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St. Pöltens gute Seite

Die universale Netzwerkerin

Text Beate Steiner
Ausgabe 02/2018

Kompetenz, breitgefächertes Wissen, Charme und Neugier haben die Juristin Martina Amler an die Spitze der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse gebracht – und zu vielen weiteren Top-Funktionen.

Die geb’ ich nimmer her“, bestimmte Fritz Schöggl in den 1990er-Jahren. Der damalige Leiter der Versicherungsabteilung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse erkannte schon damals, wie wertvoll Martina Amler für das Sozialversicherungsunternehmen war – und noch immer ist. Denn mittlerweile ist die 58-jährige Juristin Direktorin der NÖGKK und mittendrin im Geschehen und federführend bei Verhandlungen über die Zukunft des niederösterreichischen Krankenversicherungswesens.
Begonnen hat die Krankenkassenkarriere der Martina Amler vor genau 33 Jahren, am 1. März 1985. Nach ihrem Jusstudium und dem Gerichtsjahr suchte sie eine Anstellung: „Anwältin wollte ich nicht werden,  Richterinnen gab es damals genug, also schrieb ich Bewerbungen an Banken, Versicherungen, öffentliche Institutionen.“ Sie landete als Verwaltungsangestellte bei der NÖGKK, drückte zunächst Eingangsstempel auf Ansuchen, durchlief sämtlich Bereiche im Betrieb bis zu Fritz Schöggls Versicherungsabteilung. Der musste seine Mitarbeiterin dann doch hergeben, sie wurde Abteilungsleiterin der Rechtsabteilung, schließlich Direktorin. Vor einiger Zeit war Martina Amler als Generaldirektor-Stellvertreterin des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger im Gespräch. „Ich bin froh, dass daraus nichts geworden ist“, stellt die NÖGKK-Direktorin fest, denn „wie die Kasse tickt, das kenn ich wirklich.“
Und weil Martina Amler nicht nur weiß, was die Krankenkasse will, sondern auch eine begabte Verhandlerin ist, die schnell das Wesentliche erkennt und die Dinge charmant auf den Punkt bringt, ist sie in vorderster Front zu finden, wenn es darum geht, das Gesundheitswesen zukunftsfit zu machen. Zum Beispiel mit dem neuen Primärversorgungskonzept als Ergänzung und Weiterentwicklung der haus­ärztlichen Versorgung.  In den Primärversorgungseinrichtungen (PVE) werden mindestens drei Allgemeinmediziner mit Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Diätologen, Sozialarbeitern, Hebammen und anderen nicht-medizinischen Spezialisten zusammenarbeiten. Das erweiterte Leistungsangebot und die längeren Öffnungszeiten in den PVEs bringen Vorteile für die Patienten, etwa kürzere Wartezeiten und mehr Zeit für das Gespräch mit dem Arzt. Außerdem ermöglichen Team- und Fallbesprechungen bestmögliche Hilfe. Die Mediziner werden von administrativen Aufgaben entlastet und auch von Tätigkeiten, die Nicht-Mediziner erledigen: Wundversorgung, Ernährungsberatung, Prävention. „Das wird die Zukunft sein“, betont Martina Amler, denn „viele Ärzte wollen nicht mehr Einzelkämpfer sein. Zusammenarbeit ist gefragt.“
Dafür sind noch weitere Modelle angedacht, etwa Job-Sharing, oder als Nachfolger-Regelung eine Übergabe-Praxis: Der Arzt kann einen Kollegen schon einige Zeit mitordinieren lassen, bevor er in Pension geht.
Die Zusammenarbeit soll nicht nur in Ballungsräumen angeboten werden, es wird auch ein Netzwerk von Medizinern geben, die nicht an einem Ort ordinieren. „Es geht dabei um die zeitliche Versorgung“, so Amler, die ein Grundsatzpapier mit der Ärztekammer ausgehandelt hat. Das Land Niederösterreich finanziert mit, die Leistung der Ärzte wird anders als bisher honoriert. „Wir wollen weg von der Handgriffhonorierung, hin zu einer Grund- beziehungsweise Fallpauschale.“ Visiten sollen allerdings weiterhin als Einzelleistung abgegolten werden.
„In St. Pölten haben wir noch immer Ärzte gefunden.“ MARTINA AMLER
Kein Ärztemangel, keine Zweiklassenmedizin
Alle geplanten Maßnahmen sind nur realisierbar, wenn es genug Ärzte gibt, sorgt sich Martina Amler um den Nachwuchs an Allgemeinmedizinern. Welches Rezept es gegen Ärztemangel gibt? „Der Aufnahmetest beim Medizinstudium ist zunächst einmal ein Flaschenhals. Dann braucht es ein Maßnahmenbündel auf Bundes- und Landesebene. Darunter ein klinisch-praktisches Jahr, das Famulieren beim praktischen Arzt, eine Lehrpraxis.“
Apropos Praxis: Die St. Pöltner Sorge, dass die Altstadt schon bald Ärzte-leer dastehen könnte, weil nach der Pensionierung von Medizinern ihre nicht behindertengerechten und nicht zeitgemäßen Praxen nicht mehr besetzt werden könnten, teilt Martina Amler nicht: „In St. Pölten haben wir noch immer Ärzte gefunden. Nachfolger müssen nicht in die selben Räumlichkeiten einziehen. Diese können außerdem behindertengerecht adaptiert werden.“ Wenn eine Planstelle frei wird, dann geht ein Schreiben an den Bürgermeister mit der Bitte, einem Nachfolger bei der Suche nach neuen  adäquaten Ordinationsräumlichkeiten zu helfen.
Das heikle Thema Zweiklassenmedizin, klarerweise verbunden mit dem Thema Ärztemangel, ist der Krankenkassendirektorin durchaus bewusst: „Ein früherer OP- oder Untersuchungstermin für den, der zahlt,  ist abzulehnen. Wir versuchen Maßnahmen zu setzen, dass das ausgeschlossen wird.“ Erst im vergangenen Jahr einigten sich Krankenkassen und Radiologen auf einen neuen Vertrag, der die Wartezeiten bei CT- und MRT-Untersuchungen verkürzen und transparenter machen wird. Der St. Pöltner Radiologe Franz Frühwald, der auch Obmann-Stellvertreter der Fachgruppe Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer ist, lobte nach Abschluss der Verhandlungen ausdrücklich die NÖGKK mit Direktorin Martina Amler, „ohne deren Bemühung es kaum möglich gewesen wäre, eine Aufhebung der bisherigen Deckelung zu erreichen.“
Aber nicht nur schnellstmögliche Unterstützung im Krankheitsfall zählt. Besonders wichtig in einer modernen Gesundheitsversorgung sind Gesundheitsförderung und Prävention, betont die Direktorin: „Wir sind die Kasse, die dafür die meisten Mittel aufwendet, um das Gesundheitsbewusstsein zu stärken, nahe beim Menschen, mit Servicecentern, mit Veranstaltungen, die gut besucht sind.“ Und mit der MedBusterApp, in der medizinische Fragen leicht verständlich beantwortet werden und das medizinische Wissen seriös erweitert wird, mit Zusatznutzen: „Menschen mit gestärkter Gesundheitskompetenz glauben nicht alles, was sie irgendwo lesen.“
„Viele Ärzte wollen nicht mehr Einzelkämpfer sein. Zusammenarbeit ist gefragt.“ MARTINA AMLER
Wissenschaft und Netzwerke
Die Kompetenz der Kassen funktioniere am besten regional, ist Martina Amler überzeugt. Daher hält sie wenig von der geplanten Zusammenlegung der Krankenkassen. „Diese wird die Herausforderungen im Gesundheitswesen nicht lösen. Dass die Primärversorgung nahe beim Menschen ist, dass Angebote regional vernetzt sind, dass der Nachwuchs bei den Gesundheitsberufen gesichert ist, dass Maßnahmen gegen psychische Belastungen, gegen Adipositas, gegen Rauchen bei Jugendlichen gefunden werden – das alles kann man regional besser lösen.“ Außerdem seien alle Gesundheitspartner, mit denen die NÖGKK kooperiere, auch länderweise organisiert, etwa die Ärztekammer und der Landesfonds: „In einer österreichischen Gebietskrankenkasse kämen wir den Gesprächspartnern abhanden.“ Im Übrigen seien Fusionen Kostentreiber: „Unsere Verwaltungskosten liegen bei rund zwei Prozent. Privatversicherungen haben bis zu zehn Prozent!“
Martina Amler beschäftigt sich nicht nur praktisch mit dem Sozialversicherungswesen, sondern auch theoretisch, etwa beim SV Wissenschaft. Das ist ein Verein, der sich wissenschaftlich mit Themen beschäftigt, die für Sozialversicherungen wichtig sind. Der Verein kooperiert dabei etwa mit der Medizin-Uni Graz und der juridischen Fakultät der Uni Salzburg, unterstützt auch Diplomanden und Dissertanten bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten. Außerdem organisiert der SV Wissenschaft Tagungen, Symposien und Konferenzen zu sozialen Themen. Martina Amler ist auch dabei top: Sie ist Vorsitzende des Vereins SV Wissenschaft. Auch im lokalen akademischen Bereich ist sie tätig – als Schriftführerin im Verein zur Förderung der Fachhochschule St. Pölten. Mit der FH organisiert die Frau Direktor dann zusätzlich noch ein Projekt, nämlich ein Interventionskonzept für adipöse Kinder: „Das ist etwas, das nachhaltig was bringt.“
Und noch einige andere Funktionen schafft die immer bestens gelaunte und liebenswürdig-charmante St. Pöltnerin neben ihrem Direktorenjob: Sie ist Obmann-Stellvertreterin der „Freunde der Kultur St. Pölten“ und im Vorstand der Plattform St. Pölten 2020: „Als Ur-St. Pöltnerin ist mir das ein Anliegen, die Stadt voranzutreiben, etwas weiterzubringen.“
Am schnellsten und effizientesten geht es weiter, wenn Menschen und Dinge vernetzt sind. Das weiß das umtriebige und umgängliche Multi-Talent, und das ist Martina Amler besonders wichtig. Sie ist nebenbei langjähriges Mitglied der „Soroptimisten“, legte während ihrer Präsidentschaft den Fokus besonders auf Frauen und Frauenrechte, wie ihr auch in ihrem Hauptjob die Förderung von Frauen besonders wichtig ist.
Bei diesen vielfältigen Interessen und Aufgaben fehlt eigentlich nur mehr eine politische Karriere. Die strebt die Vielbeschäftigte derzeit aber nicht an: „Ich bin politisch interessiert, Gesundheitspolitik ist mir vom Inhaltlichen her sehr wichtig. Das Arbeiten mit Menschen bedeutet mir viel, netzwerken kann ich auch ganz gut. Das alles hat aber nichts mit einem parteipolitischen Mandat zu tun“, bekräftigt sie.
Die Mutter einer erwachsenen Tochter freut sich, dass sie ihr Interesse an Kultur jetzt verstärkt ausleben kann und nutzt das „sensationelle Angebot in der Stadt – Musik, Tanz, Schauspiel, Bildende Kunst, Kino. Alles da. Da muss ich nicht wegfahren.“ Kultur bereichert ihr Leben seit ihrer Kindheit. „Meine Eltern haben das gefördert, mein Vater war Kulturstadtrat. Als berufstätige Ehefrau und Mutter hatte ich dafür nicht so viel Zeit.“
Zeit nimmt sich Martina Amler auch für ihre Hobbys Lesen und Reisen. „Ich war immer eine Leseratte, hab mir nach der Klavierstunde in der Bibliothek Bücher ausgeborgt.“ Derzeit liegt Paulus Hochgatterers „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ auf ihrem Nachtkastl.
Und fremde Länder und Kulturen und der Besuch ihrer Freunde auf anderen Erdteilen stehen auch in den nächsten Jahren auf dem Plan der Vielgereisten. Ganz nach ihrem Lebensmotto: „Nie aufhören zu lernen, neugierig bleiben“ – im kleinen St. Pölten und in der großen weiten Welt.
„Ich will nie aufhören zu lernen, will neugierig bleiben.“ MARTINA AMLER