MFG - Das Leben einer Puppe
Das Leben einer Puppe


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Das Leben einer Puppe

Text Petra Pfeiffer
Ausgabe 03/2011

Die Gedankenwelt einer Puppe ist Inhalt des Musikvideos zu Galaxy, der Singleauskoppelung des neuen I Am Cereals-Albums. Hinter der aufwendigen Stop-Motion Animation stecken Mike Kren und Mirjam Baker. Zwei Künstler, die in ihrer jungen Karriere bereits internationale Erfolge feierten.

Gerald Huber und Daniel Letschka wurden durch die Medien auf Mike Kren und Mirjam Baker aufmerksam. Die beiden Absolventen der Fachhochschule St. Pölten gewannen im Vorjahr mehrere nationale und internationale Preise mit zwei Musikvideos zu Songs von Zoot Women. „Unser Wunsch war es, mit Mike und Mirjam zusammenzuarbeiten. Wir hatten Glück, dass die beiden für ein neues Projekt offen waren“, so Letschka, Schlagzeuger von I Am Cereals. Anfang Juli 2010 begann das Duo am Galaxy-Video zu arbeiten, in Kürze wollen sie das Werk präsentieren – freie Tage gab es dazwischen kaum.
Dialog im Park
Das Konzept zum Galaxy-Video enstand innerhalb eines Monats. Das Grundgerüst der Geschichte hatten Mirjam und Mike innerhalb weniger Tage im Kopf. „Wir hörten das Lied sehr oft, schrieben Texte heraus, um so auf die Essenz des Liedes zu stoßen“, erklärt Kren die Vorgehensweise. Danach folgten Änderungen, Freunden wurde die erste Version vorgelegt, aber grundsätzlich gilt: „Das Konzept ensteht im Dialog zwischen uns beiden“, so Baker. In Parks und Kaffeehäusern haben die beiden viel Zeit verbracht. Orte, an denen beide gut denken und reden können. Kren: „Unsere Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, wir sprechen alles an und haben sehr ähnliche Ansprüche.“
Klein Kinski
Eine animierte Puppe ist Hauptcharakter des Musikvideos. Mike und Mirjam erstellten die Figur in akribischer Kleinstarbeit. Eine unbeabsichtigte Ähnlichkeit mit Klaus Kinski war Auslöser für die Namensgebung. Klaus besteht aus einem plastilin-ähnlichen Material. Erst wurden die Prototypen der einzelnen Extremitäten geformt, in zweiteiligen Gipsformen das Skelett der Puppe aus Metallteilen mit Kugelgelenken hinzugefügt. Schließlich wurden die Formen mit flüssigem Latex-Schaum aufgefüllt, der nach einer Backzeit von mehreren Stunden fest und elastisch wurde. „Das richtige Mischverhältnis dieses Schaumes zu erhalten ist eine Wissenschaft für sich. Es gibt dazu keine Dokumentationen“, so Baker.
Handwerkskunst
Das Video zeigt zu Beginn einen leeren, heruntergekommenen Raum. Es handelt sich um die Gedankenwelt von Klaus, der er nicht entkommen kann. Erst am Ende gelingt ihm der erlösende Ausbruch. Der Raum, in dem sich Klaus befindet, ähnelt einem Puppenhaus und ist das Set, welches Mike und Mirjam bauten. Um zum Beispiel die Struktur und Farbe einer alten, vergammelten Tapete zu erhalten, gossen die beiden Kaffee auf Papier und erhofften durch Trocknen den gewünschten Effekt, ehe sie mit dem Drucker eine für sich noch bessere Lösung entdeckten. Ähnlich aufwendig wie die Tapete enstanden Bett, Kasten, Heizkörper oder die Lichtschalter des Raumes – alles eigenhändig modelliert und geformt. „Die Band war sehr geduldig und hat uns den Rücken freigehalten, was uns sehr geholfen hat“, erinnert sich Kren. I Am Cereals über das Video nach der Zwischenpräsentation: „Die unglaubliche Detailverliebtheit hat uns immer wieder in Staunen versetzt. Die beiden haben damit etwas ganz Großes geschaffen.“
In einer Stop-Motion Animation wurde Klaus in seiner Gedankenwelt schließlich zum Leben erweckt. Diese Animationsform entsteht durch Einzelbildaufnahmen von Objekten, welche verschoben oder verändert werden. Beim Abspielen in Normalgeschwindigkeit werden so Bewegungsabläufe suggeriert. Für die Aufnahmen erhielt das Team von Nikon eine Spiegelreflexkamera gesponsert. Um die Bewegungen von Klaus möglichst lebendig und realisitsch zu gestalten, hat das Duo einen Tänzer organisiert. Anhand dessen Körpersprache wurde die Puppe animiert.
Asketischer Lebensstil
Für das Musikvideo erhielten Kren und Baker ein Grundkapital von I Am Cereals, die Finanzierung stellt jedoch generell ein Problem dar. „Die Musikwelt ist im Umbruch, die Gelder sind knapp“, so Kren. Für dieses Projekt haben die beiden eine Förderung vom Bundesministerium erhalten, mit medientechnischen Jobs kommen sie über die Runden. „Wir sehen es als Startkapital, wir investieren in uns selber, niemand zwingt uns zu dem, was wir tun. Und: Wir führen einen asketischen Lebensstil“, fügt Kren schmunzelnd hinzu.

Web 2.0 Band

Ende Jänner 2011 erschien „Galaxy“, das neue Album von I Am Cereals. Die niederösterreichischen Musiker überzeugen mit textlicher Tiefe sowie anspruchsvollen Pop- und Dance-Elementen. „Wir sind eine Web 2.0 Band“, so Ben Martin. Gearbeitet wird im Schichtbetrieb – künstlerisch und personell, aber immer miteinander verbunden. Meist beginnen Ben Martin, Daniel Letschka und Gerald Huber mit der ersten Runde, bei einigen Songs ist auch Felix Teiretzbacher am Entstehungsprozess beteiligt. Sie bauen das Fundament und stecken den Kurs ab, ehe Marcus Hufnagl und Christoph Richter dazustoßen und weiter modellieren. Der Großteil des Albums ist live eingespielt, nur wenig ist programmiert. Sounds und Melodien entstehen dabei oft zufällig und ergeben am Ende, zwölf Songs später, einen kunstvollen Popplaneten. „Wir haben unsere musikalische Vision auf den Punkt gebracht“, so Martin. Die galaktische Reise handelt von Individualismus, Alltag oder Liebe. „Je nach Tagesverfassung“ der Bandmitglieder varrieren auch deren persönliche Favoriten des Albums. Der Song „My Reality“ ist bei allen irgendwie die geheime Nummer eins und „geht immer“. Das Coverlayout, entworfen von Marcus Hufnagl, bringt „Galaxy“ auf den Punkt. „Ein bisschen galaktisch, ein bisschen Barock, hell und einfach anders“, so Hufnagl.
I Am Cereals in St. Pölten
2. April 2011: Freiraum; 22. Juli 2011: Beatpatrol Festival, VAZ
Weitere Infos und Konzerttermine: www.iamcereals.com
Infos zur Person:
Mike Kren, geboren am 22.4.1981, kommt aus Wien.
Mirjam Baker, geboren am 7.7.1985, kommt aus Mank und lebt seit 2004 in Wien. Infos unter: www.cinemabochen.com