MFG - Claudia Zawadil - Die Zeitreisende
Claudia Zawadil - Die Zeitreisende


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St. Pöltens gute Seite

Claudia Zawadil - Die Zeitreisende

Text Thomas Fröhlich
Ausgabe 06/2014

Sie zählt zu den künstlerisch umtriebigsten Personen St. Pöltens. Ob Fotografie, Film, Radio, Literatur, Journalismus oder beseeltes DJing – nichts ist vor ihr sicher. Und das ist auch gut so. Thomas Fröhlich sprach mit Claudia Zawadil anlässlich ihrer aktuellen Foto-Ausstellung „Aus der Zeit gefallen“ – über vergessene Orte, analoge Bilder und die Fallstricke des offiziellen Kulturbetriebs.

Es wirkt auch ein wenig wie aus der Zeit gefallen: das Kultig beim Kaiserwald. Mit seinen knarzigen Böden, den alten Schildern und Plakaten an den Wänden und dem Stammtisch-Unikum aus massivem Holz gleich neben dem Eingang links ist es der richtige Ort, um mit der Allrounder­in Claudia Zawadil ein Gespräch über ihre aktuelle Foto-Ausstellung zu führen, die den Titel „Aus der Zeit gefallen“ trägt.
Die Künstlerin erscheint pünktlich, wir nehmen an besagtem Stammtisch Platz; und nach der dringend notwendigen Bestellung von zwei Seidln gehen wir gemütlich in medias res.
„Mir ist es ein Anliegen, versteckte Orte meiner Heimatstadt zu zeigen, die sich bis jetzt der Hektik der heutigen Zeit widersetzt haben, in denen eine – heutzutage ungewohnte – Ruhe herrscht“, führt Zawadil aus. „Sämtliche Motive sind wie ‚aus der Zeit gefallen‘. Sie weichen ab vom alltäglichen Bild der Stadt, das uns auf den belebten Pfaden, beim Shoppen oder In-die-Arbeit-gehen begegnet. “
Nostalgie?
„Nein, überhaupt nicht. Ich hab‘ beispielsweise jene Innenhöfe, die nicht zuletzt dank des Höfefests wieder restauriert und gepflegt werden, da gar nicht fotografiert. Mir ging es um ein bildnerisches Festhalten vergessener Orte. Orte, die auch jederzeit verschwinden können, weil sie halt weder besonders pittoresk noch dezidiert touristisch nutzbar sind. Alte Orte, an denen die – moderne – Zeit buchstäblich vorüber gegangen ist.“
Und natürlich gehe es um Erinnerung. „Ich hab‘ ja – wie viele – in erster Linie deshalb zu fotografieren begonnen, um haltbare Erinnerungen zu haben. Urlaubsfotos, Geburtstagsparties – so was.“ Sie grinst. „Und dann kam halt bei mir auch eine kreative, künstlerische Herangehensweise hinzu. Und das nicht nur bezüglich der Fotografie.
Zawadil, die am 30.05.1978 „während eines fürchterlichen Gewitters in St. Pölten auf die Welt gekommen“ ist, gelangte erst relativ spät zur Kunst. „Ich komm’ aus einer Arbeiterfamilie – da gab’s andere Wertigkeiten.“ Jedoch: „Fotografie hat mich immer schon interessiert.“ Nach langjähriger Tätigkeit in einem technischen Betrieb folgte ein fünfjähriges Studium im Bereich Medientechnik an der FH St. Pölten, welches sie vor etwa drei Jahren mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Zudem machte sie sich einen Namen als Fotografin, (Kurz-)Filmemacherin, Redakteurin bei der Musikzeitschrift Concerto, CityFlyer-Mitarbeiterin und seit 2007 als Moderatorin der Musiksendung „BlackXplosion“ auf Campus & City Radio 94,4.
Mission Funk
Letzteres ist ihr ein besonderes Anliegen. „Die am längsten laufende Sendung im Campus Radio überhaupt!“, freut sie sich. Und es ist österreichweit so ziemlich die einzige zu Soul und Funk, in der hervorragend recherchierte und detaillierte Angaben zu den jeweiligen Interpreten geliefert werden. Eine musikalische Ausrichtung, die Zawadil auch als DJane mit dem klingenden Pseudonym „Miss Marple“ und „strictly vinyl“ pflegt. Wobei das Auflegen eine Zeitlang pausieren musste: „Ich habe eine Weile im offiziellen Kulturbetrieb gearbeitet. Das war Abnutzung pur und hat letztendlich jegliche Kreativität in den Minusbereich versetzt.“ Jetzt sei sie als Broterwerb fürs e-Marketing eines Segelzubehör/Lifestyle-Shops tätig: „Und ich sag‘s dir: Beides probiert – kein Vergleich!“  
Sowohl bei der Auswahl ihrer Schallplatten als auch in ihrer Radiosendung sticht eins heraus: ihre unbedingte Liebe zum Soul. Was ihr daran so gefällt?„Gar nicht so einfach zu sagen.“ Zawadil denkt kurz nach. „Ursprünglich hat’s bei mir mit Funk angefangen: Der Groove, diese faszinierenden Basslaufe, die Leidenschaft, die da transportiert wird, und letztendlich auch die lyrics – das hat mich in seinen Bann gezogen.“ Während sie spricht, beginnen ihre Augen beinahe wie unter imaginären Stroboskopblitzen zu leuchten. „Und übern Funk bin ich dann zum Soul gekommen: Am Anfang war mir der, das muss ich zugeben, ein bissl zu fad. Aber ich bin da im Laufe der Zeit richtig reingekippt.“ Nachsatz: „In St. Pölten hat sich ja sonst kaum jemand mit dieser Art von Musik beschäftigt. Und ich wollte das halt in die Stadt hinein tragen. Darum hab’ ich vor etwa 15 Jahren aufzulegen begonnen.“ Mission Funk sozusagen. Doch zurück zur Fotografie.
„Ich kann in meiner freien Zeit, also in der ich meinen künstlerischen Projekten nachgehe, auf Dinge wie Smartphone, Tablet und so weiter ganz gut verzichten. ‚Aus der Zeit gefallen‘ ist mit einer alten DDR-Mittelformatkamera und Schwarzweiß-Rollfilm geschossen worden. Analoge Fotografie besitzt eine eigene, dem Thema sehr adäquate Ästhetik. Und du fotografierst mit analogem Material anders. Zurückhaltender. Achtsamer. Überlegter. Weil – auf so einem Film sind grad einmal zwölf Fotos drauf. Mit der Digitalkamera fotografierst du ja eher so drauf los.“
Wie es mit Vorbildern aussieht? „Ich bewundere Helmut Newton und Annie Leibovitz, die diese herrlichen Rolling Stone-Fotos macht. Aber Vorbilder? Die fotografieren ja hauptsächlich Menschen. Ich selbst tu‘ das ja nicht, außer wenn ich etwa fürn CityFlyer Fotos mach’.“ Sie lacht. „Nicht, dass ich keine Menschen mag, aber ich interessiere mich künstlerisch eher für Architektur.“ Am ehesten gehe noch der 2007 verstorbene französische Architekturfotograf Lucien Hervé als direkter Einfluss durch.
Nach einigen Einzel- und mehreren Gruppenausstellungen und wiederholter Mitwirkung beim Poladarium 2014 und 2015, gleichsam der Weihestätte für internationale Polaroidfotografie, findet nun am 18. Juni im akta-Salon Schreinergasse die Vernissage zu Zawadils „Aus der Zeit gefallen“ statt. Die Ausstellung läuft bis Ende August 2014.
Und lädt nicht zuletzt dazu ein, die Stadt wieder einmal bewusst abseits der Trampelpfade zu durchwandern.
Ist ja nur eine Zeitfrage. Oder?