MFG - Reversieren, bitte!
Reversieren, bitte!


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St. Pöltens gute Seite

Reversieren, bitte!

Text Johannes Reichl
Ausgabe 06/2014
Was er nicht alles werden soll, der Domplatz „neu“: täglicher Marktplatz, Flaniermeile mit Schanigärten, Aufmarschareal für kirchliche Prozessionen, Veranstaltungsraum, Spielplatz, historisches „Zeitfenster“ für archäologische Funde und – spätestens jetzt wird’s spannend – auch wieder Parkplatz. Darum hat sich, völlig zurecht, die größte Debatte entbrannt.
Das Bemerkenswerte an der Diskussion ist nämlich, dass die vehementesten Befürworter für die Erhaltung von Autoabstellplätzen bislang statistisch fundierte Daten, welche ihre Befürchtungen von wegen Kundenabfluss & Co. untermauern würden, gänzlich schuldig bleiben. Die Erklärung dafür ist einfach: Es gibt sie nicht!
Um dies zu begreifen, genügte schon ein Blick in die eigene St. Pöltner Historie. Vom Start der Kremsergasse als Fußgängerzone anno dazumal über die Autobefreiung des Rathausplatzes (der allerdings erst durch die Schanigartenverordnung seinen eigentlichen Drive erhielt, was der Politik Mahnung genug sein sollte, ein sinnvolles Gesamtkonzept zu entwickeln) bis hin zur jüngsten Erweiterung der Fußgängerzone – immer war zuvor vom Untergang des geschäftlichen Abendlandes die Rede gewesen. Und was ist passiert? Das glatte Gegenteil, wie im Fall der jüngsten FUZO-Erweiterung statistisch belegbar ist: Die Frequenzen sind gestiegen!
Auch der Schmonzes von wegen „wie soll ich mit den Einkäufen soweit marschieren“ kocht immer wieder hoch – nur muss man auch bei autofreiem Domplatz nicht weiter marschieren als bisher. Rund um die Innenstadt gibt es Tiefgaragen, die – auch wenns die Gegner nicht zur Kenntnis nehmen möchten – schon jetzt nicht ausgelastet sind. Zudem werden aktuell „Ersatzplätze“ geschaffen, etwa im neuen Parkdeck am Bahnhofsplatz, in dem eine Ebene (ca. 115 Plätze) rein den City-Besuchern vorbehalten ist. Zudem hofft man, dass die Diözese ihr Njet zu einer Tiefgarage unter dem Diözesangarten vielleicht doch noch revidiert, und auch private Betreiber haben neue Eisen im Feuer. Die Mär von zu wenig Parkplätzen ist also schlichtweg falsch.
Kurzum: Die Diskussion wird ausschließlich auf Ebene emotionaler Befindlichkeiten, in manch Fällen auch ureigenster persönlicher Interessen im Sinne der Erhaltung des Parkplatzes vor der Haustür geführt – wobei letzteres wenigstens menschlich verständlich ist. Nur, kann dieser krude Mix tatsächlich ausreichen 70 (wie von der SPÖ kolportiert), oder gar 100 Stellplätze (wie von der ÖVP gefordert) zu rechtfertigen? Dies würde einer abermaligen Belegung des Platzes von einem Drittel bis zur Hälfte gleichkommen! Da sollte man am besten gleich die Finger davon lassen.
Wenn wir schon den Domplatz neu gestalten – was angesichts der aktuellen Asphaltwüste eine unbestritten gute Idee ist, wenigstens darin sind sich alle einig – dann bitte gleich ordentlich. Geben wir uns nicht mit lauen Kompromissen zufrieden, die uns im Nachhinein erst recht wieder leid tun, wie anno dazumal im Falle der zu klein umgesetzten Rathausplatztiefgarage. Erkämpfen wir uns, wo sinnvoll, wertvolle Lebensräume zurück – die Autos lassen wir derweil in fußläufiger Entfernung außen vor. Dass das machbar, ja bereits Realität ist – und dieses stichhaltigste Argument von allen konnte bislang kein einziger Parkplatzbefürworter entkräften – belegt eine Tatsache: Die mit Abstand frequenz- und umsatzstärksten Tage in der St. Pöltner City sind Donnerstag und Samstag, und – welch Wunder – an diesen Tagen ist der Domplatz bereits autofrei!
Ein Gedanke zum Schluss, weil immer ein „2 Phasenplan“ herumgeistert – Step 1 Parkplätze, Step 2 autofrei in ferner Zukunft. Warum den Ansatz nicht einfach umkehren: In Phase 1 gibt man autofrei eine Chance, nach einer verpflichtenden Evaluierung ein Jahr später wird dann – auf Basis harter Fakten, nicht vager Vermutungen – entschieden, ob in einer etwaigen Phase 2 doch Parkplätze notwendig sind.
Auf Autodeutsch: Man kann, wenn man klug ist, in einer Sackgasse durchaus reversieren, zurückfahren und die richtige Abzweigung nehmen. Man muss nicht stur bis an ihr Ende fahren, bis es einen Tuscher macht – da hilft einem dann nämlich der schönste Parkplatz nichts. Der Schaden ist passiert.