MFG - Politik auf Pöltnerisch
Politik auf Pöltnerisch


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St. Pöltens gute Seite

Politik auf Pöltnerisch

Text Beate Steiner
Ausgabe 06/2018

Gemeinderatssitzungen können sich über Stunden ziehen, mit öden, aggressiven und kindischen Wortmeldungen. Warum sie sich die Niederungen der Lokal-Politik trotzdem antun, erklären vier Politiker der im Stadtparlament vertretenen Parteien.

Manchmal wird es im Gemeinderat richtig spannend. Wenn zum Beispiel VP und FP geschlossen den Saal verlassen, weil die SP einer Sitzungsunterbrechung nicht zugestimmt hat. Zankapfel war damals Ende 2016 die Mindestsicherung, die Schuld am Eklat schoben sich die Parteien gegenseitig zu.
Manchmal wird es auch richtig nett bei den Sitzungen. Wenn nämlich der runde Geburtstag eines Mandatars ansteht, applaudiert auf Anregung des Bürgermeisters der ganze Saal.
Manchmal wird es sogar richtig lustig, wenn etwa schräge Taferl zur Argumentationsuntermauerung präsentiert werden. Oder wenn plötzlich alle SP-Mandatare hektisch in den Saal laufen, weil die Ordnungsglocke läutet – die hatte allerdings FP-Stadtrat Martin Antauer in der Hand: „Schön, wenn die St. Pöltner SPÖ einmal nach der FPÖ-Glocke tanzt.“
Meist aber ziehen sich die Stunden im Sitzungssaal, wenn ein Tagesordnungspunkt nach dem anderen vom zuständigen Vortragenden oft nuschelnd vorgelesen wird, Kollegen dann vorbereitete Reden vom Blatt lesen und keiner zuhört dabei – nicht die Zuseher und Journalisten und auch nicht die Gemeinderäte. Der eine blättert in der tagesaktuellen Zeitung, der andere spielt mit dem Handy, der dritte döst vor sich hin. Nicht ganz die vornehme Art, so überhaupt nicht aufzupassen, raunen die Zuseher, und das findet auch Markus Hippmann, grüne One-Man-Show im St. Pöltner Stadtparlament: „Der Großteil der Gemeinderäte zeigt nach außen hin kein Interesse. Ich finde es respektlos, wenn ich meinem Gegenüber keine Aufmerksamkeit schenke. Das sagt aber auch viel über die einzelnen Personen aus – ich stell’ mir hier nur die Frage, warum man sich überhaupt einer Wahl stellt, wenn man sowieso nur zum Zeit-Absitzen in den Gemeinderat kommt.“
FP-Stadtrat Martin Antauer hätte da gleich einen Änderungsvorschlag: „Bei manchen Kollegen spürt man deutliches Desinteresse, da kommen auch kaum oder keine Wortmeldungen. Dies ist auch der Grund, weshalb ich mich klar für eine Verkleinerung des Gemeinderates einsetze. St. Pölten könnte da sehr viel Geld einsparen.“
Apropos Wortmeldungen: Es gibt tatsächlich stumme Menschen im Gemeinderat, und gar nicht so wenige – das belegen Statistiken. Von den 42 Mandataren haben im Jahr 2017 nur 26 zur Diskussion im Gemeinderat beigetragen. An der Spitze steht Bürgermeister Matthias Stadler mit 42 Wortmeldungen, gefolgt von FP-Stadtrat Klaus Otzelberger mit 35 und VP-Vizebürgermeister Matthias Adl mit 28 Diskussionsbeiträgen. 16 Gemeinderäte haben sich in den zehn Sitzungen des vergangenen Jahres kein einziges Mal zu Wort gemeldet.


"Ich habe zu allen Kollegen guten Kontakt. Hart in der Sache kann man trotzdem sein." MARIO BURGER


Aggressive Sager und leere Worte
Die Häufigkeit der Stellungnahmen sagt allerdings noch nichts über deren Qualität aus. Viele Sager wollen provozieren, manche Anwürfe sind einfach nur aggressiv, bei wieder anderen kann der Zuhörer den Zusammenhang mit dem Tagesordnungsthema nur schwer erkennen. Mit den aggressiven Tönen hat VP-Gemeinderat Mario Burger wenig Probleme: „Als Baumeister und Sachverständiger bin ich einen etwas härteren Umgangston gewohnt.“ Dass aggressives Verhalten der Sache allerdings nicht dient, darin sind sich Martin Antauer und Hans Rankl (SPÖ) einig: „Aggressivität gehört nicht zu den Stärken eines Politikers und ist immer ein Zeichen von Schwäche.“ Unangenehm wird’s allerdings, wenn die Angriffe persönlich werden. „Das macht keinen Spaß und erzeugt nach außen ein schlimmes Bild von uns Politikern“, so Markus Hippmann.
Auch inhaltlich liefern die Gemeinderäte und Stadträte nicht immer konstruktive Aussagen, verlängern die Sitzung manchmal mit vorbereiteten Reden, nicht für die Zuhörer, sondern für die Statistik. Oder sie vermelden partout das Gegenteil davon, was der politische Mitbewerber gerade gesagt hat. „Es ist schon manchmal lustig, mit welch sinnlosen Argumenten Diskussionen unnötig verlängert werden,“ bestätigt Stadtrat Hans Rankl, der es auch nicht verstehen kann, wenn im Gemeinderat einstimmig beschlossene Anträge im Nachhinein für „politisches Kleingeld“ unterlaufen werden. „Manche Meldungen sind dabei zum Fremdschämen“, findet Mario Burger, und auch Markus Hippmann hält nichts von den „oftmals unnötigen Diskussionen, in denen man sich gegenseitig anpatzt und einfach nur beflegelt.“ Martin Antauer findet es irritierend, wenn man „gute Wortmeldungen anderer Fraktionen nicht mit Applaus honoriert.“
Wann aber ist es eine Sache wert, dass man sich ihrer in einer Rede annimmt? „Ich spreche nur zu Themen, zu denen ich auch eine Expertise habe. Ich halte nichts davon, überall mitreden zu müssen“, erklärt Mario Burger. Markus Hippmann überlegt sich anhand der Tagesordnungspunkte, wann er sich zu Wort meldet, auch Martin Antauer bereitet sich so vor. Und der langdienende Stadtrat Hans Rankl spricht im Gemeinderat zu den Themen, die er bereits in „seinen“ Ausschüssen behandelt hat: Sicherheit, Personal, Öffentlichkeitsarbeit.


"Nur zu Hause diskutieren, was mir nicht passt, war mir zu wenig." MARKUS HIPPMANN


Viel Zeitaufwand für wenig Geld
60 Stunden in der Woche investiert Hans Rankl in seine politische Tätigkeit, nicht nur in die Arbeit in diversen Ausschüssen. „Besonders zeitintensiv sind die vielen Mitgliederversammlungen der Feuerwehren, die Besprechungen für neue Fahrzeuge und Feuerwehrhäuser, Bälle und Heurige.“ Dazu kommen noch ehrenamtliche Jobs in diversen Aufsichtsräten, Vereinen und Kommissionen „und dazu wird noch erwartet, bei möglichst vielen Veranstaltungen anwesend zu sein, was naturgemäß viele Abend- und Wochenendtermine bedeutet.“
Kleinere Fraktionen wie die FPÖ können sich Event-Verpflichtungen noch dazu weniger aufteilen, schildert Martin Antauer: „Ich bin mehrmals wöchentlich abends bei Einladungen, Sitzungen und Veranstaltungen. Familienfreundlich ist das leider nicht."
Und das Engagement verlangt eine gehörige Portion Idealismus, wenn man es ernst nimmt: „Der Zeitaufwand als Gemeinderat steht in keinem Verhältnis zur finanziellen Entschädigung“, erklärt Mario Burger. Rund 1.100 Euro Aufwandsentschädigung bekommt ein Gemeinderat im Monat überwiesen, ein St. Pöltner Stadtrat erhält rund 50.000 Euro im Jahr.


"Wer für Menschen da sein will, muss diese auch mögen." HANS RANKL



Freude am Gestalten, Verbundenheit zur Heimatstadt

Wenn das Salär für einen Gemeinderat also nicht gerade üppig ausfällt, warum tut Mann sich das dann an? Hans Rankl ist seit 1972, also seit mehr als 46 Jahren aktiv und „für die Menschen und die sozialdemokratische Bewegung unterwegs.“ Er möchte die „von den Vätern und Großvätern erhaltenen sozialen Errungenschaften erhalten und weiter ausbauen“, und dabei nicht „Ratschläge vom Balkon geben, sondern an der Basis mitarbeiten.“ Das motiviert ebenso Markus Hippmann: „Nur zu Hause diskutieren, was mir nicht passt, war mir zu wenig. Ich wollte nicht jemand sein, der sich die Frage stellen muss, ob er nicht selbst etwas verändern hätte können.“ Positive Ideen für die Bürger einzubringen, das ist es, was auch Martin Antauer zur Politik geführt hat, genau so wie Mario Burger: „Mein besonderes Interesse gilt Wirtschaftsanliegen für Unternehmer, vor allem in meiner Geburts- und Heimatstadt.“ Weil – Lokalpolitik hat ihren besonderen Reiz: „Spaß daran macht vor allem der Interessensaustausch. Wenn ich mitarbeite, habe ich einen Interessensvorsprung und kann politische Entscheidungsprozesse unmittelbar verstehen“, so der VP-Gemeinderat.
Denn „zu 90 Prozent geht es in der Lokalpolitik um Dinge, die sich vor der eigenen Haustüre abspielen“, bestätigt Markus Hippmann. Und die Menschen direkt betreffen: „Als Lokalpolitiker bin ich viel näher beim Bürger als in der Bundespolitik. Ich kann Probleme, Sorgen und Vorschläge direkt abhandeln“, weiß Martin Antauer. Hans Rankl macht das schon seit Jahrzehnten nach seinem Wahlspruch: „Wer für Menschen da sein will,  muss diese auch mögen.“
Auch die Mitglieder anderer Fraktionen? „Ich versuche, auf einer sachlichen Basis auszukommen und nie ins Persönliche abzugleiten“, betont Hans Rankl. Mario Burger hat „grundsätzlich zu allen Kollegen guten Kontakt – hart in der Sache kann man trotzdem sein.“ Das könnte zur positiven Entwicklung der Stadt beitragen: „Ich nehme sehr gerne Vorschläge anderer Parteien an. Mehr konstruktive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen politischen Lagern würde viel mehr Erfolg bringen“, ist Martin Antauer überzeugt. Ein ganz Großer der Politik würde das vermutlich bestätigen, der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger. Der hat nämlich gesagt: „Wenn zwei das langfristig Beste für ihr Land wollen, kommen sie früher oder später zu derselben Politik.“


"Als Lokalpolitiker kann ich Probleme, Sorgen und Vorschläge der Bürger direkt abhandeln." MARTIN ANTAUER