leben in Überfluss zu erwarten, wie es kriminelle Schlepper ihren Opfern vorgaukeln.
Wie legt man „Integration“ in Niederösterreich an, damit diese gelingen kann?
Im Hinblick auf die steigenden Kosten der Sozialhilfe ist sowohl die allgemeine als im besonderen auch die Arbeitsmarktintegration der Hilfe suchenden Personen vermehrt in den Fokus zu stellen, weshalb sich Empfänger der BMS zur besseren Vermittelbarkeit künftig zu Maßnahmen wie Deutschkursen verpflichten müssen.
Damit wird ja immer suggeriert, dass sie keine Deutschkurse machen möchten. Wie hoch ist eigentlich die Zahl der Verweigerer? Wird es – im Umkehrschluss – in Hinkunft genug Deutschkurse geben.
Da geht es nicht um „machen möchten“. Um den Empfängern der Mindestsicherung ihre Verpflichtungen deutlich vor Augen zu führen, müssen diese in Zukunft durch ihre Unterschrift bestätigen, dass sie sich an diese Vereinbarungen auch halten werden. Natürlich müssen dann auch ausreichend Deutschkurse zum Angebot stehen.
Zuletzt wurde darüber diskutiert, die Mindestsicherung gänzlich in Bundeskompetenz zu überführen und zu vereinheitlichen. Was halten Sie davon?
Eine Bundeszuständigkeit im Bereich der Mindestsicherung wird es nur mit einer notwendigen Deckelung der Bezüge von z.B. 1.500 Euro sowie einer Diskussion über alle damit zusammenhängenden Transferleistungen und Gebührenbefreiungen, wie z.B. Rundfunk, geben. Diese Forderungen bleiben aufrecht.
Ein Aspekt noch: Mindestsicherung vs. Mindestlohn. Sind die Mindestlöhne aus Ihrer Sicht hoch genug?
Löhne müssen auch erwirtschaftet werden. Es gibt kollektivverträgliche Mindestlöhne im Sinne der österreichischen Sozialpartnerschaft. Für einen Mindestlohn von 1.700 Euro muss der Arbeitgeber 30.790 Euro im Jahr aufbringen. Das ist wirtschafts- und arbeitsmarktfeindlich, denn höhere Kosten führen niemals zu mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätzen. Stattdessen brauchen wir weniger Bürokratie, ein faires Pensionssystem und mehr Arbeitsanreize. Ziel ist es, Arbeitslose und Mindestsicherungsbezieher rasch wieder in Beschäftigung zu bringen.