MFG - In was für einer Stadt leben wir eigentlich...
In was für einer Stadt leben wir eigentlich...


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In was für einer Stadt leben wir eigentlich...

Ausgabe 06/2015
… in der wir nicht nur granteln, sondern auch loben dürfen. Es mag wie eine Lappalie wirken, aber wer die geschundene St. Pöltner Image-Seele kennt, der wird unseren Befund teilen. Es ist tatsächlich ein Fortschritt, den wir aus Unterradlberg verkünden dürfen! Im April wurden nämlich neue Produkte präsentiert, jedoch nicht irgendwelche Produkte, nein, es geht um unser aller Bier, das Egger-Bier samt neuen, feschen Gläsern. Und bei der zugehörigen Presseaussendung wurde tatsächlich angeführt, dass der Sitz des Unternehmens in „St. Pölten-Unterradlberg“ ist. Bisher ließ man die Ortsangabe „St. Pölten“ bei der Unternehmenskommunikation nämlich weg und war lieber im „niederösterreichischen Radlberg“ zuhause – nur nicht an St. Pölten anstreifen, hatte es den Anschein. Nun aber können wir hoffen, dass sich allmählich die Erkenntnis durchsetzt, dass es für Bierfreunde doch gar nicht so ungustiös wäre, wenn auf der Dose steht, dass diese in St. Pölten abgefüllt wurde. Noch steht dort freilich das malerische „Unterradlberg“.
... in der St. Pölten quasi Salzburg werden soll, wie FP-Gemeinderat Klaus Otzelberger fordert. Freilich soll sie es Salzburg nicht in touristischer Hinsicht gleich tun, sondern in Sachen Law & Order. So fordert Otzelberger ein sektorales Bettelverbot, wie es vor Kurzem in Salzburg in Kraft getreten ist, weil das Betteln „zur Plage“ geworden ist, wie er wissen ließ.
Dumm an der Sache ist nur, dass St. Pölten die Hauptstadt von Niederösterreich ist – und in diesem Bundesland ist seit 1. Jänner 2015 laut § 1a des Polizeistrafgesetzes Betteln „in aufdringlicher oder aggressiver Weise – darunter wird jede Aktivität, die über das bloße kein Hindernis bildende Sitzen oder Stehen hinausgeht verstanden – verboten.“
Jurist Otzelberger hat also zart ignoriert, dass die von ihm angeprangerte Form des Bettelns ohnedies verboten ist – und zwar generell, weshalb auch eine Forderung nach einem sektoralen Verbot obsolet ist. Ganz abgesehen davon, dass die Stadt darauf keinen Einfluss hat, weil die Materie im landesweit gültigen Polizeistrafgesetz geregelt ist.
... in der die Grünen auf den Urban Gardening Trend aufspringen wollen – mit einer kuriosen Aktion: Plötzlich verschandelten unzählige Obstkistln die Fußgängerzone. Der Inhalt: bodenbedeckte Erde, daraus lugten Salat- und Gemüsepflanzerl hervor, die dort nie „erwachsen“ hätten werden können. Und ein Zetterl: „Bitte gießen und genießen“. Das Guerilla Gardening à la St. Pölten endete allerdings im Babypflanzenmord: Der Regen verteilte das bisserl Erde auf den Gehwegen, nicht ertrunken sind nur diejenigen Stecklinge, die adoptiert, also gefladert wurden. Zurück blieben leere oder wassergefüllte Holztragerl, in denen grünes Blattwerk verfaulte. Kritik an der wenig effektiven Aktion war nicht erwünscht: Wer im sozialen Netzwerk sowas wie „gut gemeint ist das Gegenteil von gut“ von sich gab, den beschimpften die „lachanophilen“ Polit-Grünen als lachanophob, also pflanzenfeindlich.
Wenn so das neue „Wahlengagement“  der Grünen aussieht, sollte man die Taktik vielleicht nochmals überdenken.