MFG - Wir in der City
Wir in der City


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Wir in der City

Text Tina Reichl
Ausgabe 06/2009

Es ist herrlich, mitten in der Stadt zu sitzen und sich mit einer Freundin Geschichten über vorbeischlendernde Menschen auszudenken! Oder ist es gar die Wahrheit?! Eine kleine ausgewählte City-Besucher-Typologie.

Marlene. Die Dame von Welt
Sie parkt mit ihrem Mercedes SL bei den Damenparkplätzen in der Rathaustiefgarage und stöckelt in ihren High Heels beim Ausgang Dorotheum sogleich in dieses. Der nächste Anlass kommt bestimmt und sie will nur schnell die Auslage inspizieren und schon mal den völlig überraschten Gesichtsausdruck proben für: „Schau mal! Oh, wie reizend diese Perlenohrringe aussehen! Findest du nicht?“  Klimper, klimper! Nach einem kleinen Abstecher in die Wohnkultur (elektrische Pfeffermühle) führt sie ihr Weg Richtung Riemerplatz, doch schon vor der Hausmann-Auslage kann sie nicht an dieser wunderschönen, roten Furla-Tasche vorbeigehen. Leider stolpert sie beim Herausgehen auch gleich in die gegenüberliegende Boutique und bevor die Geschäfte schließen, kann sie gerade noch ein neues Kostüm bei Jones und bei Don Gil zwei edle Ledergürtel erstehen (einen für ihren Mann, und einen….zur Reserv!) Ihre schicken Einkaufstaschen schleppt sie, frisch einparfümiert bei Marionnaud, in die Osteria, wo sie sich schon mit …der Reserv auf ein Glas Aperol spritz verabredet hat.
Freddi. Der Frühpensionist
Er radelt vormittags um zehn zum Café Pusch und trifft sich dort mit zwei Gleichgesinnten zum fröhlichen Verlängerten (bei wärmeren Temperaturen mit Aussicht auf das vorbeischlendernde Volk, das dann ordentlich unter die Lupe genommen und beurteilt wird). Bekannte werden lauthals und überschwänglich begrüßt „Seas! Ois okay? Geht’s guat?“, und deren immer gleiche Antwort „Gestan is no gongan!“ wird herzlich belacht. Dabei erfährt Freddi die neuesten Gerüchte, es rennt der Schmäh („Für wen hängt´n die schwoaze Fahne bei da Sparkassa? Fia eana söwa?“), liest sämtliche Zeitungen, reißt heimlich die Heurigenanzeigen aus der NÖN und bestellt nach zwei gemütlichen Stunden aus Dankbarkeit noch ein Soda-Zitron.  Bei seiner Heimfahrt kauft er am Markt noch zwei Kilo Erdäpfel fürs Gulasch und eine Blutwurst fürs Abendessen.
Christian. Der Intellektuelle
Er fährt mit dem LUP in die City und steigt direkt am Bahnhofsplatz aus. Sogleich ersteht er den Augustin vom Schwarzafrikaner Jim, geht anschließend zielstrebig zu Thalia und verlässt zwei Stunden später das Geschäft mit einem Hochgefühl sowie einem Sackerl Weltliteratur. Jetzt freut er sich schon auf den Falter und einen Espresso im Café Schubert, um, wie es schon Alfred Polgar formulierte, im Kaffeehaus in Gesellschaft allein zu sein. Vor lauter Standard-Rätsel lösen hätte er fast die Vernissage in der benachbarten Galerie Maringer vergessen, doch als er eintrifft, ist der Künstler zum Glück noch anwesend und das Café Schmalz spielt sich in sein Herz. Hier trifft er viele Gleichgesinnte, mit denen es sich herrlich über die Stadt nörgeln lässt, obwohl keiner von ihnen je ernsthaft in Erwägung ziehen würde, woanders zu leben. Er ist akribisch darauf bedacht, seine Mundwinkel stets leicht nach unten zu ziehen, um den Anschein völliger Langeweile und völligen Desinteresses zu erwecken und um ja nicht versehentlich zu lächeln.
Steffi. Die Wien-Studentin
Sie kommt nur noch am Wochenende von Wien nach Hause, schlüpft zufrieden mit sich und der Welt in ihr altes Kinderzimmer und trifft sich am Samstagvormittag mit zwei Freundinnen im Cinema zum Frühstück – um halb zwölf! Ihr Palästinensertuch hat sie sich lässig um den Hals geschwungen und ihr Handy summt und klingelt auf Dauerfeuer. Doch für Steffi ist das kein Problem, sie schreibt mit der einen Hand SMS, während sie mit der anderen ein Buttersemmerl schmiert! Multitasking! Alle Achtung!
Nachdem die Schreckensgeschichten über die ÖBB ausgetauscht sind, sämtliche Freundinnen (Anwesende ausgenommen) ausgezählt wurden und ein Wiedersehen abends im Warehouse ausgemacht ist, macht sie sich auf den Weg zu H&M, denn Teile, die in Wien schon längst vergriffen oder ob des Tumults unauffindbar sind, hängen hier, schön geordnet an der Stange und warten auf Erlegung der Beute. Und dann muss sie noch unbedingt bei Mango-Outlet durchschauen, die Kollektion ändert sich zwar nur gering, aber die Preise sind unschlagbar.
Markus. Der Mann von Welt
Mit seinem SUV, der noch nie anderes Terrain denn Asphalt unter seinen Rädern zu spüren bekam, parkt er eben mal kurz am Rathausplatz im Halteverbot. Er muss ja nur auf die Bank und anschließend zum Appleshop am Riemerplatz, denn sein bestelltes i-phone in winterweiß ist eingetroffen und wartet darauf, am Wochenende in Betrieb genommen zu werden. Da fällt ihm ein, dass seine Gesichtscreme zur Neige geht und er schaut schnell bei Nägele & Strubel vorbei. Außerdem muss er unbedingt noch ins neue Teegeschäft wegen einer Packung „Gute-Laune-Tee“ und zur Apotheke am scharfen Eck, denn er braucht dringend Vitamine – jetzt wo alle um ihn herum grippig im Bett liegen und im Unternehmen sich die Reihen lichten. Als er eine knappe Stunde später zum Auto zurückkommt, entfernt er kopfschüttelnd das Organstrafmandat. Dabei war er doch nur auf einen Sprung in der City...