MFG - In was für einer Stadt leben wir eigentlich...
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In was für einer Stadt leben wir eigentlich...

Ausgabe 09/2014
In der Samir Kesetovic den Schlager „Ob blond ob braun, ich liebe alle Frauen“ aufs politische Parkett überführt hat. Taucht er doch immer wieder mit einer neuen politischen Geliebten am Arm auf. Sind es ursprünglich die Grünen, für die lange Zeit sein Herz schlug, so verblüffte der AK-Kammerrat bei den letzten St. Pöltner Gemeinderatswahlen mit seiner amour fou mit Claudia Tobias vom BZÖ, was den beiden den Namen „Twinni“ einbrachte. Und nun hat er sich eine ganz junge Begleitung in Pink geangelt: In Wilhelmsburg möchte er für  die NEOS antreten. NEOS Regionalkoordinator Wolfgang Grabensteiner jubelt darob in den Bezirksblättern: „Samir ist Goldes wert“, weil sich bei den NEOS u. a. Leute finden, die sich nicht dafür interessieren, „welchen Posten sie als nächsten bekommen.“ Auch Kesetovic schimpft gerne auf die Sesselkleber – einen schnappen möchte er sich aber offensichtlich immer, egal in welcher Konstellation. Und so hört man dieser Tage ein neues Lied in Wilhelmsburg: „Ob pink, orange, ich bin überall zuhaus!“ In der das Magistrat noch nicht einmal seine Aussendung zur „Kommunikationsoffensive“-Pressekonferenz ausgeschickt hatte (in der es um den neuen online-Auftritt des St. Pölten konkret, öffentliches w-lan und einen online-Eventkalender ging), und schon vorher eine Replik der ÖVP St. Pölten darauf eintrudelte, welche ätzte: „Offenbar wollte man bereits bestehenden Angeboten einen neuen Anstrich verpassen und sich der Bürgermeister feiern lassen.“ Damit hatte man natürlich absolut recht, denn die im Anschluss an die Frohe Botschaft spontan durchgeführten Autokorsos mit glücklichen, Stadlerfahnen schwingenden Bürgern, die lauthals „konkret – konkret“ und „Vivat Stadler“ skandierten, waren ebenso wenig zu übersehen, wie der Streitwagen, auf dem das Stadtoberhaupt rund um den abgesperrten Europaplatz fuhr, um die Ovationen des enthusiasmierten Volkes entgegenzunehmen. Der Bürgermeister versteht halt, auf welch unglaublich publikums- und medienwirksame Themen er setzen muss – die ÖVP auch? In der Volksanwälte auf irritierende Weise ihres Amtes walten. So präsentierte Volks­anwalt Peter Fichtenbauer bei einer Pressekonferenz zahlreiche angeblich aktuelle Fotos von Müllbergen beim Frequency 2014 und erregte sich darüber, dass viel zu wenige Sanitäranlagen und Mistkübel für die Menschenmassen bereitstünden: „Dagegen muss etwas unternommen werden.“
Den Einwurf einer Journalistin, dass die vorgelegten bunten Fotos alt und altbekannt seien und der Müll längst auf der Deponie gelandet sei, ließ Fichtenbauer nicht gelten. Er habe Bilder und Information von einer Anrainerin des Festivalgeländes erhalten. Vor Ort selbst überzeugt hat sich der Anwalt des Volkes allerdings nicht, und er hat offensichtlich auch nicht andere Stimmen, Betrachtungen, Meinungen eingeholt oder sich über das aktuelle System informiert. Seltsam. Denn als Jurist sollte ihm ein noch immer gültiger Satz aus dem römischen Recht geläufig sein: „Audiatur altera pars.“ Und Volk kommt noch immer von populus und nicht populismus.