MFG - Der Voith-Platz ist Geschichte
Der Voith-Platz ist Geschichte


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St. Pöltens gute Seite

Der Voith-Platz ist Geschichte

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 11/2020

Fast 70 Jahre lang rollte beim Spratzerner Kirchenweg am Voith-Platz der Ball. Nun wird dort eine Wohnhausanlage gebaut. In der sportlichen Hochblüte der Voith Schwarze Elf (VSE) St. Pölten Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre pilgerten regelmäßig tausende Fans zur Kultstätte.

Heiratsanträge im Mittelkreis, ein Gspusi im Sekretariat, das ein U21-Spieler aufdeckt. Der Wagramer Fan „Öli“, der als Parkplatzeinweiser Lajos Detari zeigt, wo auf der Gstätten er seinen Ferrari hinstellen soll und später als VIP-Ordner Erwin Pröll klar macht, dass er hier das Sagen hat. Gemurmel und Gekichere bei einer Trauerminute für einen angeblich verstorbenen SPÖ-Stadtradt, der gerade putzmunter auf der Tribüne Platz genommen hat. Kult-Sprecher Fritz Dibidanzl, der stets auf das „Aller-, Aller-Herzlichste“ vor allem die „liebe, liebe Jugend“ begrüßt. Die Fans, die ihre Verehrung zum Aufstiegs-Trainer mit Chorälen bekunden: „Everybody loves Thommy Parits, Thommy Parits, du bist ja unser Held!“ Das ist Kult!
Oleg Suslov, der nach einer Gehirnerschütterung halbnackt aufs Feld zurück wankt, weil er weiter spielen mag. Präsidenten und Manager, die ihr ganzes Herzblut und teilweise viel eigenes Geld in den Verein stecken. VSE-Macher Helmut Meder, der sogar selbst eifrig mitschaufelt beim legendären Graben: „Die Fans hier sollen ja nicht wie die Affen am Zaun hängen müssen.“ SKN-Funktionäre, die in der Regionalliga auswärts den Schiri schimpfen, ein und dieselbe Pfeife dann daheim vor den Bierbecherwürfen aufgebrachter Anhänger schützen, um „ihren“ Verein vor empfindlichen Geldstrafen zu bewahren. Das ist Leidenschaft!

Das Who is Who der Spieler war da

Auf dem Feld haute sich der blutjunge Matthias Sammer für Dynamo Dresden rein, Lothar Matthäus führte die DFB-U21-Auswahl an, Paul Breitner war als Vienna-Sportdirektor da und kündigte bald danach. Scherzkeks Roberto Carlos (Fenerbahce) schnitt Kebab. Hans Krankl flüchtete nach einer Rapid-Niederlage durchs Fenster, Gustl Starek schaute nachher mit einem VSE-Anhänger und (Austria-Fan!) in dessen Wohnung die TV-Zusammenfassungen an. 13.000 kamen zur Flutlichtpremiere gegen Austria 1988. Spieler wie Mario Kempes, Antonin Panenka, Lajos Detari, Bruno Ferretti, Poldi Rotter, Hans-Peter Frühwirth, Rudi Steinbauer, Didi Ramusch oder Frenkie Schinkels trugen die VSE-Dress. Den legendärsten Sturm bildeten wohl Slobodan Brankovic, Franz Zach (Volley-Fersler-Kreuzeck-Treffer beim 8:3-Heimsieg gegen VfB Mödling!) und Ernst Ogris. Das letzte Profi-Tor schoss Daniel Lucas Segovia nach Zuspiel von Arbeitsbiene Peter Brandl mit der Ferse für den SKN (2012). Bei der anschließenden Abschiedsfeier war irgendwann keiner mehr für irgendwas zuständig, fast jede Tür blieb unverschlossen, die letzten karrten um 6 Uhr Früh alles Mögliche heim, vornehmlich Fan-Utensilien und Alkohol, besonders die handlichen „Klopfer“. Schön (arg) leiwand war’s am Voith-Platz. Danke!