MFG - Euroreif?
Euroreif?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Euroreif?

Text Johannes Reichl
Ausgabe 06/2008
Meine Damen und Herren! Wir steigen live ein ins Spiel St. Pölten gegen sich selbst. In der Fachwelt wird die Traditionspartie ja gern mit Simmering gegen Kapfenberg verglichen (das ist Brutalität)! Dabei hat der Provinzverein durchaus Ambition (und Potential!), zu einem der ganz Großen der Liga aufzusteigen, gar in der Champions League mitzumischen, wie auch der Vereinsslogan „Mitten in Europa“ signalisiert. Unrealistisch? Mitnichten! Spätestens unter dem neuen Präsidenten, der dem Statut nach auch als Spielmacher, Kapitän und Trainer der 42 (Gemeinderats)Spieler fungiert (ein antiquiertes Modell!), hatten viele Fans nach Jahren des Herumdümpelns in der Mittelmäßigkeit neue Hoffnung geschöpft. Ein Ruck ging durch die Mannschaft, man spielte unbekümmert drauf los. Doch die ansehnliche Anfangsoffensive geriet ins Stocken, und so flachte die Partie zusehends ab.
Die Gründe dafür sind manigfaltig. Am problematischsten ist, dass die Chemie innerhalb des Teams nicht stimmt. Anstatt gemeinsam an einem Strang zu ziehen und als starkes Kollektiv aufzutreten, gibt es immer wieder sinnlose Einzelgänge und Scharmützel. So mancher Spieler glänzt mehr durch verbale Wuchteln abseits des Spielfeldes, denn durch ansprechende Leistung am Platz. Auch das eine oder andere schmutzige Foul wird immer wieder ausgeteilt. In einem Anfall maßloser Selbstüberschätzung und offensichtlichen Realitätsverlustes halten sich einige Spieler für große Stars, obwohl sie in Wahrheit nicht einmal Schülerliga-Niveau besitzen!
Darüber hinaus greift in zunehmendem Maße das „Andi-Herzog-Bayern-Syndrom“ um sich: Innerhalb des Teams wird massiv gemobbt, ja ganze Teile der Mannschaft werden gar nicht mehr angespielt und so ins Abseits gestellt. Auch von Team- und Taktikbesprechungen sind sie meist ausgeschlossen.
Wenig verwunderlich, dass nach der Anfangseuphorie unter den Fans zuletzt die Unzufriedenheit gestiegen ist, vereinzelt sogar Pfiffe von den Rängen kommen, wobei... das heimische Publikum war immer schwierig! Keine Spur vom Feuer á la Rapid-Westtribüne, von wahren „Patriots“! Da fehlen oft die bedingungslose Unterstützung und Identifikation mit dem Team. Anstatt als 43. Mann die Equipe tatkräftig anzufeuern, sitzt man lieber beim Heurigen, sudert übers Spiel und weiß groß bescheid, wie man es besser machen müsste...
Freilich sind strukturell nicht die 50.000 selbsternannten „Trainer“ das Problem, sondern die vielen Einsager und „Experten“ im Management und Umfeld des Vereins. Die Cliquenbildung ist unübersehbar. Jeder Klubobmann will – ausschließlich das Wohlergehen seines Flügels anstatt des gesamten Teams im engen Blickfeld – Chef spielen. Zudem wähnt sich manch Gesellschafer in der Rolle eines übergeordneten Team-Managers, obwohl es diese Rolle im Statut gar nicht gibt. Die Folge sind Kompetenzverwirrung, Zuordnungsprobleme und Leerlauf.
Und spielerisch? Da ist eine gewisse Abschluss-schwäche nicht zu übersehen. Es fehlt der Zug zum Tor, der letzte, unbedingte Wille. Geboten wird ein Mittelfeldgeplänkel, die Kugel wird nur hin- und hergeschoben. Zwar blitzt bisweilen Klasse bei sehenswerten (medialen) Dribblings auf, doch der Raumgewinn fällt meist dürftig aus. Vorm Tor wird zu oft gezaudert. Anstatt einmal Risiko zu nehmen, ordentlich draufzuhalten und den Sack zuzumachen, kommt eher der Sicherheitspass zurück.
Ist der Aufstieg also Illusion? Keinesfalls, wie man zuletzt mit der trickreichen Stadionaktion gezeigt hat. Nur: Ohne Teamwork hilft die beste Infrastruktur nichts! Als zerstrittener Haufen wird man nie Euroreife erlangen, denn merke (so grotesk es auch klingen mag): Politik ist ein Mannschaftssport!