MFG - Lobbyist? Ich doch nicht!
Lobbyist? Ich doch nicht!


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Lobbyist? Ich doch nicht!

Text Michael Müllner
Ausgabe 06/2011

Gute PR-Arbeit erzeugt gutes Image. Dank der jüngsten Schlagzeilen von Grasser bis Strasser steckt aber die Beraterbranche in der Imagekrise. Kaum jemand schimpft sich noch „Lobbyist“, höchstens wird man so beschimpft. Doch warum eigentlich? Und wer lobbyiert in St. Pölten?

„Lobbyismus im Stile eines Ernst Strasser habe ich noch nie kennengelernt. Würde mir jemand ein vergleichbares Angebot machen, dann fliegt er durch diese Türe da drüben sofort raus“, gibt sich St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler energisch. Er sei gewählt, „um die Interessen der Stadt zu vertreten, dafür bekomme ich meinen Gehalt. Da kann ich mir doch keine Provision von einer Firma zahlen lassen!“ In diesem Sinne möchte er auch nicht von Lobbyisten sprechen, die bei ihm schon mal die Klinke putzen. „Das sind einfach Leute, die für ihre berechtigten Interessen und Anliegen werben. Das tue ich ja auch. Auch ich werbe für die Stadt St. Pölten und trete für deren Interessen ein“, sieht er das Thema relativ nüchtern. Ob man für St. Pölten den Obmann der Plattform 2020, Josef Wildburger, als prominentesten Lobbyisten – durchaus im positiven Wortsinn – bezeichnen könnte? Stadler: „Josef Wildburger ist nur der Obmann, entschieden wird von den Gremien, dort sitzen zahlreiche Unternehmer und bringen Ideen für die Stadtentwicklung ein. Alles bewegt sich im Rahmen der Gesetze und der Moral – und ist eine wertvolle Unterstützung.“

St. Zampano
Der angesprochene Obmann der Plattform 2020 Josef Wildburger denkt, dass der durch korrupte Politiker angerichtete Schaden dazu führt, dass sich zurzeit die wenigsten Lobbyisten noch als solche bezeichnen: „Jetzt wird lieber von Beratern gesprochen“. Jeder tüchtige Unternehmer sei auf der individuellen Ebene ein Lobbyist für seine Organisation. Der Lobbying-Erfolg hänge in erster Linie vom Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Lobbying-Gruppe, etwa einer Branche, ab. Arbeiter- und Wirtschaftskammer oder die Industriellenvereinigung sind die österreichweit wohl bekanntesten Organisationen im politischen Lobbyingfeld. In St. Pölten könnte man die größten Unternehmen wie Spar, Leiner, Sparkasse, Voith, Pressehaus und so weiter auch als die größten „Player“ ausmachen. Jeder artikuliert seine durchaus legitimen Interessen und pflegt im Rahmen der persönlichen Kontakte auch das gemeinsame Netzwerk. Im ursprünglichen Sinn des Begriffs Lobbying ist die Einflussnahme auf die Gesetzwerdung gemeint, immer basierend auf Grundlage von Sachargumenten und klarer Konzepte – „im Widerspruch zu Vorteilsannahme und Bestechlichkeit von Politikern oder der zu recht negativ besetzten Klientelpolitik“, wie Wildburger ergänzt. Gerade professionelle Lobbying-Agenturen treten in St. Pölten jedoch kaum auf den Plan, zumal in der Stadt für sie auch kaum im Sinne der Gesetzwerdung Arbeit ansteht. „Das passiert entweder auf Bundesebene oder gleich in Brüssel. In St. Pölten schauen wir auf die gemeinsamen Interessen der Akteure und wie wir diese vorantreiben können. Jeder hat Kontakte, die er einbringt“, meint Wildburger.

Der Kommunikator
Ein anderer klassischer Campaigner und Opinion Leader wäre wohl Martin Bosch, Chef der St. Pöltner Werbeagentur „Living Office“. Bosch ist zudem für die unterschiedlichen Kommunikationskonzepte und Kampagnen der Stadt St. Pölten verantwortlich und somit auch ein PR-Insider, wenn es um St. Pölten geht. Als Lobbyist sieht er sich aber nicht: „Wir haben nichts mit Einflussnehmen auf die Gesetzeswerdung oder klassischer politischer Beratung am Hut. Wir unterstützen bei der Kommunikation, egal ob es sich um große Wirtschaftsunternehmen in Linz oder Wien handelt – oder eben um einen Kunden wie die Stadt St. Pölten.“

Schon die Kids
Der bekannte St. Pöltner Unternehmer Richard Mader von der Fahrschule Sauer ist St. Pöltner Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes und somit ein klassischer Interessensvertreter. Er meint, dass Lobbying positiv oder negativ angewandt werden kann. „Letztlich geht es um den vernünftigen Aufbau von Netzwerken, die stets von Personen ausgehen. Und da ist dann die Frage, wie nutzt die Person die geknüpften Netzwerke. Was Strasser gemacht hat, war natürlich falsch. Aber ein Netzwerk aufbauen ist das natürlichste der Welt, das machen schon die Kids im Facebook.“ Die Parteigrenze sei beim Lobbying untergeordnet, laut Mader geht es zu 100 Prozent um persönliche Kontakte: “Der Trend in diese Richtung wird noch viel stärker. In einer globalen und anonymen Welt gewinnen persönliche Kontakte noch mehr an Bedeutung.“

Standort geschlossen
Ketchup-Publico ist eine (inter)nationale PR- und Lobbying-Agentur, ihren Standort in St. Pölten hat die Agentur jüngst geschlossen. Agentur-Chefin Saskia Wallner begründet dies vorrangig mit unternehmensinternen Umstrukturierungen. Die Relevanz des St. Pöltner Büros dürfte aber auch nicht sehr hoch gewesen sein, zumal klassische Lobbyingtätigkeiten bestenfalls im Landhaus anfallen werden, wenn es um die Ausgestaltung der Landesgesetzgebung geht. Und da ist die Autofahrt von Wien nach St. Pölten wohl effizienter, wie eine ganze Büro-Infrastruktur in der ehrenwerten Landeshauptstadt…
Wer hat also Grund sich vorm bösen Lobbyisten zu fürchten? In St. Pölten wohl niemand – außer jene „Consulter“, die momentan bloß nicht in die Nähe des Wortes „Lobbying“ kommen wollen. Klassische Interessensvertretung und Beratung hat noch niemandem geschadet. Im Gegenteil, die Entwicklung der Gesellschaft in St. Pölten wie anderswo kann unabhängigen „Support“ durchaus vertragen. Manche wirken fast ein bisschen zu beratungsresistent.