MFG - Das Haus des Rhythmus
Das Haus des Rhythmus


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Das Haus des Rhythmus

Text Michael Käfer
Ausgabe 06/2014

Die Reggaeband House of Riddim feiert heuer ihr zehnjähriges Bestehen. In St. Pölten als Local Heroes bekannt, hat sich der Brand schon längst als internationale Größe etabliert. Als Begleitband ist sie mit zahlreichen Reggae-Berühmtheiten bereits live auf der Bühne gestanden, selbige gehen im Karlstettner Tonstudio ein und aus.

House Of Riddim-Gründer und Kopf Sam Gilly beschreibt den Ist-Zustand so: „Wir touren sehr viel, rund 100 Konzerte pro Jahr. Daneben verkaufen wir aber auch CDs und produzieren viel in unserem eigenen Tonstudio in Karlstetten.“ Die Mitstreiter Herb Pinker, Manfred Scheer und Parvez Syed wohnen in Wien, Sam Gilly lebt mit seiner Familie in Karlstetten. Er ist mit Musik aufgewachsen, bereits als Sechsjähriger hörte er beim Bruder eine prägende LP des legendären Burning Spear mit. Dass er viele fleißige Jahre später mit den mittlerweile gealterten Pionieren des Roots-Reggae selbst auf der Bühne stehen würde, hätte er wohl selbst nicht geglaubt. Als Beispiel sei der Sänger von Black Uhuru, Michael Rose, genannt. Doch auch die junge Garde, wie Jan Delay oder Gentleman, arbeiten mit House Of Riddim zusammen.

Spätzünder. Dabei deutete lange Zeit gar nichts auf eine Musikkarriere hin – erst mit 20 Jahren begann Gilly Schlagzeug zu spielen, dafür aber umso intensiver. Als er nach einer spontanen Entscheidung über Nacht zum Drummer der St. Pöltner Reggae-Formation Roots Vibration wurde, führte ihn sein erster Weg nach Wien – nicht etwa, um in einer ausverkauften Halle aufzutreten, sondern er musste einmal ein Schlagzeug kaufen. Einige Jahre intensiven Spiels und genau zwei Musikschulstunden später verschickte der Autodidakt seine ersten Produktionen. „Den Einstieg verdanke ich dem Müncher Label Soulfire Artists, die haben mein erstes Album produziert“, erinnert sich Gilly. An der Platte „Sam Gilly’s House Of Riddim Presents“ waren 14 Sänger beteiligt. Sie erschien 2004 und geht heute noch immer unter die Haut.
Nach dem gelungenen Einstieg avancierte House Of Riddim nicht nur alsbald zu einem international gefragten Produzenten, sondern auch – was ursprünglich nicht geplant war – zu einer tourenden Backing-Band. Hunderte Konzerte quer durch Europa wurden gespielt, im Winter wurdeen in Karlstetten fleißig Songs produziert. Wenig verwunderlich, dass bei diesem zeitintensiven Output die Band auch mit einem Ausstieg konfrontiert war: Der geniale Gitarrist Johannes M. Knoll verließ die Band, ist dem House of Riddim aber bis heute freundschaftlich verbunden. Auch mit anderen St. Pöltnern, wie z.B. Bauchklang oder Lukascher, arbeitet das House Of Riddim ab und an zusammen.

Sprung ins Wasser. Gilly hatte zuvor versucht, als Schlagzeuglehrer von der Musik zu leben. Nach sieben Jahren hängte er den Beruf aber an den Nagel und beschloss, Produzent zu werden – Mut, der sich bezahlt machte: Heute leben alle vier Musiker von ihrer Hauptbeschäftigung. Gilly legt dabei Wert darauf, „bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten, wie das in jedem anderen Job auch ist.“ Dass es trotzdem manchmal eng wird, zeigt das aktuelle Programm: „Wir sind derzeit eigentlich auf einer Europatour mit Anthony B., dazwischen produzieren wir aber in Karlstetten gerade mit einem Sänger aus Kalifornien und veröffentlichen anlässlich des Zehners jede Woche einen neuen Song!“ Die angesprochene Tour dauert noch bis September, und es kommt schon mal vor, dass gleich fünf Gigs pro Woche zu absolvieren sind. In Österreich wird nur drei Mal gespielt, „weil der Markt hierzulande sehr klein ist.“

Gott Jah in Karlstetten? Obwohl zuletzt immer mehr Backing-Bands aus dem Boden schießen, hält sich House Of Riddim solide on top. Rund 90 Prozent der „Kunden“ kommen aus Jamaika und den USA, für 2014 ist die Band bereits ausgebucht! Kurios – und ein Gütesiegel für House Of Riddim – ist dabei die Vorstellung, dass internationale Reggae-Größen wie die Jamaikaner Ranking Joe oder Fankie Paul zu Aufnahmen ins ländliche Karlstetten pilgern. Dies kann dann zu durchaus witzigen Episoden führen. So soll niemand Geringerer als der in die Jahre gekommene Everton Blender nach Feierabend im Dorfwirtshaus versucht haben, den Bauern der Region den Gott der Rastafari, „Jah“, näherzubringen.

Bleibt zuletzt noch die Frage, mit wem Gilly gerne einmal zusammenarbeiten würde? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Neil Young!“