MFG - Auf zum jünsten Geruecht!
Auf zum jünsten Geruecht!


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Auf zum jünsten Geruecht!

Text Johannes Reichl
Ausgabe 12/2005

Drei Jahre ist es her, dass ich Heli Deinboek in Wien getroffen hab. Damals startete er gerade ein Comeback, das mich vom Fleck weg zum Fan machte.

Jetzt treffen wir einander im Egon wieder, wo Deinboek am 26./27. Jänner (Pflichttermine!) gemeinsam mit Pauli Reschhofer die Premiere seines neuen, 16 Songs umfassenden Programmes „Jüngste Geruechte“ zum Besten geben wird.  Vom Waldviertler Granit zum Traisenschotter „Das ist eine symbolische Begrüßung. In Wien hab ich all die 25 Jahre, die ich künstlerisch tätig bin, nie eine Premiere gegeben.“ St. Pölten bekommt diese Ehrerweisung nach nur zwei Jahren, so lange wohnt Deinboek nämlich schon – was die wenigsten wissen - in der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Wie so oft im Leben, war „die Liebe Bindungsmotor“, auch jene zu den zwei Kindern der Freundin, die 8 und 11 Jahre sind. „Für die ist St. Pölten ein Traum!“, schwärmt Deinboek, doch auch er selbst, a echtes Weana Kind made in Ottakring, ist von St. Pölten angetan: „St. Pölten ist im Vergleich zu Wien ein anderes Universum! Du bist nicht unter dieser Dunstglocke gefangen, wo die Leute selbstgefällig in ihrem eigenen Saft schwimmen und sich was weiß ich was einbilden. Dort musst in der Vorstadt eine Stunde lang herumfahren, wenn du Schrauben brauchst, hier geh ich zu Fuß zum Hornbach. Die Versorgungsdichte ist ein Wahnsinn, und in welcher Stadt wird ein Jugendentwicklungsplan unter Beteiligung der Jugendlichen erstellt! Da merkt man eine Aufbruchsstimmung.“ Eine so anziehende, dass der 51jährige „wanderer“ gar auf Dauer sesshaft wird? „Wer weiß. Mein Zweijahrespunkt ist jedenfalls schon überschritten.“, spielt Deinboek auf sein knapp zweijährige Wohnungsintermezzo im Waldviertel an, wo er vor dem Umzug nach St. Pölten logierte. „Ich liebe die Landschaft dort. Aber für mich als kommunikativer Typ war es irrsinnig einsam.“ Einsam wird es in St. Pölten wohl kaum, zumal Deinboek just in jenem Haus gelandet ist, wo sich die zwei besten Sirenen der Stadt eine Wohnung teilen und im Stock darüber ein Bassist für Groove sorgt. Außerdem scheint er auf heiligem Boden, liegt die Wohnung doch im ehemaligen Klosterviertel, was den bekennenden Trotzkisten und Marxisten fürstlich amüsiert. „Wo soll der Teufel denn sonst hinziehen, als in direkte Nachbarschaft  zu den Feinden.“ Teufelseintreibung Teufel, das ist wohl ein bisschen dick aufgetragen. Aber als Satiriker betreibt Deinboek ein durchaus diabolisches Spiel, weil er die Besucher über ihre eigenen Fallstricke fallen lässt: was lustig daher kommt, entpuppt sich als gnadenloses Selbstbildnis – und das ist mitunter erschütternd. „Spiegelreflexeffekt“, nennt das der Künstler, dem es vor allem darum geht „zu beobachten. In die Seelen der Menschen zu blicken. Ich möchte literarisch lachen und schrecken.“ So mutiert dies alles zu einer wunderbaren, bitterbösen Didaktik, denn Deinboek bildet nicht nur ab, er rüttelt auch wach, besingt mit starken Worten und erdigem Blues eine sich am Horizont abzeichnende Endzeit. „Als Satiriker macht mir die Apokalypse Spaß.“, bekennt er sodenn auch freimütig. „Ich will in dem Sinn auch nicht unterhalten, sondern – dies die Aufgabe des sensitiven Literaten -  Fehlentwicklungen, die alle spüren aber nicht zu benennen vermögen, aufzeigen, vorhersagen. Ich bin der Rattenfänger, der durch die Lande zieht, und die jüngsten Gerüchte unters Volk bringt“ Gerüchte, die sich in bittere Realität verwandeln können, wenn man nicht dagegen ankämpft – auch das eine subversive Botschaft von Deinboeks Liedern. „So betrachtet bin ich ein Aufhusser, aber nicht auf banaler Schenkelklopferebene oder dass ich etwa Witze über Schüssel reiße! Die Leute sollen sich nicht alles gefallen lassen!“  Der liebe Augustin Nicht zufällig vergleicht sich Deinbeok gern mit dem lieben Augustin, jener Wiener Legende, die im 17. Jahrhundert durch die Wirtshäuser Wiens zog und für Speis, Trank und Unterkunft die Leute mit seiner Dudelsackmusik und derben Schwänken amüsierte. Deinboek selbst ist so ein Musikant, ein Bluesmusiker durch und durch. Seine Sache sind nicht Massenveranstaltungen „wo die Leute hingehen und meinen, einen Künstler einfach konsumieren zu können.“, sondern er schätzt kleine, intime Orte für seine Gigs „so wie das Egon, wo sich Künstler und Publikum gegenseitig spüren. Wo die Leute wegen der Haltung des Künstlers hingehen und nicht diesem ganzen oberflächlichen Pop-Klimbim auf den Leim gehen.“ Eine andere Parallele zum Augustin ist diese Endzeitstimmung, ist der gnadenlose Kampf ums nackte Dasein. Als in Wien die Pest ausbricht, geht es dem Augustin existenziell fast an den Kragen, weil das Publikum ausbleibt und sich ängstlich in den eigenen vier Wänden verkriecht – solange, bis der Augustin betrunken in eine Pestgrube fällt, dort übernachtet und am nächsten Tag wieder aufsteht, als wär nix gewesen. Daraufhin schöpfen die Menschen wieder Hoffnung, dass man selbst dem Tod ein Schnippchen schlagen kann.  Hinfallen und Aufstehen, das ist auch eine Schlüsselmetapher für Deinboeks eigenes Leben. Er selbst hat sich einmal als Stehaufmanderl besungen. Existenzsorgen begleiten ihn sein Leben lang, auch „weil ich in Vergangenheit Fehler gemacht hab“  Dabei – so würde man sich für ihn wünschen - müsste er doch mit Geld überhäuft werden. Immerhin ist er einer der größten lebenden Literaten Österreichs. Nur einmal wurde das bislang anerkannt, als er den Nestroyring für besondere (und wie er damals ergänzte: unbezahlte) Leistungen auf dem Gebiet der Satire verliehen bekam. Noch ein Umstand macht Deinboeks Leben nicht gerade leichter. Als der letzte wirkliche Liedermacher dieses Landes, muss er den vielleicht schwersten aller Wege gehen: den des Künstlers. „Es gibt nichts Schlimmeres als verschwendetes Talent! Das ist meine Welt, das ist es, was ich kann. Jetzt bin ich 51 und obwohl mir die Sorgen mitunter bis zum Hals stehen, kann ich das nicht aufgeben für Sicherheit. Das ist wichtiger, als ich beuge mich der Angst.“ Jedenfalls ehrlicher, mutiger, edler. Und Deinboek ist überzeugt, dass seine Zeit wieder kommt, denn „wir leben in einer sehr antagonistischen Zeit, einer Zeit für Apokalyptiker.“ Und so wird er im Untergang noch immer unversehrt als der liebe Augustin dastehen, während wir schon längst in der angepassten Pestgrube verfaulen. Zur Person Heli Deinboek, „Liederat“ (Literat, Liedermacher, Bluesgitarrist & Kabarettist in Personalunion) veröffentliche 1980 sein Debutalbum “Krallelujah!”, dem bis 1998 – als er seinen offiziellen Rückzug aus dem Showbiz bekanntgab – 11 weitere folgten. Als R&B Sänger sowie Kabarettist ("Schmähphisto") absolvierte er in dieser Zeit über 1200 Liveauftritte und landete mit seinen Randy-Newmann Covers eine Hit-Platte. 1992 erhielt Deinboek den Nestroy-Ring der Stadt Wien. 2003 feierte er mit „Spaniel Harlem“ vor ausverkauftem Haus ein fulminantes Comeback, dem das Wunschprogramm „Blackbox“ folgte. Am 26./27. Jänner präsentiert er  im EGON sein neuestes Machwerk „Jüngste Geruechte“! Unbedingt anschauen!