MFG - Die letzten Gallier
Die letzten Gallier


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Die letzten Gallier

Text Kati Waldhart
Ausgabe 05/2007

Wir befinden uns im Jahre 2007 n. Chr. Ganz Österreich ist vom Sommerloch besetzt… Ganz Österreich? Nein! Ein von unbeugsamen Veranstaltern bevölkertes Dorf hört nicht auf, der Monotonie Widerstand zu leisten… Aelium Cetium!

Jedes Jahr rüstet sich die kleine Dorfgemeinschaft an der Traisen gegen den zweimonatigen Großangriff des dunklen Sommerloch-Imperiums. Musste man sich vor einigen Jahren der Fremdherrschaft noch kampflos unterwerfen, haben in letzter Zeit immer mehr tapfere Gallier (im Volksmund auch gerne „Eventmanager“ genannt) zum Widerstand gerufen. Zwar verfolgen sie alle ein und dasselbe Ziel, nämlich den Sieg über die sommerliche Fadesse, in Sachen Kriegstaktik und Gefolge hat man aber nicht das Bedürfnis zusammenzuarbeiten. Kein Wunder, letztendlich möchte doch jeder gern selbst als unsterblicher Held in die Geschichte eingehen.
Peter Puchner, Häuptling des Stammes Büro V, setzt dieses Jahr auf eine groß angelegte Offensive in der Altstadt von Aelium Cetium (Codename Hauptstadtfest). So will man am 29. Juni dem Sommerloch schon vorab einen kräftigen Schlag versetzen – ob dazu die Kraft von den „alten Weisen“ wie Jazz Gitti und Opus ausreicht, bleibt jedoch fraglich. Aber angeblich hat man ja noch ein paar Kampfkünste aus Lateinamerika im petto. Die Seeschlacht von Salamis gilt schließlich als Vorbild für die Nachhut am 28. Juli, die den Decknamen Summer Blues Festival trägt und den  Ratzersdorfer See in eine düstere Klangwolke hüllen wird. Der Ausgang ist noch ungewiss, aber auch ein Pyrrhussieg ist ja bekanntlich ein Sieg.
Rückendeckung bekommt Puchner Anfang Juli von Häuptling Harry Jenner, der mit seinem Kampfbündnis musicnet-novamusic schon seit Jahren weite Teile Österreichs besetzt hält und mit Großangriffen wie dem Frequency dem Sommerloch fortwährend herbe Verluste zufügt. Wie schon im letzten Jahr möchte er auch heuer in Aelium Cetium seine Belagerungszelte aufschlagen und mit berühmten Kriegern wie den Fantastischen Vier, den Beastie Boys oder den überlebenden Veteranen von The Doors, die sich als „Sturmreiter“ unvergesslich machten, in den Kampf ziehen – unter den wehenden Fahnen der Götter Nuke und Lovely Days. Der kolportierte Unmut bei den Eingeborenen, die in unmittelbarer Nähe zum Schlachtfeld wohnen, stellte sich als Ausnahme heraus. Der Großteil sieht dem lauten Spektakel sogar mit großer Freude entgegen. Den Vorwurf, dass Harry Jenner mit seiner überregionalen Taktik auch den legendären Widerstandsort Wiesen bekriegt weist der Stammesvater vehement von sich: „Das ist ein Blödsinn. Warum sollen wir einen Venue für 7000 Besucher bekriegen?“
Jedenfalls darf man das traditionelle Festival-Dorf in der pannonischen Tiefebene nicht abschreiben. Christian „Meph“ Lakatos, seines Zeichens Bürger von Aelium Cetium, marschiert auch heuer wieder mit einem beeindruckenden Heer in Wiesen auf. Von 2. bis 5. August werden beim Urban Art Forms Festival Kampfmaschinen wie Goldie, Aphrodite und Tiga das Areal dem Erdboden gleich machen. Aber auch andere Gallier versuchen sich in Wiesen, der Burg Clam und in der Arena Vindobonas zu behaupten: Allen voran die ehemaligen Aerodrome-Feldherrn, die mit ihrem neuen Stamm concerts auf die Kriegserfahrung alter Haudegen wie John Fogerty (15. Juli) oder Joe Cocker (14. Juli) setzen, unterstützt von jungen Kriegern wie Joss Stone (17. Juli) und den Chemical Brothers (4. Juli).
Die letzte und entscheidende Schlacht muss schließlich Norbert „Pauli“ Bauer schlagen. Da zu erwarten ist, dass in dieser Zeit das Sommerloch bereits den Rückzug angetreten hat, wurde als Schauplatz die taktisch vorteilhafte Region Hofstetten-Grünau erwählt, die neben zahlreichen Bergen auch einen kleinen See beherbergt – ideal für Überraschungsangriffe. In rot-gelb-grüner Kriegsbemalung soll von 9. bis 11. August bei der Geheimoperation House Of Riddim Festival die aufmüpfige Monotonie in die Ecke gedrängt werden. Dabei verlässt man sich auf Helden wie Tony Matterhorn und Yellowman, die es verstehen die Massen für sich zu gewinnen. Das Stereo Am See am 14. August soll schließlich mit den schlagkräftigen Waffen von „Mono & Nikitaman“, „Großstadtgeflüster“, „The Staggers“ und „DJ Absolum“ das Sommerloch endgültig in die Flucht schlagen.
Befreit von den dunklen Wolken der Langeweile und Lustlosigkeit kann sich das idyllische Aelium Cetium dann endlich wieder den schönen Dingen des Lebens zuwenden! Und so gilt es bei Wildschwein und Ambrosia Kraft zu gewinnen für den nächsten Sommer, denn: Die Monotonie wird wiederkehren… und mit ihr die letzten Gallier!
Interview: Peter Puchner
Das Hauptstadtfest gibt’s seit über 20 Jahren. Welchen Stellenwert räumen Sie ihm heute ein?
Das St. Pöltner Hauptstadtfest ist mit Sicherheit eine wichtige Veranstaltung für unsere Landeshauptstadt, aber auch weit über ihre Grenzen hinaus. Viele Menschen kommen extra wegen dem Hauptstadtfest nach St. Pölten und das nicht nur aus der näheren Umgebung. Darüber hinaus ist es auch für verschiedene Bereiche wie Kunst, Kultur und Wirtschaft von großer Bedeutung. Es hat also bestimmt einen hohen Stellenwert für die Stadt.
Nun haben Sie heuer im Vorfeld zu einem Ideenwettbewerb eingeladen unter dem Motto „Hauptstadtfest NEU“. Warum – ist das alte in die Jahre gekommen?
Da die Festivallandschaft einem permanenten Wandel unterliegt und in den letzten Jahren auch viele andere Festivals in St. Pölten und Umgebung entstanden sind, haben sich natürlich die Rahmenbedingungen insgesamt geändert. Deshalb gibt es 2007 eben ein neues Konzept. So etwas funktioniert aber nur dann, wenn man genügend Zeit hat. Denn unter massivem Zugzwang kann man nur reagieren. Wenn man genug Zeit hat, kann man aber auch agieren, sich die Rahmenbedingungen anschauen und überlegen, was gut und wertvoll ist. Wir haben unter anderem auch einen Aufruf in den Medien gestartet und die Leute ausgefordert eigene Ideen einzubringen. Einige davon haben wir dann auch aufgegriffen.
Stimmt. Es hieß ja, man wolle ein Themenfestival kreieren und hat letztlich „Latin“ als dieses ausgewählt. Jetzt ist aber plötzlich Austropop dazugekommen, es gibt wieder mehrere Bühnen mit verschiedenen Elementen. Ist diese Konzeptionierung jene, die das Hauptstadtfest neu ausmacht? Wird es so die nächsten Jahre bleiben?
Das ist jetzt einmal ein Anfang, der Prozess ist nicht abgeschlossen. Unser Bemühen geht durchaus nach wie vor in Richtung Themenfestival, wohin wir uns entwickeln möchten. Der Prozess ist also noch nicht abgeschlossen..
Im Großen und Ganzen wollen wir das Hauptstadtfest in den Reigen anderer Festivals einfügen und das Programm so zusammenstellen, dass es sich mit anderen Veranstaltungen ergänzt. Da etwa Austropop, den es nirgendwo anders als Schwerpunkt gibt, oder auch die multikulturelle Schiene im Zuge unseres Aufrufes als Wunsch seitens der Bevölkerung geäußert wurden, haben wir das mitintegriert. Wir möchten, dass sich die Bürger einbringen, dass sie sich mit dem Festival identifizieren.
Dennoch gab’s auch Kritik im Zuge der Neupositionierungsdiskussion. Wie sind Sie damit umgegangen?
Welche Kritik meinen Sie?
Interview: Harry Jenner
Warum findet das Lovely Days Festival heuer nur an einem Tag statt?
Grundsätzlich ist das Lovely Days als 2-Tages-Festival geplant, aber am 7. Juli findet weltweit der „Live Earth“-Event statt, da wäre es schlecht gewesen, die Events mit dem Festival zu konkurrenzieren.
Mit dem „Last Day Out Festival“ am 31. August in Clam meinen manche, ihr wollt dem „Two Days A Week“ in Wiesen zum gleichen Termin den Garaus machen…
Das ist ein kompletter Blödsinn. Im internationalen Show-Zirkus sind gewisse Band-Packages eben nur an einem Tag greifbar, da kann man sich dann entscheiden, ob man es an dem Tag machen will oder nicht. Dass wir das wegen Wiesen machen, ist an den Haaren herbeigezogen, die Terminüberschneidung ist purer Zufall.
Hast du generell eine Meinung zu Wiesen bzw. deren wirtschaftlichen Problemen?
Ich habe mich immer um meine Arbeit gekümmert und meine Ziele verfolgt. Dabei bleibt keine Sekunde Zeit, dass ich mich um Wiesen kümmere oder meine Zeit daran verschwende, jemand anderem zu schaden. Ich bin ein Fan vom Venue und finde schade, was dort passiert. Ich denke, dass es in den letzten Jahren gravierende Managementfehler gegeben hat, aber darauf habe ich keinen Einfluss ausgeübt. Warum sollen wir auch einen Venue für rund 7000 Besucher „bekriegen“? Konkurrenz belebt das Geschäft, aber für die Probleme von Wiesen sorgen wohl deren eigene Fehlentscheidungen.
Letztes Jahr hast du noch das deutsche „Becks“-Bier verteidigen müssen, heuer gibt es eine österreichische Bierlösung…
Dieses Jahr haben wir mit Ottakringer eine österreichische Marke, die beim Nova Rock, Lovely Days, Nuke und Frequency dabei ist. Wir freuen uns sehr jetzt einen österreichischen Sponsor gefunden haben, der das beste Angebot für die Festivals und damit auch für die Besucher gelegt hat.
Was sind deine persönlichen Favoriten im heurigen Festivalsommer?
Puh, das ist immer eine schwierige Frage. Aber natürlich hat man auch persönliche Favoriten. Ich freue mich sehr auf die Österreichpremiere von Interpol am Frequency und über die Beastie Boys in St. Pölten, da ich die noch nie gesehen habe. Beim Nova Rock sinds die Smashing Pumpkins, von denen hatte ich eigentlich schon das Abschiedskonzert gesehen…
Interview: NORBERT „PAULI“ BAUER
Was ist das Besondere am Festivalgelände Pielachtal?
Mittlerweile wurde das Areal komplett verändert und für mich ist es definitiv einer der idyllischsten Plätze für ein etwas kleineres Festival. Ein wunderschöner See, der wirklich sauber ist und noch dazu ein echter Sandbadestrand!
Es war schon einmal geplant, für das Stereo Am See Eintritt zu verlangen. Das ist aber damals gescheitert. Was wird diesmal anders werden?
Mit einem Eintritt von 8 Euro fahren wir das wohl beste Preis-Leistungs-Verhältnis im Festival-Zirkus. Außerdem hat die Verlagerung auch eine Änderung des Konzeptes zugelassen. Wir haben heuer nicht nur eine Live-Bühne, sondern auch eine Samsara- und  Drum’n’Bass Stage. Und auch einer Aftershowparty steht diesmal nichts mehr im Wege.
Wo siehst du selbst die Rolle des „Stereo Am See“ in der Festivallandschaft?
Ich denke, dass wir die notwendige Glaubwürdigkeit mitbringen, ein kleines Festival abseits der Massentauglichkeit auf die Beine zu stellen. Besucher, die das NUKE-Festival noch kennen als es in Zwentendorf war, werden mit dem NUKE 2007 nichts mehr anfangen können. Unsere Idee war damals ein Festival „von Festivalgeher für Festivalgeher“ zu kreieren. Genau da knüpft das „Stereo Am See“ wieder an.
Das House Of Riddim Festival musste letztes Jahr wegen Überschwemmungen kurzerhand ins Warehouse verlegt werden. Was darf man sich heuer erwarten?
Vor Naturgewalten ist man eben nicht gefeit. Dennoch möchten wir zeigen, was wir mit dem House Of Riddim Festival erreicht haben: Es ist mittlerweile das größte Reggae-Festival Österreichs und wird heuer 3 Tage lang der chilligste Ort im Land werden. Top-Acts wie Tony Matterhorn und Yellowman sprechen für sich, aber auch die Rahmenbedingungen sind voll auf unsere Besucher abgestimmt: So kann man wieder direkt beim Zelt parken!
Interview: CHRISTIAN „MEPH“ LAKATOS
Hättest du vor 5 Jahren geglaubt, dass du ein Festival wie das Urban Art Forms von St. Pölten aus erfolgreich aufziehen kannst?
St. Pölten war gar nicht das Thema. Wir haben einfach beschlossen, dieses Festival zu machen. Es hätte auch woanders sein können. Störend ist nur, dass man nach Wiesen und wieder retour 250 km fährt. Das ist besonders schwer, wenn man etwas im Office machen muss. Aber darüber, dass die Location St. Pölten als Organisationsheadquarters ein Problem sein könnte, haben wir uns gar keine Gedanken gemacht.
Also hast du immer an den Erfolg des Projekts geglaubt?
Ja, aber am Anfang war ich leider der Einzige. Viele haben geglaubt, dass die elektronische Musik nicht so gut ankommt, weil wenn man Techno spielt, gefällt es den Drum’n’Bass Leuten nicht und umgekehrt. Die Durchmischung ist dann aber gut angekommen. Die Drum’n’Bass Fans schauen sich einfach die Acts an, die ihnen gefallen, und die Techno Leute suchen sich auch ihre Acts heraus. International, also zum Beispiel in Deutschland oder England, wäre es aber gar nicht möglich, bei einer Veranstaltung Drum’n’Bass und Techno zu spielen. Es schaut so aus, wie wenn wir da einen Akzent in Österreich gesetzt haben.
Was sind denn deine persönlichen Highlights in diesem Festivaljahr?
Ich selbst werde dieses Jahr auf eher weniger Festivals gehen, weil man einfach gesättigt ist, wenn man das ganze Jahr an einem Festival arbeitet. Ich werde aber sicher am Nuke sein, da ich viele Leute von Musicnet kenne, weil ich dort ja mal gearbeitet hab. Gleich nach dem Urban Art Forms werde ich dann aufs Sziget fahren.
Gibt es Acts, die dich besonders interessieren?
An Acts interessiert mich eigentlich nur Linkin Park. Ich war ja früher selbst oft auf Festivals und hab eigentlich schon fast alles gesehen, was ich sehen will. Ich gehe also eher wegen den Leuten hin als wegen den Acts. Oft schau ich mir nur kleine Acts auf Konzerten an, um zu sehen, ob ich die dann selber buchen will.

URBAN ART FORMS:
2. bis 5. August am Festivalgelände Wiesen mit Tiga, Turntablerocker, Dave Clarke, Goldie, Pendulum & MC Verse, uvm (ab Euro 64,- für Festivalpass)
HOUSE OF RIDDIM FESTIVAL: 9. bis 11. August in Hofstetten-Grünau mit Yellowman, Culcha Candela, Tony Matterhorn, Utan Green uvm. (ab Euro 29,- für Festivalpass)
STEREO AM SEE: 14. August in Hofstetten-Grünau mit Mono & Nikitaman, The Staggers, Großstadtgeflüster, DJ Absolum uvm. (ab Euro 8,-)
NOVA ROCK: 15. bis 17. Juni in Nickelsdorf mit Pearl Jam, Smashing Pumpkins, Marilyn Manson, Linkin Park, uvm (ab Euro 93,- für Festivalpass)
LOVELY DAYS: 6. Juli in St. Pölten mit Riders on the Storm, Jethro Tull, Uriah Heep, uvm (ab Euro 49,-)
NUKE:
13. und 14. Juli in St. Pölten mit Beastie Boys, Die Fantastischen Vier, The Prodigy, Wir Sind Helden, Bauchklang, Silbermond uvm (ab Euro 75,- für Festivalpass)
FREQUENCY:
15. bis 17. August am Salzburgring mit Nine Inch Nails, Tool, Seeed, Kaiser Chiefs, uvm. (ab Euro 93,- für Festivalpass)
HAUPTSTADTFEST
29. Juni in der City von St. Pölten mit
Jazz Gitti, Opus, Manuel Ortega uvm. (Freier Eintritt)
SUMMER BLUES STP07 FESTIVAL
28. Juli am Ratzersdorfer See in St. Pölten mit Vince Weber, Hans Theessink, Mojo Blues Band uvm. (ab Euro 24,-)