MFG - Is this the end?
Is this the end?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Is this the end?

Text Siegrid Mayer
Ausgabe 11/2013

Bauchklang gilt als Aushängeschild der St. Pöltner Musikszene, auf Grund der Gerüchte zu einer Auflösung der Band wollte es das MFG Team genau wissen. Wir trafen BK vor ihrem Auftritt in der alten Linzer Tabakfabrik zu einem ausführlichen Interview.

Wie läuft das so vor einem Konzert ab – habt ihr Rituale?
Gerald Huber: Im Normalfall treffen wir uns eine dreiviertel Stunde vorher. Phillip und Andi machen meistens Übungen zum Einsingen, Alex zieht sich zurück, und ich bin derjenige, der direkt vom Sofa aufsteht und auf die Bühne geht. Kurz vorm Auftritt gibt es noch ein gemeinsames Einschwören.
 
Alex ist ruhig? Musst du sozusagen vorher in Dich gehen?
Alexander Böck: Das ist einfach mein Naturell. Ich bin nicht so wie Scooter, der sich Backstage „aufganserln“ muss, um dann auf der Bühne zu funktionieren.
Wieso habt ihr euch eigentlich nie den ganz großen Erfolg geholt, seid den Weg über den Kommerz, über Ö3 gegangen?
Christian Birawsky (Bina): Dazu muss es allen voran einmal eine Grundeinstellung geben, und dann ist es noch immer extrem schwierig und mit viel Arbeit verbunden. Das muss man mögen, es wird einem nichts geschenkt! Und nur weil du Musik machst, heißt das ja noch lange nicht, dass du einen Hit produzieren kannst – zudem gehört auch die ganze Promokiste dazu, wo du irgendein Image durchziehen musst, das du vielleicht gar nicht bist…
BK: Und du musst das Musikmaterial dafür haben!
Aber das ist doch der Fall bei euch!
BK: Nein. In Vergangenheit gab es zwar immer wieder Berater und Kollegen, die meinten „Na macht’s doch mal einen Hit“, und es gab auch die eine oder andere Studio Session, wo wir in diese Richtung gearbeitet haben, aber letztlich hat es nicht funktioniert. Und etwas „Hittiges“ zu machen, nur um mehr Kohle zu verdienen, obwohl man nicht dahinter steht – das war nie unser Weg.
Huber: Man müsste – gerade auch bei Ö3 – viele Kompromisse eingehen, und wir sind künstlerisch nicht gerade als die kompromissbereiteste Band bekannt. Ö3 ist sowieso ein Reizthema für uns (BK lachen) – aber jetzt nicht mehr! Es gibt ja extrem viele gute Acts, die das Potential hätten, gespielt zu werden – und da spreche ich jetzt gar nicht von uns – aber die werden halt ignoriert. Es gibt keinen Support.
Das ist noch immer so, dass Österreicher nicht gespielt werden?
BK: Ja.
Ihr hattet schon Gigs in Übersee, Kanada, Indien – warum ist es dann nicht Richtung Welttournee weiter gegangen?
Andy Fränzl: Es gab durchaus Momente, wo wir knapp davor standen, aber zuletzt haben einige Ingredienzien im Managementbereich gefehlt, um wirklich richtig weiter zu  kommen. Und einige Dinge, wie z. B. Werbegeschichten, wofür wir uns hätten verbiegen müssen, haben einfach nicht zu unserer Gruppenidentität gepasst.
Böck: Um in Übersee spielen zu können, brauchst du einen Partner, der das Projekt finanziert, und einen – für uns wichtig – der dich nicht verbiegen möchte. Im Endeffekt ist es also auch am Geld gescheitert.
Und du kannst dir vielleicht Österreich mittels Touren erspielen, aber in Deutschland funktioniert das schon nicht mehr, geschweige denn in den Staaten ... denn da wärst du 80, wenn du dir das Land mit Konzerten erobert hast. Und in Österreich haben wir auch nie die Riesenhörerschaft gehabt. Natürlich haben wir ein gewisses Standing, aber es gibt trotzdem Millionen von Leuten, die von Bauchklang noch nie etwas gehört haben.
Bina: Es ist eine Nische, eine absolute Nische – aber dafür ist es cool.
Von der großen Welt in die Heimat. Wie ist euer Bezug zu St. Pölten. Wie erleben Bina als Münchner und Phillip als Linzer die Stadt?
Bina: Ich habe St Pölten zuerst über den SKW und die Pension Tritsch Tratsch, die liegt ja da irgendwo im Industrieviertel, kennengelernt. Der zweite Eindruck war dann beim Hubsi, der am Fluss neben dem Regierungsviertel wohnt, das ja tot ist, wenn man da am Samstagnachmittag durchgeht. Und dann kenne ich natürlich die Altstadt. Die ist lieb, klein, und überschaubar. Aja und die Aquacity gibt’s noch!
Philipp Sageder: Der einzige echte St. Pöltner ist eigentlich Alex, die anderen kommen ja auch aus der Umgebung. St. Pölten war halt irgendwie die Homebase, dadurch wächst einem der Ort ans Herz. Ich hätte nie geglaubt, dass ich jemals nach St. Pölten komme. Aber es gibt hier wirklich gute Musiker.
Bina: Ja! Es gibt extrem gute Musiker sogar, und es gibt größere Städte, wo bedeutend weniger los ist.
Fränzl:  Der Bezug zu St. Pölten hat sich natürlich im Laufe der Jahre verändert. Zu Beginn sind wir hier noch in die Schule gegangen, so im Alter zwischen 17 und 19 Jahren, je nachdem wie oft du wiederholt hast (lacht). Danach habe ich in Wien gewohnt, aber geprobt haben wir am SKW, später hat es sich dann allerdings auch nach Wien verlagert. Aber wir haben unsere Herkunft immer vor uns hergetragen, auch gegenüber andern Bands. Und obwohl die Hälfte von Bauchklang seit zehn Jahren in Wien wohnt, haben wir eigentlich nie gesagt, wir sind eine Wiener Band. Der St. Pöltner Stempel ist uns sozusagen geblieben, es war aber auch eine bewusste Entscheidung … auch wenn wir dafür oft genug ausgelacht wurden.
Schlagwort „Sex & Drugs & Beat Boxing“: Kann man so ein Image pflegen?
Sageder: Angeblich haben wir ein ziemlich verruchtes Image und wir versuchen erst seit kurzer Zeit dem wirklich gerecht zu werden (lacht). Natürlich gibt es immer wieder Partys und entspannende Momente, aber wir sind jetzt nicht die Band, die mehr Frauen im Tourbus hat als Techniker…
Böck: Wir sind eigentlich relativ steady, es gibt nicht dieses „Jetzt bin ich auf Tour und kann mich endlich voll ausleben.“ Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass unser Erfolg langsam gewachsen ist, nicht so wie bei jungen Bands, die mit dem Erfolg über Nacht vollkommen auszucken.
Eure Konzerte sind ja auch körperlich anstrengend, da kann man wohl eher schwer mit einem hang over auf die Bühne gehen, oder?
Sageder: Naja es geht schon, aber du musst halt aufpassen, denn du hast ja keine neuen Saiten, die du aufziehen kannst. Das macht auch den Unterschied zu wirklich jedem anderen Instrumentalmusiker aus – wir müssen tatsächlich jeden Tag den Sound, den wir machen, neu erfinden.
Neu erfinden, finden möchte sich auch Bauchklang und macht eine Schaffenspause. Alex verlässt die Gruppe. Warum Alex?
Böck: Ich habe bis jetzt alle Interviews abgelehnt. Es ist eine Mischung aus verschiedenen Gründen und der Wunsch zur Umentwicklung. Also keine Weiterentwicklung, sondern eben die Entwicklung in eine andere Richtung. Selbst in der Phase, als mein Schritt bekannt wurde, war relativ wenig Interesse dafür. Ich habe mich immer aus der Presse herausgehalten.
Mein Statement ist: Es war total geil. Es war, was es war, und es ist einfach eine neue Zeit angebrochen aus verschiedenen Gründen. Und es wird auf jeden Fall weitergehen.
Es ist nicht so: „Bauchklang ist satt und schiebt den Teller weg“?
Böck: Nein. Es gibt jetzt ein halbes Jahr Pause und dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Dass es das Ende ist, mit dem Gedanken spielen die Medien gerne, weil es so schön plakativ klingt. Aber es stimmt nicht!
Also ist eigentlich alles offen ...
Fränzl: Der Moment ist stimmig für uns. Die letzten Jahre haben wir uns alle völlig dem Projekt verpflichtet gefühlt, waren ständig dafür abrufbar. Es gab nie länger als drei Wochen Urlaub. Jetzt passt es gut. Alex wollten und könnten wir sowieso nicht nachbesetzen. Jetzt werden wir jeder für sich die Zeit nutzen.
Was macht Ihr in der Zeit, die euch diese Pause beschert?
Huber: „Visch“, das Projekt mit meiner Frau und einem befreundeten Pärchen ist mein großes Thema (www.visch.at, Anm.), weil wir unseren Lebensraum verändern wollen. Ich werde verstärkt Beat Boxing Workshops anbieten und weiterhin Musik machen.
Fränzl: Ich habe mir noch wenig Gedanken darüber gemacht, eventuell gehe ich mehr in Richtung Malerei. Auf jeden Fall mache ich musikalisch Dinge, die ich mir bisher verwehrt habe.
Bina: Ich habe in München meine Base. Mich hat ein Spezl gefragt, ob ich Theater spielen will, jetzt versuche ich mal das, und dann will ich Musik machen.
Sageder: Ich möchte auch Musik machen. Vorher lege ich eine kurze Pause ein, besuche über den Februar meine Familie in Indien. Ich bin mit verschiedensten Leuten an einigen Projekten dran.
Böck: Ich habe diese Gedanken für mich außen vor gelassen, lasse mir Zeit bis 1.1. Ich habe jedenfalls vor etwas ganz anderes zu machen, vollkommen weg von der Musik.
Konntet ihr eigentlich von Bauchklang leben, oder müsst Ihr die Schaffenspause zum Geldverdienen einlegen?
Fränzl: Es ging sich aus, wenn wir auch nicht reich wurden. Aber das Schöne ist, dass wir unabhängig sind und uns immer voll auf das Künstlerische konzentrieren konnten. Wir sind nie abgehoben, daher ging es sich aus, und Geld war sowieso nie eine Motivation.
 
Meine Abschlussfrage: Bauchklang und Song Contest?

Fränzl: Ihr werdet es nicht glauben, aber diese Frage ist von gewissen Ecken immer wieder an uns herangetragen worden.
Böck: (lacht) Das machen wir 2015 – ich habe schon vor 15 Jahren gesagt, der Song Contest  ist unser letzter Gig.
Bleibt mir nur noch anzumerken: Warum sitzen nicht Musiker wie Bauchklang, sondern – bei allem Respekt für Sido – ein deutscher „Hip Hop Popper“ in der Jury der österreichischen Talente-Schau „Die große Chance“? Und: Ich hoffe, dass unsere Kinder in einigen Jahren auch noch vor der Bühne bei Bauchklang genauso auszucken können wie wir, als uns die Jungs mit ihren unglaublichen Soundkonstruktionen wie die Puppen tanzen ließen … Danke BK!