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St. Pöltens gute Seite

Kommen Sie Nährer!

Text Siegrid Mayer
Ausgabe 09/2014

Er näherte sich künstlerisch dem „Tabu“ Josef Fritzl an, fragte „Wo Gott wohnt“ oder zerschlug im Stadtmuseum Krems als Teil des Kunstwerkes sein eigenes Werk, um an die Wand „SCHEISS-KUNST“ zu sprayen. Nun bringt das Stadtmuseum St. Pölten ab 24. Oktober eine Einzelausstellung mit Werken von Florian Nährer. Grund genug, den Künstler zum Gespräch zu bitten.

Sie nennen Ihre Ausstellung „Das Beste kommt noch “, wie ist das zu verstehen?
Der Titel bezieht sich auf Maurizio Cattelans Antwort auf die Frage nach seiner wichtigsten Arbeit: „Die nächste Arbeit ist immer die wichtigste.“ Denn der Blick muss in der Kunst immer vorwärts gerichtet sein. Die neue Serie „Grace Expectations“ zeigt in großformatigen Arbeiten Räumlichkeiten, die verwahrlost sind. Ich bezeichne solche als Sehnsuchtsorte: Kirchen, Friedhöfe, leer stehende Diskotheken wie etwa die „Fabrik“ oder der „Diskostadl“ in Obritzberg – man spürt an solchen Orten immer noch die in diesen Räumen verhaftete Erwartungshaltung.
Religion spielt auch immer wieder eine Rolle in Ihrer Kunst – woher rührt das?
Meine Kunst hat grundsätzlich seit den 90er Jahren mit Religion zu tun. Anfangs gab es monochrome, kontemplative, meditative Bilder. Etwa ab 2000 dann graphische, figurative kleinere Arbeiten, weil mir die Aussage wichtiger wurde. Nicht meine Familie, aber mein Freundeskreis war religiös, und dies hat sich in der Pubertät gefestigt. Letztlich soll meine Kunst widerspiegeln, was mich beschäftigt – und da spielt Glaube, Religion eine große Rolle.
Wird man da nicht rasch in eine religiöse Schublade gesteckt, à la „der heilige Bruder“?
Es ist in der Kunstszene nicht unbedingt gut angesehen, wenn man zu Religion und Glaubensinhalten positiv steht. Das beschäftigt mich aber. Wie man das Paradoxon Gott und Mensch etwa in einer Person darstellen kann, habe ich mit „Holy Shit“ bearbeitet, wobei die zeitgenössische Aufbereitung dieser Themen eine große Herausforderung darstellt.

Auch eine, wie man anhand von Reaktionen auf ihre Ausstellungen immer wieder erlebt, die kontrovers aufgenommen wird.

Ja, aber das empfinde ich nicht als kränkend oder verletzend. Es geht ja nicht darum, dass alle sagen „Das ist schön!“

Wie würden Sie Ihre Arbeitsweise beschreiben?

Eigentlich ist bei mir keine einheitlich formale Linie zu erkennen, ich arbeite nicht frei, das ist mir zu beliebig. Inspiration zu Arbeiten erfolgt oft zufällig. Zur Zeit beschäftigen mich Themen wie Sehnsuchtsorte, Kirche, Friedhof, Diskotheken, aber auch Berge, denn die „Bergspitze“ ist im religiösen Kontext immer gleichzusetzen mit „Gottesbegegnung“.
Oftmals entstehen aber inhaltlich aufgeladenere Arbeiten durch Einladungen zu Ausstellungen, wo man gezwungen ist, sich mit vorgegebenen Themen zu befassen. Wie bei einer Ausstellung in Krems. Thema war das Museum und sein Betrieb in Krems, dazu kam dann die Reaktion auf Kunstwerke und die Wertschöpfung daraus. Während der Eröffnung habe ich in einer Aktion mein Kunstwerk weiterbearbeitet (Anmerkung der Redaktion: zerschlagen und eine Botschaft an die Wand gesprayt – das Video ist auf www.youtube.com unter dem Suchbegriff „Reaktion : Kremsmuseum“ von Flo N zu finden)
Jetzt hat mir der Kremser Kulturamtsleiter die Restauration auf meine Kosten in Auftrag gegeben – die Wand sei durch die Sprayfarbe beschädigt. Bei den Aufräumarbeiten wurden allerdings Teile der Installation entfernt, in meinem Sinne also das Kunstwerk zerstört!
Das erinnert an Beuys!
(lacht) Irgendwie ja – ich weiß noch nicht, ob das ein Nachspiel haben wird.
Sie scheuen offenbar nicht die „Provokation“ – sind Sie ein politischer Künstler?
Auf keinen Fall würde ich mich politisch vereinnahmen, also etwa auf eine Unterstützungsliste setzen lassen. Aber wenn „politischer Mensch“ heißt, eine Meinung zu haben und dazu zu stehen, dann ja, dann bin ich ein politischer Mensch. Ich gehe, was ganz wichtig ist, auch wählen. Allerdings findet die wichtigste Wahl schon beim Einkauf im Supermarkt statt!
Künstlerisch tätig zu sein kostet neben Zeit auch Geld, wie z. B. für Material oder ein Atelier. Wie finanzieren Sie sich?
Durch Verkauf der Bilder, weiters unterrichte ich – und das mit sehr viel Freude – seit 10 Jahren „Kunsterziehung“ im BORG Krems.
Kann man eigentlich in Österreich von seiner Kunst leben?
Das kommt immer darauf an, wie man leben will. Ich führe ein bürgerliches Leben, bin verheiratet, habe drei Kinder, wohne in einem Haus am Stadtrand, es gibt nur keinen Hund. Ich wollte auch immer so leben. Es hat mich auch nie interessiert von St. Pölten wegzugehen. Bei einem einmonatigen Auslandsstipendium in Budapest war ich dort sorglos, aber unglücklich. Ich kann so am besten arbeiten, wie ein Beamter, von 8-12 Uhr im Atelier, eine Mittagspause von 12-13 Uhr, und um 18 Uhr ist Ende. Zuhause kann ich dann Vater sein und bin „frei“. Entspannung bringt mir das Laufen, aber auch dies ist genau geplant. Dadurch erlebe ich auch enorme Freiheiten, wobei soviel Freiheit für mich gar nicht mehr so erstrebenswert ist.
Sie haben diverse Auftragsarbeiten angefertigt, etwa eine Wand im Café Emmi gestaltet oder das Etikett für den Hauptstadtwein 2014 entworfen. Wie weit muss man sich bei solchen Arbeiten verbiegen?
Fürs Café Emmi habe ich einen Entwurf geliefert, der dann besprochen wurde und dann passt es für mich auch. Ich mache aber eh nur, was ich will. Weil (schmunzelt) sonst kann ich es halt nicht.
Kann man sich als Künstler abarbeiten, jemals „fertig“ sein?
Ja! Es ist durchaus möglich, dass ich als Künstler auch einmal fertig bin. Wenn nichts mehr kommt, muss man auch ehrlich zu sich selber sein. Dann mache ich vielleicht etwas anderes – aber noch gibt es genug zu tun. Ich mache die Bilder, weil ich sie machen muss! Es gibt nichts in meinem Leben, das ich so intensiv gemacht habe und musste. Nicht im Sinne von purem egomanischen Scheiß, sondern es ist einfach so. Infos auf www.naehrer.com